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Wie Nvidias Shield und Grid nichts Neues machen - und doch alles verändern könnten

Das Ende des "P" in "PC-Spiele".

Vor der Lektüre dieses Textes solltet ihr die Artikel zu Nvidia Shield und Nvidia Grid lesen, um besser im Bilde zu sein, worum es geht.

Eigentlich ist Shield nichts Neues, auch wenn es jetzt in einer kleinen schwarzen Box mit den neusten HDMI-Standards daherkommt und nicht mehr als Tablet. Grid ist auch keine neue Idee, erst hörte man von OnLive und Gaikai (das Sony jetzt PlayStation Now nennt), für den Android- und PC-Markt gibt es nun bald Nvidia Grid. Ein Streaming-Dienst, im Grunde nicht viel anders als Netflix für Filme und Spotify für Musik. Zwei Vergleiche, die Nvidias Mitbegründer Jen-Hsun Huang auf der Pressekonferenz im Rahmen der GDC in San Francisco nicht ohne Grund mehrfach in den Raum warf.

Jen-Hsun Huang vor Nvidias kleinstem Hoffnungsträger.

Klingt jetzt alles nicht mal so spektakulär, Android-TV-Boxen gibt es wahrlich genug, auch wenn diese hier den bisher verfügbaren technisch deutlich überlegen ist. Streamen statt installieren ist verlockend, vor allem, weil relativ kleine Bandbreiten von etwa 10 Mbit für 720p und 25 Mbit für 1080p, jeweils mit 60 Hz ausreichen sollen. Eigentlich wundert man sich nur, dass Nvidia eine Box anbietet, statt gleich ganz mutig zu den TV-Herstellern zu gehen und die kleine Kiste mit verbauen zu lassen. Aber das kommt ja vielleicht auch bald, Shield als weiteres Gimmick in der jetzt schon langen Feature-Liste der Smart-TVs.

Denken wir das Ganze aber mal durch. Hier ein kurzes Gedankenspiel: Schon jetzt ist Grid bei einer Leistung von 150 Millisekunden Reaktionszeit. Für einen normalen Durchschnittsspieler ist das absolut ausreichend. Erst bei speziellen Spielen, wie schnellen Echtzeit-Strategie-Titeln oder Höchst-FPS-Shootern wie Counterstrike auf Turnierlevel ist das viel zu wenig, aber deshalb sagte ich zum einen ja auch "schon jetzt", das wird in Zukunft sicher noch besser, zum anderen ist klar, dass es immer einen Markt für solche Hardcore-PC-Spieler und ihre Spielzeuge geben wird. Für alle anderen aber, und das ist die Mehrheit, genügen schon die 150 Millisekunden, um ganz entspannt und ohne sichtbare Verzögerungen Witcher 3 und Co. in 1080p mit 60 Hz zu spielen. Auf einem Gerät, dass 199 Dollar kosten wird. Schon eine Grafikkarte, die Witcher 3 auch nur mit hohen Details in 1080p laufen lassen kann, ist für dieses Geld nicht so einfach zu finden. Vom Rest drum herum ganz zu schweigen.

Any way you want it. That's the way you need it.

Sind 1080p60 jetzt die Welt für einen modernen PC? Nein, natürlich nicht, genauso wenig wie die "nur" hohen Grafikeinstellungen. Aber da der Tegra Chip jetzt schon in der Lage ist, 4K-Video zu decodieren und abzuspielen, spricht wenig gegen höhere Auflösungen, sobald das Neuland des Internets erschlossen und ausgebaut ist. Am Ende ist es vor allem eine Frage der Bandbreite. Es wird nicht mehr um die Bandbreite zwischen Speicher, GPU und CPU gehen, nur darum, welche Auflösung durch die Datenleitung bis zum Wohnzimmer passt.

Andere Dinge erledigen sich gleich mit. Eines der großen Probleme der PC-Spiele-Entwicklung - auch wenn es heutzutage nicht mehr ganz so wild ist, wie es mal war - sind die unterschiedlichen Konfigurationen. So viele wie möglich müssen beachtet werden, damit alles ohne Bugs vonstattengeht. Auf Konsolen war dies immer etwas einfacher, weil die Hardware definiert ist. Nun, im Grid wird dies auch der Fall sein. Die GTX-Server haben bestimmte Spezifikationen, die schiere Leistung dürfte fast nach Belieben - zumindest im benötigten Rahmen - skalierbar sein. Treiber sind definiert und Spiele können ab einem Punkt genau auf diese Server optimiert werden. Auch eine andere PC-Seuche hat sich gleich miterledigt: Ein Stream lässt sich nicht raubkopieren.

Der kritische Teil sitzt links: 60 Millisekunden sind nicht schlecht, aber in dieser Zeit muss Maximales und nicht nur Hohes passieren.

Es wird dabei spannend sein, zu sehen, wie Rechenleistung intern abgerechnet werden wird. Ein Spiel, das maximale Rechenpower auf den GTX-Servern braucht, unterscheidet sich im Energieaufwand plötzlich ganz drastisch von einem Indie im Pixel-Look. Auf dem eigenen PC ist das auch der Fall, hier ist es aber noch sehr viel direkter messbar und irgendwann zu erfahren, wie Nvidia diese Unterschiede handhabt, könnte interessante Fragen aufwerfen: Wenn ich als Entwickler einen aufwändigen Effekt nutze, der zum Beispiel zehn 10 Prozent mehr Rechenleistung benötigt, steigen dann meine Kosten um q0 Prozent? Ein reines Gedankenspiel, das sich weiterführen lässt: Wird es eines Tages mehr Geld kosten, ein Spiel mit höheren Settings zu spielen? Nun, nichts davon steht derzeit wirklich im Raum, aber das dürften einige der Fragen einer Streaming-Zukunft sein.

Wie aber würden sich dann die Spiele in einem solchen Streaming-Ökosystem entwickeln? Meine Prognose lautet kurz- bis mittelfristig, dass sie nicht anders entworfen und gespielt werden als jetzt. So lange es eine große Zahl an PCs und PC-Enthusiasten mit großen Rechnern und Grafikkarten in den Haushalten gibt, wird Grid einfach ein etwas anderer Weg sein, die Spiele zu spielen, die eh erscheinen. Auch an der Bandbreite der Genres, der Verteilung von AAA und Indies wird sich nicht viel ändern, was sich nicht auch sonst geändert hätte. Shield verkraftet auch Maus und Keyboard, selbst da ändert sich nicht so viel, wenn man es nicht möchte.

Dafür gibt es kaum eine Grafikkarte.

Spannender ist der langfristige Effekt, wenn sich Dienste wie Grid und mit Sicherheit kommende Nachzügler im großen Maßstab durchsetzen. Dabei gehe ich davon aus, dass sich die Reaktionszeit der 150 Millisekunden zwar etwas verbessert, aber auf absehbare Zeit nicht im Bereich von 20 Millisekunden oder weniger landet. Sollte das nämlich nicht der Fall sein, gibt es einen Massenmarkt aus Indies bis AAA-Titeln, die mit der kurzen Verzögerung wunderbar leben können und einen sicher etwas kleineren Markt der speziellen Genres wie Echtzeitstrategie und Turnier-FPS, für die das nicht in Frage kommt. Die Entwicklung der High-End-PC-Hardware lohnt sich aber vor allem dadurch, dass derzeit beide Märkte teure Grafikkarten und Peripherie brauchen. Auch viel im Bereich Speicher, Mainboard und Energieversorgung dreht sich im Haushalts-High-End um Spiele. Wenn dieser Markt wegbricht, weil Streaming-Boxen diese Hardwareschraube für eine Mehrzahl der Spielkonsumenten durchbrechen, dann dürfte es kaum noch lohnend sein, dermaßen viel Geld in die Entwicklung von High-End-Komponenten zu stecken.

An diesen Komponenten hängen aber nicht nur ein paar Genres und die letzten High-End-Grafikspielchen für Enthusiasten, sondern der ganze E-Sport-Bereich. Die Hardware-Hersteller, die dann noch spezifische Luxus-Gaming-Komponenten entwickeln, werden diese noch mehr auf diesen Bereich zuschneiden und sich das auch entsprechend bezahlen lassen. Es könnte also langfristig eine Art harte Aufteilung in den Mainstream und den E-Sport-Bereich geben.

Xbox One gegen Mainframe. So schlecht schlägt sich Microsofts Box eigentlich gar nicht mal...

Derzeit ist es mit Grid und installierten Spielen noch wie bei Netflix und Blu-ray. Das eine bietet den Komfort und den Preis, das andere die High-End-Qualität. Aber im Musik-Bereich kann man jetzt schon sehen, welche Entwicklung dort folgen wird. Spotify ist das Massenprodukt, aber es gibt schon mehrere Anbieter, die Lossless-Formate gegen einen Aufpreis anbieten und damit auch für Enthusiasten im musikalischen Bereich interessant machen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird das auch für Film- und Spiele-Streaming folgen.

Aus dieser Warte heraus kann ich gut verstehen, warum Jen-Hsun Huang bei seiner Präsentation einen möglichen Erfolg von Shield und Grid nicht als das benannte, was es am Ende bedeuten würde: Das Ende des "P" im PC-Gaming. Das Ende des Massenmarktes für teure Grafikkarten, dem derzeitigen Kerngeschäft Nvidias. Ich würde es allerdings nicht "sich selbst das Wasser abgraben" nennen, sondern eher die rechtzeitige Expansion in neue Bereiche.

Am Ende war das alles schon mal da. Computerspiele würden zurück zu dem kommen, wo sie in den 70ern starteten: Auf Mainframes mit nun über das Internet angeschlossenen Terminals. Das ist natürlich alles extrem weit gedacht. So schnell wird sich ein so großer Markt, wie es der von Grafikkarten und Gaming-Komponenten ist, nicht auflösen. Den Prozess sich angesichts der nun verfügbaren, lauffähigen Komponenten aus Grid-Service, den GTX-Großrechnern dahinter und den Shield-Clients zuhause vorzustellen, fällt aber nicht mehr schwer.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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