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Kuriose Zensur-Geschichten

Andere Länder, andere Schnitte

Computer- und Videospiele sind wie Navigationssysteme: Wer sich damit auskennt, weiß immer ziemlich genau, wo er sich befindet. Natürlich könnte angesichts dieser These jetzt der Gedanke aufkommen, der Autor dieser Zeilen habe wieder mal die falschen Medikamente genascht. Mitnichten! Es geht vielmehr darum, wie Spiele landestypisch geschnitten werden. Und vielleicht, es mag frevelhaft klingen, dass wir in Deutschland gar nicht mal so schlecht dran sind.

Zum Eingangsgedanken: Widmet ihr euch einem Vampir-Titel wie dem im Jahr 2000 erschienenen Rollenspiel-Meisterwerk Vampire – Die Maskerade: Redemption oder auch dem Action-Abenteuer Blood Rayne 2 (2004) und in besagten Blutsauger-Spektakeln fließt kein Tropfen Blut, seid ihr entweder einfach zu dämlich – oder in Deutschland. Wer hingegen bei der Fallout-3-Mission „Die Kraft des Atoms“ die Bombe in der Stadt Megaton nicht zünden kann, hängt höchstwahrscheinlich gerade irgendwo in Japan ab.

„Jedes Land hat seine eigene Kultur, seine eigene Geschichte“, erklärt Marek Brunner, warum Spiele in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich angepasst werden. Als Leiter der USK-Testabteilung weiß der gebürtige Potsdamer, dass virtuelle Gewalt in Deutschland von Gesetzes wegen stärker im Vordergrund steht als andere Spielelemente.

Blood Rayne 2: ein Vampir-Spiel ohne Blut, so was gibt’s wohl nur in Deutschland.

Geschichtliche Hintergründe wie die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben machen es nachvollziehbar, warum in Japan eine spezielle Fallout-3-Version erschienen ist. Ebenfalls aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs resultiert, dass Nazi-Symbole in deutschen Spielen verboten sind. Ob das im Vergleich mit Filmen, in denen Hakenkreuze offenbar kein Problem darstellen, fair oder sinnvoll ist, hin oder her.

„Natürlich stellt in Deutschland Gewalt das Hauptproblem dar: Angst, Sex, Kraftausdrücke, ja sogar virtuelle Drogen und Glücksspiel werden als Story-Elemente verstanden, Gewalt aber eben nicht“, sagt Marek Brunner von der USK.

Man darf sich sicher zu Recht darüber mokieren, wie manche deutsche Fassungen beschnitten sind. Angesichts eines Vampir-Titels, in dem ausgerechnet das Blut fehlt, kann man eigentlich nur in Tränen oder ob der genialen Realsatire in schallendes Gelächter ausbrechen. Redakteure der Zeitschriften Titanic verdienen mit ähnlich brillanten Ideen ja sogar Geld.

„Während Britney bei uns uncut am Nachmittag durchs Wohnzimmer turnt, wird in Amerika nur die geschnittene Version ausgestrahlt“, nennt Brunner ein Beispiel für die Probleme in den Vereinigten Staaten. Es sollte bekannt sein, was seinerzeit die Hot-Coffee-Modifikation für GTA: San Andreas auslöste: Die Möglichkeit, mit seiner virtuellen Freundin Schweinkram zu veranstalten, kostete den Machern der Spieleschmiede Rockstar Games viel Nerven und Geld, weil der Titel aus den Regalen verschwand und nachproduziert werden musste.

In Deutschland barbusig, in den USA mit Bikinioberteil: Sea-Reaper aus Giants: Citizen Kabuto.

GTA: Vice City erfuhr ebenfalls eine Überarbeitung, um einem Verkaufsverbot vorzubeugen: Haitianer hatten wegen der feindlichen Einstellung gegen ihr Volk protestiert.

Für Prüderie in den USA gibt es etliche Beispiele: In Giants: Citizen Kabuto (2000) verpasste man den blauhäutigen Sea-Reaper-Damen züchtige Bikinioberteile. Bei Heavy Metal F.A.K.K. 2 aus dem selben Jahr kickten die Entwickler einen kompletten Level. Hier hätte Heldin Julie über Plattformen hüpfen sollen, während von der Seite weiße, säurehaltige Flüssigkeit aus Steinbrüsten sprühte.

Das in Deutschland kaum bekannte Partyspiel The Guy Game wurde gar gerichtlich verboten, weil der Busen einer 17-Jährigen zu sehen war. Ähnliches gibt es aus Singapur zu vermelden: Hier war bei Mass Effect Stein des Anstoßes, dass zwischen einem Menschen und einer Außerirdischen lesbischer Sex möglich ist.

Brasilien ist ebenfalls ein interessantes Beispiel. Seit einem Amoklauf im Jahr 1999 stehen dort sogenannte „Gewaltspiele“ in der Kritik. Unter anderem verboten sind die bei uns ab 16 Jahren freigegebenen Counter-Strike und Bully: Die Ehrenrunde. Außerdem hat man neun Jahre nach der Veröffentlichung EverQuest indiziert, weil die Wahl zwischen guter und böser Spielweise zu Konflikten führe und Depressionen auslöse, hieß es. Na herzlichen Glückwunsch!

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Über den Autor

Harald Fränkel

Contributor

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