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Zoo Tycoon - Test

Das Leben ist manchmal doch ein Streichelzoo.

Für Kinder und Zoo-Fans wird hier deutlich mehr geboten als für alle, die eine harte Wirtschaftssimulation wollen.

Die Welt ist mitunter schon mal schwer zu verstehen. Dabei sind alle einzelnen Aspekte so einfach. David Braben macht Elite. Das war schon immer so, zumindest in meiner bewusst limitierten Wahrnehmung seines Lebenswerkes. Vielleicht noch The Outsider, was auch immer das sein mag, nicht dass es je kommen würde. Aber wenn es heißt, David Braben macht einen der Launch-Titel für Xbox One, höre ich nur David Braben macht Elite 4 für Xbox One. Oder vielleicht The Outsider, was auch immer das sein mag, nicht dass es je kommen würde. Trotz der Arbeit der Frontier-Developments-Studios an Roller Coaster Tycoon 3, Kinectimals oder The Outsider - was auch immer das sein mag, nicht dass es je kommen würde - klingt der Satz „David Braben macht Zoo Tycoon für Xbox One als Launch-Titel" für mich immer noch wie eine grammatikalisch falsche Auflistung von Worten in Esperanto. Man denkt, dass man versteht, worum es gehen könnte, aber denkt sich gleichzeitig, dass es das nicht sein kann, weil die Welt so nicht funktioniert.

Wie bei Dreamworks: Die Tiere sehen deutlich besser aus als die Menschen.

Ok, meine eingeschränkte Fantasie in Bezug darauf Mal außen vor, eines der ersten Spiele der XBO, für uns Tester dank des Embargos heute DAS erste Box-Spiel für die neue Konsole überhaupt, ist Zoo Tycoon. Nicht ganz das, was ich mir so in diesem Zusammenhang vorstellte. Nur um noch mal darüber nachzudenken, auf dem Super-Nintendo gab es F-Zero oder Zelda, auf dem N64 Pilotwings, auf der PS1 Ridge Racer, auf der Xbox war es Halo, es waren immer Spiele, die ... ich denke, ihr seht, worauf ich hinaus möchte. Ist Zoo Tycoon wirklich so ein Showcase-Titel, der nur mit der Power neuer Technologien unsere Wohnzimmer in ein neues goldenes Zeitalter führen kann?

Nicht gerade ein Railroad Tycoon

Ihr müsst die Frage nicht beantworten, die Antwort ist so offensichtlich wie irrelevant, denn Zoo Tycoon mag jetzt nicht der große Show-Stopper sein, aber wie viel Spaß ich mit dem Spiel hatte, war dann die nächste Überraschung. Dabei bin ich noch nicht einmal die Zielgruppe. Ich gehöre zu der Gruppe Spieler, die komplexe Wirtschaftsmechaniken durchdringen möchte, die ein Rise of Venice in 10 Stunden auf einem Excel-Sheet nachzeichnet und Gewinne und Verluste anhand dessen plant. Zoo Tycoon ist nicht dieses Spiel.

Die Wirtschaftsmechaniken dahinter sind so simpel, wie es nur wird. Ihr baut einen Zoo. Geld holen Zoos über Besucher (oder in der realen Welt über staatliche Förderung). Besucher haben Erwartungen. Diese bestehen darin, dass sie auf Wegen laufen, die nicht der örtlichen Mülldeponie ähneln. Dass sie Pommes und Eis zu semi-fairen Preisen kaufen können. Dass sie nicht zugunsten des Eintritts auf den Familienurlaub verzichten müssen. Und dass sie, um es mit den eloquenten Worten einer jungen Dame zu sagen, deren Gespräch mit ihrem Freund ich bei meinem letzten Zoo-Aufenthalt belauschen durfte, „verkackte Viecher anglotzen" dürfen.

Der Zoo baut und verwaltet sich fast automatisch, wenn ihr ein paar Helfer anheuert.

Die Zusammenhänge scheinen einfach. Der Zoo ist zu dreckig, also stellt ihr ein paar Reinigungskräfte ein. Es gibt zu wenige Tiere, also holt ihr ein paar neue. Die Leute wollen mehr Snacks, also wird eine Fast-Food-Bude gebaut. In Zoo Tycoon gibt es so gut wie keine mehrstufigen Kausalketten sich gegenseitig beeinflussender Faktoren. Es gibt einen Mangel, ihr beseitigt ihn und dies wird kaum einen anderen Aspekt betreffen als den unmittelbaren.

Selbst das sonst so komplizierte Thema Geld wandert dabei in den Hintergrund, denn es gibt kein Szenario, bei dem ihr nicht mit einem Minimum an Zurückhaltung gut über die Runden kommen würdet. Seien es die Herausforderungen oder die Kampagne, in keinen der Settings ist das wirtschaftliche Überleben des Zoos ein großes Thema. Die einzige Grenze, mit der ihr es unter Umständen zu tun bekommt, ist eine je nach Ausgangslage vorhandene Begrenzung der maximalen Zahl an Tieren oder Gebäuden. Nur ist diese Notlage dann keine die Existenz bedrohende, sondern mehr ein Abwägen, ob man jetzt lieber die Lemuren oder die Nilpferde den neuen Notwendigkeiten opfert. Die Wahl ist bei lieb gewordenen Possierlichkeiten in Fell nicht immer einfach, rein wirtschaftlich betrachtet aber eher belanglos.

Tiere unterschiedlicher Gattung lassen sich in einem Gehege unterbringen, zumindest solange sie sich nicht gegenseitig als Nahrungsquelle dienen.

Den Zoo und seine Besucher bei Laune zu halten, ist einfach, bei den Tieren selbst ist es nicht anders. Ihr könnt euch das Leben schwer machen, indem ihr an jedes Gehege eine Fütterungs- und Wasch-Vorrichtung platziert, die durch euch manuell bedient wird. Ist niedlich, dazu komme ich gleich noch, aber sehr ineffizient. Viel einfacher ist es im Gehege automatische „Tierduschen" und Futterstellen zu platzieren, die dann von preiswertem Personal automatisch befüllt werden. Achtet dann noch darauf, dass die Tiere im richtigen Gehege stecken - also keine Giraffen in Tundra-Szenarien und keine sibirischen Bären in die Tropen -, dass sie genug Gesellschaft in Form von Artgenossen haben und schon sind die Viecher absolute Selbstläufer, die nie den grünen Wohlfühlbereich verlassen werden.

Zucht als das große Abenteuer des Lebens

So an die Sache heranzugehen, lässt auch einige der gestellten Aufgaben sehr simpel werden. Alle Tiere für 10 Minuten im grünen Bereich halten? Ich müsste mich anstrengen, damit das nicht der Fall ist. Ein Foto von einem bestimmten Tier zu schießen ist angesichts der nie zu knappen Ressourcen auch kein Thema. Schnell ein Gehege gesetzt, das Tier rein, Sucher an und Knips, schon ist wieder eine Aufgabe erfüllt. Die interessantesten Herausforderungen betreffen im späteren Verlauf das Züchten bestimmter Tiere, da hier ein Zufallselement dazukommt und die unglaubliche Artenvielfalt des Spiels beachtet werden muss.

Besetzt eine Zuchtstation mit Personal und weist diese Leute dann bestimmten Tieren zu, damit sie alles für deren bessere Paarungswilligkeit unternehmen. Ob jedoch das gewünschte Ergebnis dann um die Ecke kommt, kann in späteren Aufgaben nicht nur davon abhängen, dass zwei Giraffen unterschiedlichen Geschlechtes im Gehege herumwandern, sondern dass es auch genau die richtigen Untergattungen sind, die sich dort treffen. Wie im richtigen Leben ist das letzte Quäntchen dabei dann der Zufall, ob das passiert, was gewünscht ist. Aber habt ihr alles getan, um die Wahrscheinlichkeiten in eure Richtung zu schieben, stehen die Chancen gut. Zoo Tycoon ist dabei nicht unfair.

Ihr kauft keine Tiere, ihr 'adoptiert' sie.

Nachdem sich das bis jetzt alles nach dem spielerisch eher mageren Gerüst einer Wirtschaftssimulation anhörte, kommen wir zu dem, warum ich glaube, dass ich eben wirklich nicht direkt zu der Zielgruppe gehöre, dass es aber durchaus eine legitime dafür gibt, die sehr glücklich mit diesem Spiel sein dürfte. Zoo Tycoon ist für Kinder und Familien ein Traum. Zum einen eben, weil die Mechaniken relativ simpel gehalten wurden und es nicht nötig ist, ständig ein Auge auf die Zahlen zu haben, zum anderen, weil hier jeder zum Tierliebhaber wird.

OH. MEIN. GOTT. SIND. DIE. NIEDLICH!!!

Frontier Developments hatte bereits mit Kinectimals ein Händchen für „niedlich" bewiesen, und auch wenn es hier nicht so sehr in diese Richtung getrimmt wurde, ist das Verhalten der Tiere einfach nur liebenswert. Stellt euch einen Zoo vor, in dem eben nicht ein deprimiertes Nashorn Achten in den Boden läuft - Realität -, sondern eine kleine Herde Nashörner sich gegenseitig anstupst, ausgiebigen Gebrauch von Kratzgelegenheiten macht, sich im Wasser tummelt uns auch sonst eher Happy Happy Nashorn spielt. Jede Tierart mit all ihren Untergattungen - Dutzende sind es - wird phänomenal dargestellt und imitiert gelungen das Verhalten ihrer realen Vorbilder. Kümmert ihr euch nicht um das Wohlergehen, werden sie ruhiger und stehen nur noch deprimiert herum und werden euch irgendwann sogar weggenommen - ihr könnt sie nicht verhungern lassen -, seid ihr jedoch hinterher, zeigen sie das Verhalten, dass zufriedene Mitglieder der Gattung an den Tag legen. Verliebte Giraffen kringeln ihre Hälse umeinander, Löwenpaschas haben vom Kletterfelsen einen Blick auf ihr herumtollendes Rudel und ich erwischte mich dabei, wie ich eine halbe Stunde den Lemuren zuguckte. Einer von ihnen nahm immer wieder eine Art Meditationshaltung ein, um sich zu sonnen, während ein anderer sich immer wieder von hinten anschlich, um ihn umzuschubsen. Das ging drei oder vier Mal so, bevor es dem Sonnenanbeter reichte und er dem Störenfried nachsetze und sich mit ihm keilte.

War Kinectimals noch hauptsächlich niedlich, geht die Darstellung hier in Richtung Realismus.

Es ist diese Masse an Verhaltensweisen und Interaktionen der so real nachempfundenen Tiere, die die Zoo-Sicht, in der ihr mit eurem Zoo-Meister in Third-Person-Ansicht durch eure Kreation wandert, zu dem vielleicht wichtigsten Feature werden lassen. Aus dieser direkten Boden-Perspektive lernt ihr eure Tiere kennen, von denen jedes einzelne nicht nur einen Namen hat, sondern dieser auch mit einem immer neu gemischten Set an Verhaltensweisen verknüpft ist. Ihr lernt, wenn ihr euch darauf einlasst, dass der Schimpanse Fred ein feiger Angeber ist, der zwar vor fast allen Gehege-Kollegen flüchtet und ihnen ausweicht, sich aber sonst wie der König des Urwalds aufspielt, wenn keiner guckt. Larry dagegen spielt ständig mit anderen Affen, macht Faxen vor den Besuchern und zeigt sogar Tricks an dem Klettergerüst, die nur er zu beherrschen scheint. Es dauert sehr lange, bis ihr beginnt, Muster wiederzuerkennen und die Illusion ein wenig leidet. Man muss schon diesen Bruch suchen wollen und ich bin mir sicher, dass Kinder genau das nicht tun werden. Sie erfreuen sich dagegen an der perfekten Zoo-Schau, die so in der Realität nie geboten werden kann.

Sinnlos ausgebremst

Dass es genau darum geht, dass diese Erfahrung nicht gestört werden soll, merkt man auch daran, wie durchdacht und simpel die Steuerung beim Bau ausfiel. Ihr wählt ein neues Gehege oder Gebäude aus, postiert es irgendwohin, wo es euch gefällt und das Spiel übernimmt jede Art nötiger Infrastruktur wie Wege, Wasser oder Strom. Sie tauchen einfach auf und dank des schönen Art-Designs bindet es sich immer tadellos ein. Es ist praktisch unmöglich, einen hässlichen Zoo zu bauen und konsequenterweise sind Laufwege auch kein Faktor bei der Kundenzufriedenheit. Das größte und beim besten Willen nicht nachvollziehbare Manko bei der Baufreude und auch der Tierauswahl ist das „Erforschen". Wie bei einem Free-to-play-Spiel müsst ihr bei jeder neuen Gattung oder jedem Objekt erst ein wenig warten, bevor ihr es das erste Mal nutzen könnt. Das kann alles zwischen 5 Sekunden und 3 Minuten sein, lässt sich nur über ein paar freischaltbare Perks verkürzen und erfüllt keinen erkennbaren Zweck, außer das Spiel ein wenig auszubremsen, da immer nur eine Sache gleichzeitig erforscht werden kann. Es gibt auch (zumindest bisher) keinen Shop, der diese ja sowieso kurzen Wartezeiten gegen Geld aufheben würde. Ich hab keine Ahnung, warum es da ist, es hat keinen Spielsinn, stört und gehört weggepatched.

Da dies ein Next-Gen-Titel ist, sollte ich wohl ein paar Worte über die Technik verlieren. Die Tiere sehen klasse aus und sind brillant animiert. Den Rest hätte es niedriger aufgelöst auch auf der ersten Xbox geben können. Dort wäre der verzögerungsfreie, unmittelbare Wechsel zwischen der herausgezoomten Bau-Sicht und der nahen Zoo-Sicht nicht möglich gewesen und auch nicht ganz so viele Tiere und Besucher wären gleichzeitig zu sehen gewesen. Aber jenseits der Gehege-Bewohner gibt es hier nichts, an dem der Blick hängen bliebe. Frontier nahm jedoch seine Kinectimals-Erfahrung und baute sie in die Interaktions-Möglichkeiten an den Gehegen mit ein. Ihr könnt virtuell Nahrung greifen und den Tieren reichen - also eigentlich nur eine Greifbewegung ausführen und die flache Hand ausstrecken - oder mit ihnen durch eine Scheibe getrennt Blödsinn anstellen - besonders die Affen sind für Nachahmspiele immer zu haben. Für Kids ist das faszinierend und unglaublich lustig, eben weil es fehlerfrei funktioniert. Der effizienzbewusste Erwachsene setzt lieber auf automatisierte Futterstationen.

Spaß mit Kinect: Die Handbewegungen werden tadellos erkannt und umgesetzt.

Damit ist auch Zoo Tycoon schon kurz zusammengefasst. Es ist keine Hardcore-Wirtschaftssimulation, die da unter bunten Farben und lustigen Tieren versteckt wurde. Es ist bestenfalls ein sehr, sehr freundlicher Einstieg in das Genre und als solcher ist er für Kinder sogar richtig gut geeignet. Sie lernen, dass sie ein Auge auf eine Reihe von Faktoren haben müssen, dass man die Tiere nicht ganz vernachlässigen sollte und wie zumindest die gröbsten Zusammenhänge funktionieren, ohne komplexe Kausal-Ketten zerkleinern zu müssen. Außerdem haben sie garantiert jede Menge Spaß mit den tierischen Bewohnern, die nicht nur grandios animiert wurden, sondern auch eine so große Vielzahl an Verhaltensmustern an den Tag leben, dass das Vergnügen ein Weilchen halten sollte. Selbst für die Erwachsenen in der Familie gibt es hier genug zu bestaunen, sodass man es einfach sagen kann: Für die Familie ist Zoo Tycoon so spaßig wie ein Tag im Zoo. Nur preiswerter (oh ja, ich weiß, wovon ich spreche), weniger anstrengend und ohne die deprimierende Realität eines Zoos anerkennen zu müssen.

Solltet ihr jedoch wie ich den Begriff Tycoon zum Beispiel aus dem Zusammenhang „Railroad Tycoon" kennen und euch durch komplexe Zusammenhänge kämpfen wollen, dann ist das das hier so gar nicht euer Spiel. Ist nicht seine Intention, will es nicht sein, kann ich ihnen jetzt nicht so richtig übel nehmen. Ich hätte mir schon einen komplexeren Modus als optionales Feature gewünscht und diese Forschungs-Bremse hätte man sich gleich ganz sparen können, aber das schmälert den Spaß für Kinder und Familien in diesen Fall kaum. Kauft es nicht, wenn Braben für euch Elite bedeutet. Kauft es, weil eure Kinder Tiere lieben. Und ihr bestimmt auch.

7 / 10

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