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inFamous: First Light - Test

All die schönen Lichter!

Weniger Features, gleiches Gameplay mit bekannten Stärken und vor allem Schwächen, aber eine nette Kampagne rettet dieses Add-on.

Technisch imposant war das hochsolide inFamous: Second Son zu sehr in den Grenzen einer allzu bekannten Open-World-Schablone gefangen, um über das Launch-Fenster der Konsole hinweg ein beherrschendes Thema zu bleiben. In Aufbau und Ablauf war es zum dritten Mal Schema F, weshalb die wenigsten hierüber auch noch zum Start der nächsten Generation mit wässrigen Augen in Erinnerungen schwelgen werden. Es war ein Spiel vom unterhaltsamen, aber wenig überraschenden Schlag. Gutes Handwerk.

Genau hiervon liefert Sucker Punch mit First Light jetzt noch einmal vier bis fünf Stunden mehr. Klingt das für euch nach einer guten Idee, sind die knapp 15 Euro für dieses Stück auch ohne Hauptspiel laufende Kampagne bestens investiert. Alle diejenigen, die der Reihe schon immer ihre Copy-and-Paste-Struktur übelnahmen, werden diese Veröffentlichung unterdessen kaum registrieren.

Immerhin: Wenn es um die Produktionswerte geht, merkt man dem Titel kaum an, dass er nicht zu einer größeren Produktion gehört. Visuell, erzählerisch und in Sachen Schauspieler und Zwischensequenzen könnte man hier auch - und das ist jetzt nicht als zynischer Seitenhieb auf die Veröffentlichungs- und DLC-Politik heutiger Publisher gemeint - den Mittelteil von inFamous: Second Son vor sich haben, in dem die Ursprungsgeschichte von Fetch erklärt wird. Und das ist in keinem Fall eine schlechte Sache, ich bin ein großer Fan des Ansatzes, eine Spielwelt an ihren Rändern zu erweitern und so einzelnen Aspekten mehr Tiefe und Gewicht zu verleihen.

Fetchs Geschichte durchläuft bekannte Superhelden-Motive, nimmt gegen Ende aber trotzdem für sich ein.

Man muss nur damit leben, dass dies nicht auf spielerischer Seite passieren wird. Fetch ist der wohl interessanteste Charakter des inFamous-Universums und ihr Werdegang ist durchaus effektiv erzählt, was nicht zuletzt dem wirklich gutem Performance-Capturing und den überzeugenden Sprechern zu verdanken ist. Aber auf interaktiver Seite ist es einmal mehr ein Abklappern von Wegpunkten - für gewöhnlich drei pro Mission, wie könnte es anders sein -, an denen man jedes Mal mehr oder weniger dasselbe macht. Nur einmal möchte ich es in einem Open-World-Spiel erleben, dass der erste von den drei Orten, die ich aufsuchen soll, das gesuchte Objekt/Subjekt beherbergt. inFamous ist eines von der Sorte, in denen man eine solche Schnitzeljagd immer bis zum Ende gehen muss. Ein guter Riecher ist weniger gefragt als Zielpfeil-Gehorsam.

Obwohl die Aktivitäten innerhalb der Missionen demnach in ihrer Abwechslung und in ihrem Überraschungspotenzial sehr überschaubar bleiben, so sind sie doch immer unterhaltsam. Seien es Verfolgungsjagden auf den Dächern eines Lasters, bei denen ihr mit gleißenden Laserbällen den Sportwagen der Russenmafia einheizt, schießbudenartige Ballersequenzen, bei denen ihre ganze Straßenzüge in Schutt und Asche legt, oder die üblichen Gehe-dorthin- und Befreie-verprügle-zerstöre-X-Einsätze. Das Spiel lebt von guten Basics, die die sehr erbauliche Fortbewegung als lebendiges Lichtgraffiti und das chaotische, aber befriedigende Kampfsystem zur vollen Entfaltung bringen.

"Das Spiel lebt von guten Basics, die die sehr erbauliche Fortbewegung als lebendiges Lichtgraffiti und das chaotische, aber befriedigende Kampfsystem zur vollen Entfaltung bringen."

Die Highlights dieser Erweiterung sind aber die ruhigeren Missionen, etwa, wenn man Überwachungskameras hackt, um den Weg eines Menschenhändlers zu rekonstruieren oder anhand des Videofeeds einer Polizeidrohne deren Aufenthaltsort zu entschlüsseln. Toll ist auch, dass Sucker Punch euch in beschleunigter Manier durch Fetchs Fertigkeitenbaum sausen lässt. Fast an jeder Straßenecke lässt sich durch ein nett umgesetztes Rennen durch die Straßen des nun etwas verkleinerten Seattles oder ein Graffiti einer der Lumen genannten Upgrade-Punkte verdienen. Viele weitere sind auf der Karte eingezeichnet und durch akrobatische Sprung-, Gleit- und Boost-Abfolgen vom richtigen Gebäude aus ergattern. Dies sind die Momente, in denen man sich zumindest ein bisschen von der straffen Leine gelassen fühlt, die einem die ach-so-offenen Welten Spät-2000er-Spieldesigns so bereitwillig anlegen.

Seattle bleibt einmal mehr eine schöne Kulisse, die mehr Leben vertragen könnte.

Ein Arena-Modus, der mit Kämpfen gegen Hologramme diverse Herausforderungen auffährt, in denen man sich auf einer Highscore-Liste mit seinen Freunden messen kann, ist eine nette Dreingabe. Aber ich bin keiner von denen, die in dieser Richtung noch einen Ehrgeiz entwickelt, und ich weiß nicht einmal, wie viele es davon noch gibt oder ob dieses das richtige Spiel dafür war.

Ob First Light hingegen das Spiel für euch ist, hängt von einem Duo überschaubarer Faktoren ab: Hat euch Second Son gefallen, ist First Light eine angemessen bepreiste und attraktive Alternative zum zweiten Durchlauf durch Delsin Rowes Kampagne vom letzten Herbst. Habt ihr Second Son hingegen noch gar nicht gespielt, ist das Hauptspiel mittlerweile für knapp 40 Euro zu haben und damit in Sachen Umfang und Entscheidungsfreiheit - das binäre Moralsystem fehlt in First Light - der bessere Deal.

Man kann ohne diese Sorte DLC leben, sie als großen Verführer verschreien, der Publisher dazu anhält, Inhalte für separate Veröffentlichungen zurückzuhalten. Man kann sie verdammen, weil sie mit dem Wiederkäuen vielleicht schon beim ersten Mal nicht perfekter Mechanismen wenig bis gar nichts zur weiteren Entwicklung ihres Mediums beitragen. Aber ihnen vorzuhalten, etwas derart Poliertes wie First Light sei nicht unterhaltsam, das wäre grob daneben.

7 / 10

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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