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XCOM: Enemy Unknown - Vorschau

Der ewige Liebling

Für kein anderes Spiel empfinde ich eine vergleichbar innige Liebe, wie für das erste XCOM, hierzulande besser bekannt als UFO - Enemy Unknown. Einige Titel sind dem zeitweise nahe gekommen, die Wing Commanders, Portals oder Metal Gears dieser Welt, aber keines spiele ich auch heute noch so regelmäßig und phasenweise obsessiv wie dieses hier. Nichts ist so zeitlos, vielschichtig und ewig fordernd, wie dieser auf Wunsch niemals endende weltweite Feldzug gegen ein Konglomerat außerirdischer Invasoren. Ich würde so weit gehen, UFO als das beste Spiel aller Zeiten zu bezeichnen - lange nachdenken, abwägen und Listen schreiben muss ich dafür nicht und ich glaube nicht daran, diese Einstellung zu meinen Lebzeiten noch revidieren zu müssen.

Ich muss schon zugeben: Im jüngsten Licht der Ankündigung einer Neuauflage des Materials - oder besser "Re-Imagination", wie es so gern aus US-amerikanischen PR-Agenturen schallt - wäre nun durchaus die Erörterung der Frage interessant, was zuerst da war: Die höllisch lodernde Fan-Empörung über die Ego-Neuauflage von XCOM, die im Frühjahr 2010 angekündigt wurde, oder 2Ks Beschluss, die Strategie-Spezis von Firaxis parallel mit einer vorlagengetreuen Neubearbeitung der genial globalen Taktikperle zu beauftragen? Es erscheint irgendwie nur logisch, dass der Titel als Konsequenz auf das vernichtende Echo über die Action-Neuauflage von 2K Marin grünes Licht erhielt. Allerdings müsste der Entwicklungs-Startschuss in diesem Fall erst vor gut eineinhalb Jahren gefallen sein. Angesichts des ermutigend robusten Eindrucks, den der bereits für diesen Herbst angesetzte Titel macht, irgendwie nur schwer zu glauben. Er sieht ganz und gar nicht nach einer kurzentschlossen ins Leben gerufenen, händeringenden Wiedergutmachung aus, sondern wie ein überaus überlegter Neuentwurf des Konzeptes.

Wobei, Kausalitäten können uns eigentlich egal sein - mir zumindest sind sie es. 2K hätte niemand besser geeignetes aussuchen können, als das im US-Bundesstaat Maryland ansässige Sid-Meier-Team. Immerhin sind Meier und viele seiner Kollegen eng mit der Geschichte der Marke verbunden, brachten sie doch 1994 - noch bei MicroProse - das von Julian Gollops Mythos Games entwickelte Original auf den Markt. Viele der Entwickler, allen voran Lead Designer Jake Solomon, teilen meine Liebe zu dem Titel, wollten sicherstellen, dass die Modernisierung den Geist der Vorlage genau einfangen würde. Eine Eins-zu-eins-Kopie wird der Titel jedoch nicht. Und das ist der Moment, in dem die meisten Fans nicht ohne Grund mit den Ohren zu schlackern beginnen.

Dass es eine Modernisierung und eine Art Streamlining geben würde, war nicht zu vermeiden, ja, im Grunde war es sogar dringend nötig. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, ist es nicht der Mangel an Komfortfunktionen, der den Titel so groß gemacht hat. Etwa das minutiöse Bestücken der Soldaten, das vor jedem Einsatz aufs Neue vorgenommen werden muss, ohne überhaupt Terrain, Gegnerart oder Lage zu kennen. Ebenso wenig war es das minutiöse Beladen des Skyrangers (das Landungsschiff des XCOM-Einsatzkommandos) mit einzelnen Gewehrladestreifen. Es war auch nicht die Tatsache, dass der Titel herauskam, noch weit bevor die Mäuse das Rad als praktische Erfindung für sich entdeckt hatten.

Nein, es lag an der Mischung aus unglaublich solider, rundenbasierter Taktik auf prozedural generierten und zerstörbaren Schlachtfeldern, dem motivierenden Basenbau, dem rollenspieligen Heranzüchten einer schlagkräftigen Soldatentruppe und der Erforschung und Produktion immer leistungsfähiger Ausrüstung. Als Kirsche obendrauf das geradezu lächerlich befriedigendes Gefühl, die letzte Verteidigungslinie zwischen der Menschheit und den überlegenen Angreifern vom Mars (!) zu stehen. Was sich hier auch vollkommen ohne ausgewiesene oder in irgendeiner Form inszenierte Handlung für ein Kopfkino abgespielt hat, das hatte ich vorher nicht erlebt und auch seither nicht mehr. Es war der Geek-Himmel schlechthin - mit einem selbst als Gott.

Wenn man ersten Berichten Glauben schenkt, hat sich an diesen fünf zentralen Elementen nichts Wesentliches geändert, vor allem nicht das Mischungsverhältnis, das ich an dieser Stelle einfach Mal als beste aller Nachrichten für Fans deklariere. Immer noch überwacht ihr einen Globus, schießt geortete UFOs ab oder zwingt sie zur Landung, um anschließend eure Ledernacken reinzuschicken. Die zieht ihr dann rundenweise über Karten, die die Engine vor jedem Einsatz per Zufall generiert, mit Gegnern bestückt und in denen auch massive Betonwände durch den richtigen Beschuss noch zu bröckeln anfangen. Geborgene Alien-Ausrüstung nehmt ihr anschließend mit in eure erweiterbare Basis (die dieses Mal wie eine Ameisenkolonie im Querschnitt dargestellt wird, weil sie sich immer tiefer in die Erde frisst) und werft ein paar eurer Wissenschaftler darauf, um später auch UFO-Technologie oder Plasma-Waffen nutzen zu können.

Eine der zentralen Änderungen ist zunächst der Verzicht auf die Zeiteinheiten des Originals. Die bestimmten seinerzeit zu Felde, wie weit ihr eine Einheit ziehen konntet und ob sie dann noch zu Schießen, eine Granate zu werfen oder sonstige Ausrüstung zu nutzen in der Lage war. Es war eure Schlachtfeldwährung und eigentlich war sie ein tolles System. Firaxis hat sich nach einigen Selbstversuchen mit diesem Regelwerk allerdings für eine simplifizierte Variante entschieden. Man wollte offensichtlich verhindern, dass die Leute zu Felde zu rechnen anfangen und die Kosten unterschiedlicher Aktionen, die damals zum Teil noch vom Zeiteinheitenwert des Soldaten abhingen, auswendig lernen müssen. Das neue System lässt euch stattdessen wählen, ob ihr eure Einheit einmal zieht und dann eine Aktion vollführt, oder zweimal zieht, was im Geiste den Systemen von anderen Taktik-Klassikern wie Vandal Hearts oder Final Fantasy Tactics nicht ganz unähnlich ist und den Spielfluss etwas beschleunigen könnte. Ich will nicht sagen, dass diese Regelumstellung schlechter ist, als das alte System. Es ist nur anders.

Im Zusammenspiel mit einer anderen Neuerung könnte sie aber durchaus einen Gewinn an Tiefe darstellen. Denn die Rollenspiel-Elemente eurer Soldaten wurden etwas ausgebaut und individueller gestaltet. Eure Untergebenen starten wie schon damals jeder XCOM-Angestellte als unbeschriebenes Blatt, nur um sich nach ihrer ersten Beförderung als Spezialist aus einer Reihe verschiedener Einheitentypen herauszustellen. Neben Soldaten war schon von Support-Einheiten und Scharfschützen zu hören. Mit jedem Aufstieg, die erneut für herausragende Leistungen im Einsatz verliehen werden, entscheidet ihr euch für eine von zwei neuen Fähigkeiten, was auf dem Papier hübsch spezialisierte Einheiten verspricht.

So lässt sich auch der Wegfall der Unterscheidung in gezielter Schuss, Schnellschuss und Auto-Schuss gut verkraften - ein Konzept, dass ohne Zeiteinheiten ohnehin nicht mehr großartig sinnstiftend wäre. Wenn diese Skills, die als Aktion ähnlich einer Attacke genutzt werden können, schön ineinander greifen, freue ich mich schon jetzt auf ein sehr persönlich eingestelltes Team - und Taktiken, die jedem Spieler zu Eigen sind. Das Einzige, was mich in diesem Bereich skeptisch stimmt, ist, dass bisher selten mehr als vier oder fünf XCOM-Soldaten auf einem Bild zu sehen waren, doch das Einheitenlimit unterliegt offenbar ebenfalls einem Upgrade-Prozess, lässt sich also anscheinend steigern. Hoffen wir das Beste. Acht Einheiten ist eigentlich das Minimum, das ich hier gern sähe.

Auch in einem anderen Bereich versieht Firaxis die Mechaniken des ersten Teils mit mehr Substanz. Die Finanzierung eures teuren Unterfangens obliegt weiterhin einem Gremium aus 16 geldgebenden Nationen. Mit diesen bekommt ihr es nun nicht mehr nur am Ende des Monats in einer lapidaren Abrechnung eurer Leistungen zu tun, sie alle haben ihre eigenen Bedürfnisse und Sorgen. So kommt es dann auch, dass ihr mitten im Monat von einem verängstigten Botschafter einer Nation kontaktiert werdet, mit der Bitte, euch mysteriöse Vorkommnisse in seinem Land anzuschauen. Ein anderer Regierungssprecher könnte von euch die Lieferung einer bestimmten Menge der hochtechnisierten XCOM-Waffen verlangen, die ihr in eurem Bau produziert. Da die Nationen eure Dienste auch unterschiedlich entlohnen - einige ärmere Länder überhäufen euch eher mit Bodenschätzen als mit Devisen - müsst ihr immer abwägen, wie ihr eure globale Strategie ausrichtet.

Auch in Sachen Handlung hält sich Firaxis zurück, wohl wissend, dass der beste Film im Kopf des Spielers abläuft. Zwar will man hin und wieder auch vorgefertigte Missionsmaps unter die prozedural generierten mischen, wenn etwas Bestimmtes gezeigt werden soll. Und hier und da markiert eine Zwischensequenz einen wichtigen Meilenstein in eurem Feldzug gegen die Bedrohung, doch das klingt, wie schon der erweiterte Diplomatie-Faktor, nur nach der Sorte mit spitzen Fingern eingestreuter Würze, die den Fans außerordentlich gut schmecken dürfte, in Bereichen, in denen selbst das so wundervolle Original noch ein bisschen rudimentär ausgestattet war.

"Auch in Sachen Handlung hält sich Firaxis zurück, wohl wissend, dass der beste Film im Kopf des Spielers abläuft."

Dass ansonsten nur wenig Konzessionen an den Mainstream gemacht werden, stimmt gleichfalls froh. Noch immer ist der Tod einer sorgfältig herangezüchteten und liebevoll mit Spitznamen versehenen Einheit absolut permanent - oder so permanent, wie ihr ihn ertragt. Finger weg von der "Laden"-Taste! Fog of War und das Sichtlinien-System scheinen weiterhin intakt zu sein, was zusammen mit der niemals sicheren Deckung für genau die gleiche Marke endlos motivierender Schlachtfeld-Strategie spricht, die ihr und ich so lieben gelernt haben. Es ist einfach ein unnachahmliches Gefühl, Häuserwände zu durchschießen, um einen dahinter stehenden Alien zu erlegen, der gerade im Begriff war, einem eurer Soldaten eine experimentelle zusätzliche Körperöffnung zu verpassen. Mit Sektoiden und Mutonen sind sogar schon zwei Alienrassen aus dem Original bestätigt. Wenn sie jetzt noch die furchtbaren Chryssaliden zurückbringen, ist alles in bester Ordnung. Die Windeln sind bestellt.

Ich bin bekanntlich niemand, der den Shooter-Reboot der Marke verteufelte, sieht es doch bisher nach einem sehr viel versprechenden Spiel aus. Zudem nach einem, das im Einerlei der immer dicker produzierten Ego-Spektakel angenehm andere, cleverere Töne anschlägt. Ich würde allerdings lügen, wenn ich behauptete, dass 2K Marins Projekt mich auch nur annähernd so sehr in beinahe kindliche Erregung versetzte, wie Firaxis jüngst angekündigter Strategie-Neuentwurf. Ist es denkbar, dass ich dieses Spiel genau so lieben werde wie seinerzeit UFO: Enemy Unknown? Denkbar ja, aber sehr unwahrscheinlich. Es könnte aber sehr wohl das Spiel werden, das ich ab Herbst jedes Jahr aufs Neue bis zum Erbrechen spiele. Und das wird eigentlich auch mal Zeit.

UFO hat genug für mich getan, mir Hunderte der besten Spieler-Stunden meines Lebens beschert. Mit XCOM: Enemy Unknown könnte nun endlich die wohlverdiente Wachablösung für Gollops in Ehren ergrauten Meilenstein ins Haus stehen. Also, versaut es nicht, Firaxis. Wenn schon nicht mir zu Liebe, dann wenigstens aus Respekt dem besten Spiel aller Zeiten gegenüber.

XCOM: Enemy Unknown erscheint im Herbst für PC, Xbox 360 und PlayStation 3.

In diesem artikel

XCOM: Enemy Unknown

Android, iOS, PS3, Xbox 360, PC, Mac

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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