Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Nanoxia Ncore Retro "Steampunk"-Tastatur - Review

Zu schön zum Spielen.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Einmaliger Look, tolle Verarbeitung, fantastisches Tippgefühl, aber darauf spielen... Bah, ist sie eh zu schön für.

Beim Schreiben dieser Zeilen könnte glatt eine Neuaufnahme des postmodernen Orchesterstücks „The Typewriter" von Leroy Anderson stattfinden. Kunstvoll? Hmm, liegt wohl im Auge des Betrachters, beziehungsweise seinen Ohren. Ein nicht zu ignorierendes „klack klickedi klack", das jeder einzelnen Taste entspringt, weckt zwar Schreiblaune, bringt Tischnachbarn im Büro allerdings binnen zwei Minuten zur Weißglut.

Erhöhte Geräuschpegel sind bei mechanischen Tastaturen ganz normal. Trotzdem sticht Nanoxias Ncore Retro aus der Masse der Konkurrenten hervor. Sowohl im positiven als auch im Negativen, denn die Lautstärke der Tasten kommt nicht zufällig zustande. Etwa vier Millimeter legen eure Finger zurück, bevor die runden, edel gestalteten Tasten in ihre mechanische Fassung einrasten. Sie liegen allerdings nicht hundertprozentig fest in der Halterung. Nicht so, dass sie jemals von alleine herausfallen würden, aber wer eine der freiliegenden Tasten an den Rändern falsch erwischt, holt mindestens einen Millimeter mehr Spiel heraus, weil die jeweilige Taste ihr kleines Extraspiel nutzt. Besonders extrem fällt dies bei der Leertaste auf, die man mit den Daumen problemlos zum Wanken bringt. Das stört beim Tippen erstaunlicherweise kein Stück, auffällig ist es trotzdem.

Anderweitig beweist das per USB angeschlossenen Gerät Standfestigkeit über ein stattliches Gewicht von 1,2 Kilo. Verrutschen ausgeschlossen. Das hat etwas von einer Schreibmaschine und vermittelt dank der leicht konvexen Mulden für die Fingerkuppen ein sehr angenehmes Gefühl beim Tippen. Selbst nach einigen Stunden Schreiben verursacht der angenehme Druckpunkt keine Schmerzen in den Knöcheln, obwohl keine gefederte Beschleunigung bereitsteht.

Eine optisch wie haptisch ansprechende Anschaffung ist es also allemal. Vielleicht sogar ein wenig zu edel. Der Chrome-Look am Rand des Gehäuses und aller Tasten suggeriert ein Steampunk-Design, das jegliche Einstufung als gewöhnlichen Gebrauchsgegenstand anzweifelt. Fein spiegelnder Klavierlack verspricht die Zurschaustellung von Tierhaaren, Fingerabdrücken und jedem noch so winzigen Staubkrümel. Am besten gar nicht erst anfassen.

Ringt ihr euch doch dazu durch, hilft das beilegende Zubehör bei der Konservierung des Ersteindrucks. Staubtuch und Pinsel gehören zum Lieferumfang, zumal die Kuppe jeder Taste ohne größere Anstrengung zwecks Reinigung entfernt werden kann. Darunter kommen rechteckige Fassungen mit kreuzförmigen Plastikschaltern zum Vorschein. Putzorgien ahoi! So lassen sich dann allerdings auch größere Unfälle beseitigen: Das Gehäuse und die Switches sind zumindest spritzwassergeschützt, sodass ihr etwas beruhigter den Kaffee neben die Tastatur stellen dürft.

Auf YouTube ansehen

Verbaut wurden ausnahmsweise einmal keine Cherry-Switches, sondern taktile weiße Kaihls. Das "taktil" ist eindeutig, der Schaltpunkt klar spürbar und deutlich. Die Schwelle zum Druckpunkt wird nach wenig mehr als zwei Millimetern erreicht, dahinter folgt Spielraum zum Eindrücken, allerdings ohne spürbare Federung oder anderen Luxus. Kaihl - oder vielmehr: Kaihua Electronics - baut seit 25 Jahren Switches und Schalter und hat sich bei den Kaihls an den MX-Schaltern von Cherry orientiert. Der größte Unterschied liegt im tieferen Schaltpunkt. Anstelle von 1,2 mm Weg bis zur Registrierung, wie etwa bei der Cherry Blue Serie üblich, liegen etwas mehr als zwei Millimeter zwischen dem Anschlag und dem „klick" der mechanischen Schalter. Bei der Benutzung ist das nicht unbedingt ein Nachteil, mehr eine Umstellung für Cherry-Enthusiasten. Außerdem verstärkt diese Konfiguration sogar das Schreibmaschinen-Ambiente.

Nur einen ernstzunehmenden Kritikpunkt muss sich Nanoxia gefallen lassen: Die Buchstaben auf den Tasten wurden ganz simpel aufgedruckt und drohen nach einiger Zeit im Gebrauch zu verblassen oder gar abzublättern. Stark belastete Aufschriften wie etwa auf der A-, S-, W- oder E-Taste verlieren schon nach wenigen Stunden Gebrauch ihr strahlendes Weiß. Schade, denn in allen anderen Kategorien übertrifft der Hersteller in der Verarbeitung alle Erwartungen.

Ein Mangel an Komfort besteht also nicht. Die Sonderfunktionen gehen aber nur wenig über die inzwischen übliche Doppelbelegung der F-Tasten hinaus. Vier App-Tasten und acht weitere für Mediensteuerung ersparen über Zunahme der Funktionstaste FN zusätzliches Gefummel an der Maus, wenn ein Lied in der Musik-App übersprungen oder die Lautstärke angepasst werden soll. Anderweitige Spezialfunktionen oder gar Gestaltungsspielereien fallen flach. Keine Beleuchtung der Tasten, keine Makros.

Was es gibt, ist die Deaktivierung der Windows-Taste, um ungewollte Ausflüge auf den Desktop auszuschließen und ein echtes N-Key-Rollover mit Anti-Ghosting. Im Klartext: Ihr könnt beliebig viele Tasten aktivieren, ohne gegenseitigen Ausschluss zu befürchten. Bemerkenswert, denn nicht mal jede selbsterklärte Gaming-Tastatur hat dieses Feature, die Ncore Retro schon.

Apropos Gaming: angesichts der relativ langen Auslösewege und der ungewöhnlichen Tastenform dürfte klar sein, dass sich Nanoxias Edel-Tipp-Werkzeug, wenn überhaupt, nur bedingt für Spiele eignet. Mal abgesehen vom störenden Geräuschpegel sind es die runden Tasten, die in First-Person-Shootern genauso nerven wie in MOBAs. Mit anderthalb Zentimetern Durchmesser fallen sie theoretisch genauso groß aus wie die Tasten anderer Keyboards, doch die fehlenden Ecken begünstigen ungewolltes vertippen bei „blindem" Einhand-Gebrauch. Es ist zu einfach, auf andere Tasten abzurutschen, wenn man mal nicht genau die Mitte trifft.

Dies ist hier aber kein echtes Wertungskriterium. Erst kommt hier der Look, dann das Schreiben als Hauptzweck, und beides bereitet viel Spaß, wenn man ein Faible für Schreibmaschinen-Flair hegt. Spielen sei niemandem genommen - Man gewöhnt sich an alles mit der Zeit.- Aber nein, das ist nicht die Domäne der Ncore Retro, trotz Features wie echtem n-Key-Rollover.

Edles Design und solide Verarbeitung, der sehr angenehme Anschlag und das einzigartige Steampunk-Schreibmaschinenflair des Designs verleihen der Nanoxia Ncore Retro das besondere Etwas. Ein echter Hingucker eben, der stilvolle Atmosphäre versprüht und in gewisser Weise den Spaß am Tippen erhöht, solange es eben nicht der WASD-Anschlag ist. Ein echter Allrounder sieht eben anders aus, wortwörtlich. Spieler mit hohen Anforderungen an haptisch sinnvollere Lösungen für diese eine Spielehand - sprich: jede andere Tastatur - dürften andere Modelle bevorzugen, die nicht nur leiser ausfallen und kürzerer Schaltwege mitbringen, sondern auch gröberen WASD-Fingern ein wenig mehr entgegenkommen. Aber trotzdem: So schön, wie die Ncore Retro sonst ist, möchte man sich eigentlich schon allein dafür dran gewöhnen.

Read this next

Denis Brown Avatar
Denis Brown: Freizeit-Komponist, Hobbie-Spiele-Entwickler, Retro-Zocker und machmal auch eine kleinliche Nervensäge. Hat keine Angst vor Publikum, lebt daher geheime Star-Allüren beim Karaoke aus.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

Verwandte Themen