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Retro auf Raten - Wii Virtual Console

Viva la Resistance! Das Sega Mega Drive-Portfolio

Damals auf dem Schulhof gab es drei Sorten Kids. Ich meine jetzt keine Gangs, die den schwächsten Mitgliedern der jeweils anderen Gruppe auf dem Weg zum Klo den Kakaogroschen aus dem Leib geschüttelt hätten. Es waren auch keine richtigen Gruppen, sondern eher lose und inoffizielle „Glaubensgemeinschaften“. Da standen sich in der großen Pause die regierende Super Nintendo-Fraktion und die Opposition aus Mega Drive-Verfechtern gegenüber und lieferten sich hitzige Debatten, die das Bundestags-Geschacher um soziale Gerechtigkeit, Gesundheitsreform und Hartz IV zu Kinderkram degradieren würde. Da entbrannten wahre Schusswechsel hochtechnisierter Argumente. Die Nintenboys eröffneten das Feuer aus der Mode 7-Sprite-Rotations-Kanone, wir schossen mit 7,61 Megahertz (gegenüber den 3,58 des SNES) zurück. Die dritte Gruppe bestand zu 95% aus Mädchen, die über dieses Gehabe nur die bezopften Köpfe schüttelte.

Das Mega Drive, die Konsole des „kleinen Mannes“, und das Super Nintendo, das vermehrt die Mittelstands-Kids besaßen, konnten einfach nicht unter dem selbem Fernseher stehen. Ausgeschlossen. Falls jemand von Euch dieses Phänomen dennoch beobachtet haben will, so lasse er es mich per Kommentarfunktion wissen. Unser harter Kampf für die Gleichberechtigung von Segas Hardware gewordener Coolness dauerte eine Ewigkeit. Drei Schulhalbjahre, oder so. Eben so lange bis wir anfingen uns dafür zu interessieren, was Anne und Katharina aus der Barbiefraktion denn am Nachmittag anstellten. Schade, dass mir als Zweieinhalbkäsehoch noch nicht bewusst war, dass mein liebster Modulschlucker schon ganze zwei Jahre vor dem Super Nintendo 16Bit-Qualität lieferte. DAS wäre mal ein Argument gewesen, das den ewigen Mode7-Wiederkäuern ordentlich im Halse stecken geblieben wäre.

Mit unserem Überblick über die besten Mega Drive Spiele aus dem Virtual Console-Katalog sind wir also im Konsolen-Mittelalter angekommen. In der Pubertät des Gamings, wenn man so will. Eine Ära gekennzeichnet durch erbitterte Systemkriege, schmerzhaft gestauchte PAL-Grafik und massive Geschwindigkeitsverluste, aber auch durch wegweisende Konzepte. Im Folgenden wollen wir Euch sechs Zeitzeugen aus Segas Hochphase vorstellen. 800 Wii-Punkte werden pro Mega Drive-Spiel veranschlagt und während sich ein Teil noch relativ problemlos mit der Wii-Fernbedienung steuern lässt, sollten Virtual Console Enthusiasten spätestens jetzt über den Erwerb des Classic-Controllers nachdenken.

Dr. Robotnik’s Mean Bean Machine

  • Entwickler: Compile
  • Erschienen: 1993
  • PAL-Optimierung: Nein

Bevor Ihr Euch diese ausgezeichnete Bohnenstapelei zulegt, solltet Ihr checken, ob Ihr sie nicht eventuell bereits in anderer Form Euer Eigen nennt. Denn bei Dr. Robotnik’s Mean Bean Machine handelt es sich um nicht anderes als die Sega-isierung des auf nahezu jedem System erschienenen Puyo Pop – oder Puyo Puyo wenn Ihr gern auf Japan-Importe zurückgreift.

Die Shooterexperten von Compile (Aleste, Zanac) erwarten von Euch prinzipiell nichts weiter, als die von oben herab fallenden, bunten Bohnen zu Viererclustern gleicher Färbung zusammenzufassen. Wie sollte es anders sein, lösen sich derartig vereinte Grüppchen auf. Allerdings nicht spurlos: Der Twist dieses spannenden Knoblers ist nämlich, dass Euch stets ein Gegner zum Duell herausfordert. Je mehr der niedlich dreinschauenden Hülsenfrüchte Ihr auflöst, desto mehr Müll taucht bei Eurem Widersacher auf. Wenn Ihr einem flink kombinierenden Gegner mit schwitzigen Fingern und einer gigantischen Kettenreaktion einen großen Klumpen Abfall herüberschickt, lacht das Spielerherz laut auf.

Wie den meisten guten Knoblern konnte die Zeit auch Mean Bean Machine nur wenig anhaben, sodass der Titel vor allem für Multiplayer-Fans immer noch außerordentlich empfehlenswert ist – sofern Eure Spielkameraden Eure Begeisterung für diese Sorte Spiel teilen.

Wertung: 3/5 Goldmünzen!

Ecco the Dolphin

  • Entwickler: Novotrade International
  • Erschienen: 1993
  • PAL-Optimierung: Nein

Ecco the Dolphin war alles andere als „Flipper zum Mitspielen“. In dem frühen Action-Adventure übernehmt Ihr zwar die Rolle eines friedfertigen Meeressäugers, die düstere Geschichte rund um das Thema Zeitreisen und die anspruchsvolle Schwimmerei mit begrenztem Luftvorrat haben jüngeren Spielern seinerzeit aber viel zu viel abverlangt.

Doch auch heute noch weiß die atmosphärische Einbindung der Delphin-Fähigkeiten wirklich zu gefallen. Echolot, Gesang und die Attacke per Kopfstoß mit der Ihr Meeresräubern einen Strich durch die Rechnung macht, sind in selbst modernen Spielen alles andere als Gang und Gäbe. Dies ist allerdings auch schon der größte Pluspunkt eines irgendwie einzigartigen Spieles, das damals wie heute mit frustrierenden Spitzen im Gamedesign stellenweise für akuten Haarausfall sorgt.

Wer der Verhätschelung durch moderne Spiele (mal ehrlich: Wann habt ihr das letzte Mal einen „Game Over“-Screen gesehen?) für eine Weile entfliehen möchte, findet hier unter Umständen die Herausforderung, die er (oder sie) schon lange gesucht hat.

Wertung: 3/5 Goldmünzen!

Golden Axe

  • Entwickler: Sega
  • Erschienen: 1989
  • PAL-Optimierung: Nein

Spiele, in denen man Orcs und anderem Fantasygesocks die zotteligen Schädel mit Schwertern und Äxten einschlagen darf, haben einfach kein Verfallsdatum. Als Barbar, Kampfzwerg oder Amazone bolzt Ihr in Golden Axe wahlweise zu zweit mit simplen Schlagtechniken und einer handvoll Zaubersprüchen durch das seitwärts scrollende Yuria, um schließlich Obermotz Death Adder höchstpersönlich zu sagen, dass er gefälligst heimgehen soll.

Zwar zieht die Mega-Drive Umsetzung des erfolgreichen Arcade-Automaten gegen ihre Vorlage technisch gesehen den Kürzeren, spielerisch hat sich die ehemals indizierte Monsterverhackstückelung aber bis heute recht frisch gehalten. Auch hier gilt: Im Alleingang macht’s nur halb soviel Spaß.

Wertung: 3/5 Goldmünzen!

Gunstar Heroes

  • Entwickler: Treasure
  • Erschienen: 1993
  • Pal-Optimiert: Nein

Gunstar Heroes ist das erste Spiel der späteren Shooter-Masterminds von Treasure. Die kleine Spiele-Schmiede demonstrierte damit schon 1993, dass Leidenschaft und Know How durchaus die gewaltige Manpower renommierter Softwareentwickler aufwiegen können.

Wie die späteren „Shmup“-Meilensteine Radiant Silvergun und Ikaruga, die mittlerweile zu horrenden Preisen auf Ebay gehandelt werden, ballert auch das opulente Jump’n’Shoot-Frühwerk mit seinem fordernden Schwierigkeitsgrad zielsicher am Casual Gamer vorbei. Bis die Gunstar-Zwillinge dem bösen Superroboter Golden Silver letztendlich die lockeren Schrauben festziehen, habt Ihr so manchen Fluch gen Himmel gebellt.

Trotzdem ist Gunstar Heroes jede investierte Minute wert. Das intelligente Waffensystem, der offene Spielablauf und feines Balancing machen Treasures Erstling zum besseren Metal Slug. Sorry, SNK!

Wertung: 4/5 Goldmünzen!

Ristar

  • Entwickler: Sega
  • Erschienen: 1995
  • PAL-Optimierung: Sir, No Sir!

Wieso Ristar seinerzeit nicht mehr Beachtung geschenkt wurde, ist schon ein bisschen rätselhaft. Vermutlich liegt es daran, dass es zu der Sorte Spiel gehört, über die man nicht besonders viele Superlative verliert. Es ist einfach ein bemerkenswert solider Hüpfer. Und zwar so was von solide, dass er problemlos auch heute noch sehr vorzeig- und vor allem spielbar ist.

Handwerklich und vor allem technisch findet man in Ristar ein makelloses 16Bit Jump’n’Run, dass jedem Freund des Genres das Herz aufgehen lässt. Steuerung, Fairness und Leveldesign genügen selbst modernen Maßstäben – und das ist etwas, das man nicht von vielen Oldies behaupten kann.

Ristar mag vielleicht kein wegweisender Klassiker sein, wie bei kaum einem anderen VC-Titel spricht aber selbst heute – zwölf Jahre später – absolut nichts gegen den Erwerb dieser Spiel gewordenen Bestandaufnahme höchster Jump’n’Run-Tugenden.

Wertung: 4/5 Goldmünzen!

Sonic The Hedgehog

  • Entwickler: Sega
  • Erschienen: 1991
  • PAL-Optimierung: Nein

DER Grund, warum ich damals auf Seiten der Mega-Drive-Fraktion flammende Reden geschwungen habe. Und bis heute das zweitwichtigste Jump’n’Run aller Zeiten. Sonic ist das genaue Gegenteil des adipösen Nintendo-Klempners. Schnell, keck und furchtbar cool war er – und wenige Momente in Videospielen waren bis dato befriedigender, als mit einem Affentempo durch einen Looping zu rauschen und sich dabei die Taschen mit herrlich klimpernden Ringen aufzufüllen. Da stört es doch niemanden, dass das Leveldesign nie ganz so ausgefeilt war wie bei den Mario-Brüdern.

Für das Videospiel markierte Sonic the Hedgehog einen wichtigen Schritt. Mit Pepp und Attitüde zerrte Sega das Telespiel aus dem Kinder- und rein ins Jugendzimmer. Einen vergleichbaren Durchbruch hat das Gaming erst mit Sonys Playstation wieder erlebt. Ein zeitloser Meilenstein.

Wertung: 5/5 Goldmünzen!

Auslese

In Sachen Qualität gibt sich die Mega Drive-Sparte der Virtual Console also keine Blöße. Ganz ohne zu meckern entlassen wir Euch aber auch aus dem dritten Teil unserer Virtual Console-Bestandsaufnahme nicht. So ist zum Beispiel Columns, dass bei der nintendophilen Gegenseite auf dem Schulhof (zu recht) als „das schlechtere Tetris” verschrien war, die 800 Wii-Punkte einfach nicht mehr wert. Die beiden Aliens Toejam & Earl habe ich als Halbwüchsiger deutlich „funkier“ empfunden, während die Kollegen heute bereits nach kurzer Zeit langweilen. Und der krude Sidescroller Altered Beast hat schon Anno dazumal gegen die Golden Axe-Verwandtschaft keine Sonne gesehen. Aber es ist ja Euer Geld! Eine deutliche Warnung möchte ich trotzdem noch vor Space Harrier 2 ausprechen. Dieser Third-Person-Shooter hat voll und ganz von seiner aufwändigen Spielhallen-Hydraulik gelebt und hätte nie, nie, nie auf einer Heimkonsole erscheinen dürfen. Ich bezweifle, dass es irgendjemandem Spaß bereitet, pausenlos ruckelnd zoomenden Sprites auszuweichen.

Weiter geht's mit TurboGrafx-16, NES und SNES

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