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Marvel vs. Capcom 2

Große, grobe Massenkeilerei!

2009 ist das große Jahr der Genre-Comebacks. Mit der Rückkehr von Monkey Island bringen Lucasarts und Telltale das Point & Click-Adventure wieder ins Gespräch, im Herbst wird Nintendos New Super Mario Bros. Wii die 2D Jump´n´Runs neu beleben und vor ein paar Monaten läutete Capcoms Street Fighter IV die glorreiche Rückkehr der Beat’em-Ups ein. Mit Marvel vs Capcom 2 erscheint nun ein einer der imposantesten 2D-Titel aus dem Ende des goldenen Prügel-Zeitalters mit neuem Online-Modus für Xbox Live Arcade.

In den Hochzeiten der 2D Beat’em-Ups fuhr Capcom mehrgleisig. Während Spiele wie die drei Street Fighter-III-Episoden mit überschaubaren Kämpferfeldern, anspruchsvoll-komplexen Spielsystemen und ausgewogener Balance Profi-Prügler zu Höchstleistungen anspornte, war die VS-Serie als zugängliche Spaß-Keilerei konzipiert. Dort traten Helden und Schurken aus dem Marvel- und dem Capcom-Universum im Team gegeneinander an und schlugen sich nur so die XXL-Feuerbälle um die Ohren, schossen mit Supersprüngen durch die Luft und entzündeten auf dem Bildschirm ein Effektgewitter, das zeitgenössische Konsolen oft nur mit Abstrichen reproduzieren konnten.

Nach Street Fighter IV mutet Marvel vs. Capcom 2 wie die pure Pixel-Anarchie an. Wo sich in Teil IV noch zwei Kämpfer innerhalb eines tiefgründigen, aber nicht zu komplizierten Regelwerks verdroschen, treten hier zwei Dreierteams gegeneinander an, die nicht nur fast frei nach Belieben durchwechseln können. Sondern schnell mal einen Helfer in den Ring rufen, um dem Gegner einen schnellen Special reinzuzünden und für eine opulente Superattacke auch mal zu dritt angreifen – selbstredend, dass da der Kombozähler schnell in den dreistelligen Bereich vorschnellt.

Der mechanische Sentinel beeindruckt auch den großen Zangief mit seinen genialen Animationen.

Überhaupt heißt die Devise „schnell, groß und üppig“. Figuren wie der Hulk oder Juggernaut nehmen einen guten Teil des Bildschirms ein, und wo Ryu in den normalen Street Fighter-Episoden noch einen einfachen Feuerball wirft, muss es hier schon ein massiver Energiestrahl sein. Aber Capcom ist entgegenkommend, nur vier anstatt der sonst üblichen sechs Grundattacken gilt es hier zu meistern und die meisten Kombos löst ihr erst einmal durch wildes Buttonmashing aus.

Aber das soll natürlich nicht heißen, Marvel vs Capcom 2 sei anspruchslos. Bei 56 Charakteren gibt es sehr viel zu entdecken und zu meistern, aber die Einstiegshürde ist niedriger als bei einem durchschnittlichen King of Fighters. Backbone Entertainments Konvertierung ist ordentlich ausgefallen. Die 3D-Hintergründe, die von Capcom selbst weiland schon im breiten 16:9-Format angelegt wurden, profitieren von der HD-Frischzellenkur, die Figuren selbst belässt der Purist im angenehm scharfen Pixellook, für alle anderen stehen zwei ordentliche Filter zur Auswahl. Durch die reduzierte Steuerung spielt sich die Klopperei mit dem Xbox-Pad etwas besser als beispielsweise Street Fighter IV, das fragwürdige Steuerkreuz sorgt aber auch hier für Probleme – Arcade-Stick-Besitzer sind klar im Vorteil. Der Online-Modus ist etwas spartanisch, ließ sich aber recht ordentlich spielen, Lag-Probleme waren im Test eher die Ausnahme.

Marvel vs Capcom 2 stellt für Capcom einen Gipfel und eine absolute Kulmination aller Qualitäten des 2D-Beat’em-Up-Genres dar. Aber gleichzeitig zeigt das fulminante Gekloppe auch deutliche Anzeichen einer einsetzenden Dekadenz. Marvel vs Capcom 2 ist überaus üppig und fährt eine verschwenderische Menge an teilweise absolut famos animierten Sprites auf. Aber über all diesen barocken Prunk lässt es das Spiel teilweise auffallend an Feinschliff mangeln.

Wie ihr mythologisches Vorbild der Son Goku wird auch die kleine Son Son im Superspecial zum Monsteraffen.

Da tummeln sich neben famos animierten neuen Figuren wie Son Son und Amingo auch Sprites aus Street Fighter Alpha und Darkstalkers, die teilweise seit ihrem ersten Einsatz Mitte der 90er Jahre praktisch keine Überarbeitung mehr erfahren haben. Figuren wie Magneto oder Dr. Doom sind massiv überpowert und können von erfahrenen Spielern gnadenlos ausgenutzt werden, um Online- und Offline-Gegner fast ohne Chance zur Gegenwehr von der Platte zu putzen. Andere Figuren wirken eher wie humoriges Beiwerk und werden nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.

Trotzdem: Auch wenn es in Sachen Balance hapert, ein besser ausgestattetes Prügel-Gesamtpaket lässt sich zum Preis von etwa 15 Euro kaum finden. Unter den 56 Helden und Schurken findet wirklich jeder Spieler mindestens eine Handvoll Handkanten-Helden genau nach seinem Geschmack, und nach ein paar Sessions im Traininsmodus wird auch der blutigste Anfänger schnell zum pyromanischen Special-Move-Monster. Fans klassischer 2D-Kunst entdecken derweil ein wahres El-Dorado an detailverliebten Sprites und eindrucksvollen Animationen, da kann man es dann auch verkraften, wenn man im Mehrspielermodus mal wieder von einem unfair agierenden Hulk-Magneto-Storm-Team weggefegt wird.

Marvel VS. Capcom 2 ist ab sofort für ca. 15 Euro für Xbox Live Arcade (1.200 Punkte) und PSN erhältlich.

8 / 10

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Thomas Nickel

Autor

Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

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