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ArmA 3 - Test

Auch im dritten Anlauf bleibt ArmA mehr Plattform als für sich stehendes Spiel. Reicht euch das?

Es war im Grunde abzusehen, aber in dem aktuellen Zustand ist ArmA 3 unglaublich schwierig zu bewerten. Bohemia Interactive wurde nicht rechtzeitig mit den drei versprochenen Kampagnen fertig und liefert mit der seit gestern erhältlichen Verkaufsfassung nicht mehr, aber auch nicht weniger ab als einen hochpotenten Editor, eine fantastische Engine und zwei riesige Maps. Das ist schon eine ganze Menge, aber es ist zugleich wenig mehr als das Gerüst eines Spiels.

Was an spielbarem Content da ist und Spaß macht, ist einzig und allein auf das Engagement der Community während der Alpha- und Betaphasen zurückzuführen - nicht auf die Platzhirsche der modernen Militärsim. Bohemia stellt der Spielergemeinde gewissermaßen Sandkasten und Werkzeuge hin und hofft, dass das fürs Erste reicht. Und obwohl der naht- und aufregungslose Übergang von der Beta zur Mehr-oder-weniger-Vollversion natürlich nicht unbedingt zu Jubelarien verleitet, ist das wohl der Fall.

Spiel mit Perspektive

Wie schon im Vorgänger, der vom Start weg mit Bugs und vielen anderen derlei Problemen zu kämpfen hatte, kauft man auch mit ArmA 3 vor allem eine Menge Potenzial ein. Dieses Spiel ist in erster Linie eine Plattform und als solche eine Investition in die Zukunft. Das Versprechen, über die Jahre hinweg mit diesem Ding auf welche Weise auch immer sehr viel Spaß zu haben. Doch widmen wir uns vielleicht erst einmal dem, was im Download oder der Handelsversion enthalten ist, die über Peter Games in die Läden kommt.

Der Erstkontakt mit der schier unendlichen Weite von Altis ist die Sorte Erlebnis, bei der Kinnladen Tischkontakt bekommen.

Da hätten wir zum Beispiel die neue Real Virtuality 4 Engine, die das gediegene Bekriegen zu Lande, zu Wasser und in der Luft in topaktuelle Technik hüllt. Gerade die Beleuchtung bei Nacht, aber auch die einmal mehr wunderbar natürlich vor sich hinfließende Umgebung sind echte Hingucker. Eine ganze Reihe ansehnlicher Effekte sorgt auf entsprechenden Rechnern dafür, dass der Titel echtes Next-Gen-Feeling versprüht. Dabei gibt sich das Spiel gerade offline noch verhältnismäßig genügsam, was die Hardwareanforderungen angeht, und lässt sich gut skalieren. Gerade, indem man die Sichtweiten vom Maximum von gut zehn Kilometern auf ein Zehntel davon reduziert, lässt sich auch auf weniger potenten Prozessoren gut Spielbares realisieren. Allerdings ist die unendliche Weite des zentralen Spielplatzes Altis auch einer der größten Pluspunkte des Titels, weshalb Spieler mit besserer CPU auch deutlich mehr Spaß haben. Dieser Krieg wird über große Distanzen geführt - wenn man diese dann auch sehen kann, hat man deutlich mehr davon.

Tatsächlich sieht das Spiel sogar so gut aus, dass es einen spitzenmäßigen Spaziergeh-Simulator abgibt. Technisch hätte man demnach so gut wie nichts zu meckern, wenn da nicht die Tatsache wäre, dass es online leider wieder mal anders aussieht. Egal, wie gut euer PC ist und wie optimal ihr meint, die Grafik von ArmA 3 im Einzelspieler-Modus an eure Konfiguration angepasst zu haben, sobald es online geht, wird die Bildwiederholrate schon mal gedrittelt. Man ist hier einfach zu sehr dem Server ausgeliefert.

In Schönheit sterben

Ich bin kein Programmierer und kann euch nicht sagen, wie es besser ginge. Sollte Besserung aber sogar ausgeschlossen sein, muss man Bohemia einfach attestieren, dass sie ihre Prioritäten bei der komplexen Simulation einfach an der falschen Stelle gesetzt haben. Spielbarkeit sollte immer über Authentizität gehen. Und wenn das bedeutet, dass jeder der gefühlt Zehntausend Schmetterlinge auf der Insel ohne Schatten auskommen oder die Karte von über 400 Quadratkilometern auf ein übersichtlicheres Format eingedampft werden muss, dann wäre das ein Kompromiss, mit dem ich exzellent leben könnte. So wie es ist, (3570k @4,2GHz, GTX 570 OC, 8GB RAM) immer ordentlich südlich der 30-FPS-Marke, hat Bohemia einfach an der Realität vorbei entwickelt.

"Altis ist wohl eine der schönsten offenen Welten die man je erlebt hat."

Die neuen Unterwasserabschnitte müssen sich wie so vieles noch als sinnige Ergänzung beweisen.

Dennoch: Spielbar ist es immer und man merkt schon nach den ersten Schritten, wo die Performance hingeht. Altis ist wohl eine der schönsten offenen Welten die man je erlebt hat. Was nicht weiter verwundert, ist es doch zumindest geografisch eine Eins-zu-eins-Kopie der Ägäisinsel Limnos - wir erinnern uns, hier wurden zwei Entwickler Bohemias wegen "Urlaubsfotos" festgenommen. Es ist wahrlich ein Paradies mit unterschiedlichen Landschaftsformen, tollem Wetter und einer Menge Charakter. Ich bin mir sicher: Wie schon in Chernarus werde ich mich hier nach einer Weile wirklich wie zu Hause fühlen. Im Osten der Insel dominieren Salzseen das Bild, Im Nordwesten wird's bergig, in der Mitte eine Steppe, durchbrochen von saftigem Grün der Gewächse, die der Dürre trotzen.

Viel zu entdecken gibt es ebenfalls. Vorbei die Tage, in denen die zehn unterschiedlichen Häusermodelle, die in Chernarus Konjunktur hatten, dem Land eine gewisse Austauschbarkeit verliehen, die die ungezügelte Natur gerade noch zu kontern vermochte. Auch hier gibt es natürlich ähnliche Häuser - diesmal allerdings so gut wie ausnahmslos betretbar -, aber die Welt selbst hält auch viele Kostbarkeiten bereit. Gewaltige Solaranlagen, ein antikes Amphitheater, Steinkreise einer paläolithischen Kultur. Wen es etwa auf ein kleines, waldiges Eiland im Golf der zweigeteilten Hauptinsel verschlägt, der findet einen kleinen, schaurigen Privatfriedhof. Und vor der Küste kann man sich unter Wasser begeben, um versunkene Ruinen zu entdecken. Die Insel steckt voller liebevoller Details, die ihrem makellos schönen Antlitz auch noch Charakter verleihen. Hier kann man es aushalten.

Tomorrow never knows ...

Nicht auf allseitige Gegenliebe stieß die Tatsache, dass der Titel etwa 20 Jahre in der Zukunft spielt. Und mittlerweile weiß ich auch, warum. Die Fahrzeuge und Waffen sind - so gut sie auch gestaltet sind - nicht so weit von unserer Realität entfernt, dass sie rein spielerisch einen großen Unterschied machen würden. Das gilt für die meisten der Hubschrauber und Panzer ebenso sehr. Dafür büßen sie zeitgleich den enormen Wiedererkennungswert der aktuellen Waffensysteme ein, die man in ArmA 2 benutzt. Fans haben mit der Mod All in ArmA zwar schon Abhilfe geschaffen und jedes ArmA so auf die ArmA-3-Engine portiert - und auch offizielle Erweiterungen in diese Richtung sind nicht ausgeschlossen. An den Kampagnen, die Bohemia zeitnah in digitaler Form nachliefert, wird das wohl nichts ändern.

"Gerade die Infanterie freut sich über größere Beweglichkeit auch mit eingezogenem Kopf und die Möglichkeit, die Waffe nun schon feuerbereit etwas höher zu halten."

Gerade die Lichtspiele der neuen Engine begeistern.

Immerhin unterscheiden sich die drei Fraktionen NATO, CSAT (unter Führung des Iran, wem sonst?) und der bewaffneten Altis-Streitkräfte (AAF) genug und auch die Handhabung zu Fuß, in Fahrzeugen/ Panzern und Helikoptern ist nun deutlich straffer als im Vorgänger. Davon überzeugt man sich vor allem in zahlreichen kurzen Showcase-Missionen, die zusammenhang- und etwas leidenschaftslos nicht über den Status glorifizierter Tutorials hinauskommen. Dennoch ein netter Vorgeschmack auf das, was einen rein spielerisch erwartet. Gerade die Infanterie freut sich über größere Beweglichkeit auch mit eingezogenem Kopf und die Möglichkeit, die Waffe nun schon feuerbereit etwas höher zu halten. Nicht zuletzt ist vor allem auch das Waffenfeedback deutlich satter und befriedigender als im hölzernen ArmA 2, woran natürlich auch die biestigen Waffensounds ihren Anteil haben. So ganz wird die Brillanz der JSRS-Soundmod des Vorgängers zwar meiner Meinung nach nicht erreicht, aber auch hier wird die Zukunft verwöhnten Ohren mit einem entsprechenden JSRS-Ableger Abhilfe schaffen.

Was in den Showcases bereits ebenso negativ auffällt, wie in den von Usern erstellten Missionen, ist die mangelhafte KI, die sich seit ArmA 2 kaum weiterentwickelt zu haben scheint. NPC-Begleiter äffen noch ganz passabel euer Vorgehen nach. Die Feinde aber sind häufig dermaßen teilnahms- und ahnungslos, es ist ein Trauerspiel. Im Nahkampf übersehen sie einen regelmäßig, nur um einem dann einen Straßenzug später aus dem Nichts einen Kopfschuss zu verpassen. Sobald man aus großer Entfernung auf sie anlegt, latschen sie ziellos hin und her, legen sich hin, stehen wieder auf, anstatt ihren Posten zu verlassen und Deckung zu suchen. Hier hat man einfach das Gefühl, dass die künstliche Intelligenz zusammen mit den Kampagnen noch nachgereicht wird.

Du, ich und die Anderen

Im ArmA-Optimalfall bekommt man es aber ohnehin nicht mit NPCs zu tun. Hier wird vornehmlich auf großen Schlachtfeldern und mit bis zu 100 Teilnehmern ein Kleinkrieg ausgefochten, der sich gewaschen hat. Bereits jetzt haben die fleißigen Mitglieder der Community damit begonnen, die legendäre Wasteland-Mod nach Altis zu übersetzen. Das funktioniert sogar schon halbwegs, ist mangels an zivilien Fahrzeugen und aufgrund der gewaltigen Größe der Insel aber noch nicht wirklich gut spielbar. Der Anfang ist aber getan. Noch interessanter ist die neue Mod Altis Life bei der sich bis zu 100 Spieler in Polizei und Kriminelle aufteilen, wobei die Gesetzeshüter Bankraube und Drogendeals verhindern müssen. Mit Zoombies ist sogar ein DayZ-Ableger in Arbeit, der schon ein ganz passables Bild abgibt, auch wenn die Chernarus-Assets natürlich optisch nicht mit dem Rest des neueren Spiels mithalten können.

Die futuristischen, aber doch klar erkennbar konventionellen Waffensysteme passen nicht jedem in den Kram.

Freunde klassischer ArmA-Action tun sich überdies mit anderen Spielern in Koop-Missionen zusammen, bei denen es Städte einzunehmen und Funktürme zu sprengen gilt. Die zurückgebliebene KI kompensiert ihren IQ hier ganz ordentlich durch ihre große Überzahl, während aufseiten der Spieler die Aufgabenteilung aus Panzerknacker, Pilot, Sprengstoffexperte, Schützen und einem Kommandierenden Offizier für unnachahmliches Militärfeeling sorgt. Das ist vielleicht nicht so aufregend wie in Call of Duty, aber in jedem Fall authentischer.

Und das ist im Grunde auch alles, was es aktuell zu ArmA 3 zu sagen gibt. Es ist ein Spiel, das gewaltig groß und mickrig klein zugleich ist. Seine Welt ist das Opus Magnum eines Entwicklers, dem wir mit Chernarus eines der einnehmendsten virtuellen Länder der Spielegeschichte zu verdanken haben. Seine Mätzchen sind unterdessen zu guten Teilen die gleichen, über die man schon Mitte 2009 in ArmA 2 die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Daher steht unten auch eine ganze Bandbreite von Noten, sucht euch die aus, die zu euch passt. Wollt ihr jetzt im Einzelspieler zuschlagen, langt ihr im unteren Spektrum zu. Glaubt ihr dagegen das Versprechen, das ArmA 3 darstellt, begreift ihr es als lebende, atmende Plattform, könnt ihr hier und heute schon ein Spiel kaufen, das ihr auch in drei, vier Jahren noch auf der Festplatte haben werdet.

Zugegeben: All die Abenteuer, Schlachten und Geschichten, die ihr bis dahin mit seiner Hilfe erlebt haben werdet, waren dann nur zum Teil Bohemia Interactive zu verdanken. Und doch darf man nicht den Fehler machen, ihren Anteil daran zu unterschätzen. Kaum jemand anderes ist in der Lage, eine Community derart zu mobilisieren und beflügeln. Hier wird Großes entstehen, so viel ist sicher. Dafür, dass ich das jetzt schon weiß, bin ich den Tschechen unendlich dankbar.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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ArmA 3

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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