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StarCraft 2: Heart of the Swarm - Test

Wenn Käferköniginnen Rachepläne schmieden und im Herzen doch nur nach Liebe schmachten.

Wahrscheinlich gibt es unzählige Doktorarbeiten über Trilogien und weshalb der zweite Teil einer solchen Reihe häufig abstinkt. Trotzdem wollen weder Hollywood noch die Spiele-Branche von dieser konventionellen Dreifaltigkeit lassen. Auch Blizzard hat die Kampagne von StarCraft 2 als Trilogie angelegt. Stellt sich für mich jetzt die Frage: Ist "Heart of the Swarm" eher ein gelungenes "Das Imperium schlägt zurück" oder ein müffelndes "Matrix Reloaded"?

Beim Mehrspielermodus muss ich nicht lange grübeln - StarCraft 2 bleibt eine Referenz im RTS-Genre. Daran hatte ich seit der geschlossenen Beta keinen Zweifel und viele Features wurden schon durch die letzten Patches vorweggenommen (Mehr zum Multiplayer weiter unten). Darum erst einmal ein Blick auf die Einzelspieler-Handlung.

Kerrigan entwickelt viele nützliche Fähigkeiten im Verlauf der Kampagne.

Um bei Film-Analogien zu bleiben: Die Kampagne lässt sich am ehesten als Mischung aus "Kill Bill" und "Starship Troopers" beschreiben - allerdings aus Sicht der Käfer. Dazu eine Sarah Kerrigan, die hierzulande von Anke Reitzenstein synchronisiert wurde - Star-Trek-Voyager-Fans besser bekannt als die deutsche Stimme von Seven of Nine. Wer könnte besser zur Schwarm-Thematik der Zerg-Kampagne passen?

Story-Fetischisten wie ich werden bei der StarCraft-Handlung etwas den Tiefgang vermissen. Kerrigan verliert, liebt, opfert, mutiert und triumphiert stets, wie man es erwartet - es ist ein Rachefeldzug gegen den bösen Imperator Arcturus Mengsk ohne große Umwege oder Überraschungen. Da hätte ich angesichts der langen Entwicklungszeit verschlungenere Handlungspfade und eine stärker in die Tiefe gehende Figurenentwicklung erwartet. Trotzdem fand ich es unterhaltsam, der "Königin der Klingen" beim schmieden ihres neuen Schwarms zuzuschauen. Man spürt, wie sie mit jedem Einsatz weiter mit den Zerg verschmilzt, sich die kompromisslose Doktrin des Schwarms zu eigen macht, und sich dennoch nicht völlig in das Monster von einst zurück verwandeln will. Für das RTS-Genre ist das ziemlich beachtlich.

Nobelpreis für Literatur? Wir haben Zerg!

Zugegeben: Kerrigans Dialoge mit den verschiedenen Protagonisten an Bord des Zerg-Raumers Leviathan oder ihre vorgestanzten Sprüche an der Front erreichen nicht gerade Shakespeare-Niveau, doch es gibt Momente zum Schmunzeln. Die Gespräche mit dem Chef-Konstrukteurskäfer Abathur zum Beispiel oder Kerrigans gelegentliche Lehrstunden für eine Brutmutter in Ausbildung. Da grinst der Zerg-Fan und der Laie lernt etwas. Blizzard hat außerdem wieder reichlich Filmsequenzen in die Kampagne gestreut - toll animiert, actiongeladen und spannend. Dafür haben die Macher traditionell ein Händchen. Nach so einem Film ist man in der richtigen Stimmung, die Zerg-Brut auf die Galaxis zu hetzen.

Kerrigans Dialoge mit den verschiedenen Protagonisten an Bord des Zerg-Raumers Leviathan oder ihre vorgestanzten Sprüche an der Front erreichen nicht gerade Shakespeare-Niveau, doch es gibt Momente zum Schmunzeln.

Welche Schabe darf es sein? Nach einer Evolutionsmission müsst ihr eine Gattung wählen.

Die 20 Einsätze und sieben Evolutionsmissionen erfinden das Rad nicht neu, spielen aber geschickt mit den RTS-Konventionen. Ein Großteil der Einsätze beinhaltet klassischen Basenbau. Strategisch werden Kenner von der Kampagne nur selten gefordert. Oft kommt ein Timer am oberen Bildrand zum Einsatz. Ab und zu seid ihr mit Kerrigan als Heldin alleine unterwegs. In den meisten Missionen werden neue Einheiten vorgestellt - passend zum jeweiligen Szenario.

Es gibt aber einige Glanzlichter, mit denen die Entwickler auch Mehrspieler-Fans verführen können: Einmal müsst ihr zum Beispiel warten, bis ein Eissturm eure Feinde einfriert, um überhaupt eine Chance gegen ihre Übermacht zu haben. Ein anderes Mal lotst ihr eine Larve in Alien-Manier durch ein Protoss-Schiff, die sich in den dort gefangenen Tieren und zwischen Lüftungsrohren vor feindlichen Patrouillen verstecken muss, bis sie genügend Biomasse gefuttert hat und zur Brutmutter heranwachsen kann. Oder ihr kämpft mit Kerrigan und einer Handvoll Einheiten gegen diverse Endbosse, um euch anschließend einem Obermotz gegenüberzusehen, dessen Attacken frappierend an einen Kollegen aus Diablo 3 erinnern. Während eines kleinen Intermezzos auf terranischer Seite seid ihr sogar im Weltraum unterwegs.

Ich hätte mir allerdings noch Missionen gewünscht, deren Ausgang den weiteren Verlauf der Kampagne entscheidend modifiziert hätte - stattdessen gibt es nur Schwarz oder Weiß, Sieg oder Niederlage. Die optionalen Bonusziele schlagen sich nur in den Machtpunkten für Kerrigan nieder. Man darf zwar den Verlauf der Kampagne über die Planeten-Reihenfolge mitbestimmen, unterschiedliche Ausgänge der Einsätze sind aber nicht auszumachen. Dafür dürft ihr euren Schwarm ziemlich umfangreich an eure Spielweise anpassen - das macht einiges wieder wett.

Welchen Zergling hätten's denn gern?

Zwischen den Einsätzen veredelt ihr die verschiedenen Zerg-Einheiten in der Evolutionsgrube mit einer von drei Spezialisierungen, die ihr beliebig oft wechseln dürft. Oft handelt es sich dabei um Angriffs- oder Bewegungsgeschwindigkeitsboni, oder ihr verbessert dadurch die Heilfähigkeiten oder Panzer eurer Zerg. Teilweise sind auch nützliche Fähigkeiten darunter: Mit Gräberklauen können sich Schaben zum Beispiel auch unterirdisch fortbewegen, wodurch ich mehr als einmal eine feindliche Stellung umgehen konnte. Oder man verleiht den Schrecken des neuen Zerg-Schwarmwirts die Fähigkeit, Lufteinheiten mittels Überdruckdrüsen anzugreifen, was die Basenverteidigung enorm erleichtert.

An Bord des Leviathan finden Gespräche statt, außerdem könnt ihr hier eure Truppen weiter entwickeln.

In regelmäßigen Abständen werden euch außerdem sogenannte Evolutionsmissionen angeboten. Bei diesen lernt ihr zwei neue Varianten eurer jeweiligen Truppen in einem kleinen Tutorial kennen und entscheidet euch permanent für eine von beiden. Sollen Berstlinge zu 'Splitterlingen' mutieren (hinterlassen nach der Explosion zwei kleinere Berstlinge) oder 'Jägerlinge' werden (können Gegner anspringen und Klippen überwinden)? Will ich meinen Ultralisken zum 'Toxilisk' mit Giftangriff entwickeln oder zum Torrasque, der sich selbst wiederbelebt? Die meisten Evolutionsmissionen stellen euch vor die Wahl zwischen "Masse" und "Klasse" - wollt ihr Fähigkeiten, die eure Einheiten multiplizieren, oder möchtet ihr ihnen neue Tricks beibringen? Keine leichte Entscheidung.

Auch Kerrigan selbst kann weiter entwickelt werden. Während der Einsätze und durch Bonusziele sammelt ihr Machtpunkte, die neue Fähigkeiten freischalten. Auch hier habt ihr immer die Wahl aus mehreren Alternativen, die eurer Spielweise zugutekommen und vor allem das Management eurer Einheiten erleichtern. Dazu gehören Heilfähigkeiten, ein automatisierter Vespingas-Abbau oder eine besonders mächtige Leviathan-Einheit, wenn die Zerg-Königin ihre Maximalstufe erreicht.

In der richtigen Kombination entfalten die Ausrichtungen, Evolutionsvarianten und Kerrigans Kräfte großes Potenzial. Ich konzentrierte mich zum Beispiel auf alle Fähigkeiten, die mir das "zergen" erleichterten. Meine Zerglinge mutierte ich zu so genannten "Schwarmlingen", die unmittelbar und in Dreierpacks aus dem Ei kriechen. Splitterlinge waren ebenfalls ein Muss. Schlupfschaben infizieren ihre Feinde, sodass bei deren Ableben zwei Schablinge entstehen. Die Brutlord-Mutation macht Mutalisken zu Brütlings-Schleudern. Kerrigans Fähigkeiten "Zergling Wiedergeburt" (lässt gestorbene Zerglinge in der Basis neu erstehen), Zwillingsdrohnen (doppelt Drohnen bei weniger Versorgungskosten) und "Brütling-Infektion" (erschafft zwei Brütlinge, sobald ein Gegner durch Kerrigan getötet wird), boten prima Synergien. So meisterte ich jede Kampagnen-Mission durch eine schier unerschöpfliche Einheitenschwemme. Undenkbar natürlich, diese Features in den Mehrspieler-Modus zu übernehmen, aber im Einzelspieler-Part war es eine riesige Gaudi und für mich als bekennenden Zerg-Fan ein Fest.

Meine Zerglinge mutierte ich zu so genannten "Schwarmlingen", die unmittelbar und in Dreierpacks aus dem Ei kriechen.

Masse statt Klasse - in dieser Mission zergen wir einen Feind buchstäblich zu Tode.

Etwas überrascht hat mich, wie Tutorial-lastig die Kampagne daherkommt. Fast möchte man meinen, Blizzard wollte mit Heart of the Swarm gezielt Einsteiger ins StarCraft-Boot holen. Doch welcher Anfänger kauft sich schon Hauptspiel und Erweiterung, nur um dann in beiden Kampagnen die grundlegenden Basics in Trippelschritten zu lernen? Zwar bieten die späteren Einsätze durch ihre vier Schwierigkeitsgrade und diverse Herausforderungen mehr als eine Nuss zu knacken, doch wirklich knüppelhart wurde es nie. Der Szenario-Modus mit seinen straffen Zeitlimits war da schon ein anderes Biest. Die hier gestellten Aufgaben können Solo-Spieler auch nach der Kampagne noch eine Weile bei Laune halten. Außerdem kann man im Hauptarchiv alte Missionen wiederholen und vielleicht noch das eine oder andere Quäntchen herausholen.

Der Mehrspieler-Modus bleibt das täglich Brot

Die wahre Herausforderung liegt freilich im Mehrspieler-Modus. Seit meinem letzten Ausflug in die geschlossene Beta hat es keine wirklich gravierenden Änderungen gegeben. Aber warum sollte Blizzard auch groß an seinem Rezept herumpfuschen? Experten werden sich noch lange mit den Feinheiten und Möglichkeiten der neuen Einheiten wie Orakel, Kampfhellion oder Viper herumschlagen und über die unzähligen kleinen Änderungen philosophieren, an denen Blizzard ständig schraubt.

Der Zerg Abathur hat zwar keine Moral, dafür aber eine unkonventionelle Grammatik

Die Trainings-Missionen wirken etwas besser strukturiert als zuvor und passen die Missionsziele zuverlässiger an. Die Spiele gegen den Computer sind prima geeignet, um seinen eingerosteten Klickfinger in Schwung zu bringen. StarCrafts Matchmaking für ungewertete oder Ranglistenspiele ist erste Sahne - ich empfand die Partien stets als fair, auch wenn ich recht häufig einen auf den Deckel bekam. Doch wie soll man besser werden, wenn nicht durch Niederlagen und die Analyse derselben, was dank verbesserter Replay-Funktionen einfacher geht als zuvor? Die neuen Einheiten fügen sich gut ins Repertoire der drei Fraktionen ein, doch es wird noch etwas dauern, bis die Spieler durch die Bank ihre neuen Möglichkeiten nutzen. Bis jetzt spulten meine Gegner meist ihre Standard-Moves ab und vernachlässigten die neuen Einheiten - das dürfte sich bald ändern.

Sehr interessant finde ich die Arcade. Hier darf man in einer umfangreichen Liste von Mods und Varianten stöbern, die Spieler erstellt haben. Da werden sich in Zukunft noch einige Schätze finden. Das Ganze verspricht viel Potenzial.

Blizzard hat mit Heart of the Swarm viel Fingerspitzengefühl bewiesen und den Mehrspieler-Part von StarCraft 2 sinnvoll erweitert, ohne Bewährtes anzutasten. Man darf keine gewaltigen Innovationen erwarten, eher kluge Verbesserungen. Die Kampagne ist kurzweilig und einige der Missionen sind echte Glanzlichter, auch wenn man insgesamt zu oft mit simplen Basenbau und "zergen" Erfolg hat, statt sich taktisch zu verausgaben. Die Weiterentwicklung der Zerg macht Laune und gibt einem das Gefühl, den Schwarm ganz neu kennenzulernen. Der Rachefeldzug von Kerrigan hätte jedoch mehr Überraschungen vertragen. Gerade bei der Story schwächelt die Erweiterung ein wenig. Der Plot um Liebe, Rache und Aufopferung gehört aber trotzdem zu den besseren Geschichten des Genres. Es bleiben übrigens weniger lose Enden für die nächste Erweiterung "Legacy of the Void", als ich es erwartet hätte. Dass die Macher noch einiges mit ihrer RTS-Referenzmarke vorhaben, wird wohl trotzdem niemand bezweifeln. Mit Heart of the Swarm hat Blizzard einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.

8 / 10

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Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.

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