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Titanfall - Test (mit Wertung)

Mechs für die Massen, Action fürs Herz, Sendepause fürs Hirn.

Etwas zu schnell durch die Level hochgepowert, aber dank perfekter Steuerung und schnellen Gameplays einer der besten PvP-Shooter.

Wenn es um Titanfall geht, geraten mein Herz und Hirn manchmal mächtig aneinander. Ich höre ihren Argumenten zu und tendiere mal in die eine, mal in die andere Richtung.

Vor ein paar Tagen, als ich den vorläufigen Testbericht schrieb, tickten beide Organe noch einigermaßen im Gleichklang. Doch mittlerweile kann mein Hirn seinen Hang zum Stänkern nicht mehr unterdrücken, während mein Herz weiter überschwänglich von Titanfall schwärmt:

"Klare Sache. Titanfall ist Supergeil! Endlich ein Shooter nach meinem Geschmack. Zehn Stunden gespielt und ich bin auf Stufe 40! Mit jeder Stufe schalte ich etwas frei, werde mit Erfolgserlebnissen zugeballert, meistere Herausforderungen am Fließband. Die bei Respawn wissen, wie man Spieler motiviert! Spielmodi, Rundendauer, Erfahrungspunkte und Belohnungen sind erstklassig ausbalanciert!"

Mein Hirn gibt Kontra: "Quatsch! Titanfall ist viel zu simpel! Ein Tag gezockt, schon hab ich alles gesehen! In Zahlen: Drei Titanen mit sechs Hauptwaffen, zehn Schießprügel für Piloten, fünf Spielmodi, 15 relativ gleichförmige Karten. Das hält maximal eine Woche vor, dann wird es langweilig. Ein bisschen mehr Content zum Start hätten die Entwickler schon liefern dürfen." Trotzig schaubt mein Verstand, fährt fort:

"Und bei aller Euphorie darf man nicht außer Acht lassen, dass wir hier von einem Vollpreistitel reden. Da erwarte ich einfach mehr. Für den Season Pass mit drei DLC-Paketen werden nochmals 25 Euro fällig. Was drin steckt, weiß noch niemand. Zitat Beschreibungstext: 'Erlebe mehr moderne Multiplayer-Action mit dem ersten / zweiten / dritten Inhaltspack für Titanfall.' Geht es noch nebulöser?! Nein danke. So einfach lass ich mir den Geldbeutel nicht aus der Tasche ziehen."

Durch die KI-Soldaten wirken die Schlachtfelder äußerst lebendig. Die Gesellen kommentieren das Spielgeschehen und bedanken sich, wenn man ihnen den Hals rettet.

"Oller Meckerkloß. Freu dich doch lieber über die gelungenen Details! Für das Erstlingswerk eines Studios ist das Spiel ein Hammer! Allein die intuitive Steuerung! Wie wunderbar leicht die ganzen Manöver von der Hand gehen! Und wo du einen Mangel an Inhalten siehst, erkenne ich eine bewusste Beschränkung auf das Wesentliche. Karten, die den Wechsel zwischen Piloten und Titanen effektiv zur Geltung bringen. Eine überschaubare Anzahl an Loadouts, die trotzdem eine große Bandbreite von Spielweisen ermöglichen. Hier greifen sämtliche Zahnräder harmonisch ineinander. Das muss man erst einmal hinbekommen."

So mag ich meine Menschmaschine

Mein Hirn grunzt nur mürrisch. In diesem Punkt kann man Respawn einfach nicht die Butter vom Brot nehmen. Mein Herz jubelt weiter:

"Toll finde ich die logisch zusammengestellten Module für Titanen und Piloten. Ich kann meinen Soldaten auf Distanzangriffe per Präzisionsgewehr trimmen, ihm fiese Manöver mit ferngezündeten Sprengrucksäcken oder Elektrominen mit Totmannschaltern verpassen, kann ihn zum Titankiller hochzüchten oder zum Schrecken der KI-Gegner. Bei meinen Titanen schaut es ähnlich aus: Fernkämpfer mit Gauskanone und Schildwand, Nahkämpfer mit extra starker Faust und Elektronebel, Kamikaze-Roboter mit Extraboost und nurklearer Selbstvernichtung - da steckt mehr Taktik drin, als du dem Spiel zugestehst! Dazu die bombastische Inszenierung! Die stimmige Atmosphäre! So viel Action, Adrenalin und Spaß hab ich seit Ewigkeiten nicht mehr in einem Shooter erlebt."

"Pah! Und wo bleibt die Herausforderung? Wo der Wettbewerb? Ist doch bloß unpräzises Geballer und Effektgewitter ohne echtes Können! Die KI-Gegner sind blödes Kanonenfutter. Alle paar Sekunden geht ein Titan in Rauch auf und man bekommt viel zu schnell Ersatz. Ein stimmiges Szenario? Von wegen! Keine Konsequenz, nirgends! Piloten erholen sich in Deckung. Darum brauch ich auch keine Unterstützungsklassen wie Sanitäter. Ballern bis zum Respawn. Da kann ich auch World of Tanks spielen. Nur wenn ich hier ein Match vorzeitig abbreche, wird mir nichts abgezogen, obwohl mein Team mit einem Soldaten weniger auskommen muss. Aber ob man gewinnt oder verliert ist eh wurscht. Außer in der persönlichen Statistik wird das sowieso nirgends verzeichnet", moniert mein Hirn.

Was brauch' ich Wettbewerb? Ich will unterhalten werden und nicht arbeiten!

Mitten in die Fresse! Faustkämpfe zwischen Titanen sind Effektgewitter erster Güte. Wehe den Bodentruppen, die dabei zwischen die Kolosse geraten.

"Was brauch' ich Wettbewerb", erwidert mein Herz, "ich will unterhalten werden und nicht arbeiten! Endlich traut sich ein Entwicklerstudio abseits von Free-to-play, den ganzen Shooter-Ballast in der Mottenkiste zu lassen und stattdessen ein paar coole, frische Ideen aufzufahren. Die Titanen sind das Beste, was dem Genre passieren konnte! Sorry, Hirn: Ich will nicht nach jeder Partie ausgelacht werden, weil mir die Abschüsse fehlen. Ich will keine Killstreaks, die nur Könner während einer Partie freischalten. Oder ein Ranking, dass mir meine mangelnden Fähigkeiten um die Ohren haut. Mir doch wurscht, dass Titanfall dadurch untauglich für den E-Sport wird. Ich kann alleine oder mit Kumpels ohne großen Schnickschnack online ballern und fühl mich dabei wie ein Shooter-Pro. Was will ich mehr?"

Schluss mit frustig, her mit lustig!

Mein Hirn bleibt störrisch. "Was nutzt mir ein gutes Gefühl, wenn ich mich nicht weiter entwickle? Außerdem sind die Innovationen seitens Respawn an einer Hand abzuzählen: Titanen, Rodeos, Mauersprünge, Burncards, eine automatisch zielende Pistole. Und sonst? Die übliche Konsenssoße. Wo sind die genialen Modi? Wo die Ambitionen? Die Source-Engine ist ja ganz nett, aber nicht mehr das Maß aller Dinge. Die Physikengine hinkt der Konkurrenz Jahre hinterher. Da brauch ich gar nicht erst von der Auflösung auf Konsolen und dergleichen anzufangen. Jeder Busch ist kugelsicher, kein Fitzelchen der Karte lässt sich demolieren. Ein paar Geschütztürme und KI-Spectre hacken oder an Seilen entlangrutschen ist das Maximum an Interaktivität. Wer traut sich denn sowas noch in einem Tripple-A-Shooter des Jahres 2014? Nicht zu vergessen die begrenzte Teilnehmerzahl pro Match. Sechs Spieler pro Seite? Mit Verlaub, das ist für meinen Geschmack zu wenig. Größere Karten, weniger KI-Soldaten, mehr Spieler - das wäre es gewesen", redet sich mein Gehirn in Rage. Eine Antwort bleibt aus. Aber das Hirn ist sowieso noch nicht fertig.

"Die Performance? Verglichen mit einigen Release-Katastrophen der letzten Monate haben sich Origin und Microsofts Server wacker geschlagen. Trotzdem gab und gibt es auch bei Titanfall Aussetzer. Mal erhalte ich mysteriöse Fehlermeldungen, mal werde ich aus der laufenden Partie geworfen, mal will sich der Client gar nicht erst verbinden, mal zickt der Cloudspeicher. Dazu gelegentlich Probleme mit Lag oder Ärger mit Cheatern. Bei den Mechaniken im Hintergrund müssen die Macher auch noch nachlegen. Ein vernünftiges Matchmaking ist derzeit praktisch nicht vorhanden und Partien mit unausgewogener Teilnehmerzahl die Regel. Aber wie sollte das Matchmaking auch funktionieren, ohne ein nachvollziehbares Wertungssystem auf Basis der Spielerleistungen? Es ist nicht möglich, die Matches durch eigene Regeln anzupassen oder die Karten auszuwählen. Ebensowenig kann man im lokalen Netz gegeneinander antreten. Einen Einzelspielermodus gibt es auch nicht. Die Kampagne hat Alibi-Charakter und ist ein mit Skripten aufgemotzter Mehrspielermodus. Sind die Server offline, kann ich also nichts mit Titanfall anfangen. Eine Schnapsidee. Außerdem... Ähm. Herz? Hallo? Hörst du mir überhaupt noch zu? Herz? HERZ?!"

Ein gutes Blatt? Dank der Burncards könnt ihr eure Loadouts im Gefecht optimieren, völlig neue Waffen ausprobieren oder nützliche Boni absahnen.

Keine Chance. Mein Herz und ich haben uns längst wieder bei Titanfall eingeloggt und eine neue Partie gestartet. Lass das Hirn doch motzen. Ich genieße den Roboterrausch, so lange er anhält. Auch nach der akuten "Suchtphase" werde ich mit Sicherheit regelmäßig den Client starten, obwohl ich schon alles freigeschaltet habe. Einfach nur, um Dampf abzulassen oder ein bisschen Adrenalin zu tanken. Der Reiz von Titanfall liegt in der perfekt ausbalancierten Mixtur aus bombastischer Action und Zugänglichkeit. Ich brauche mich nicht täglich durch zwei dutzend Matches zu ackern, um für mein Geld großartig unterhalten zu werden. Dank geschickter Reduktion auf das Wesentliche und einiger frischer Ideen hat Respawn Entertainment das massentaugliche Gameplay eines Call of Duty oder World of Tanks noch massentauglicher gemacht. Dieses Studio hat eine Marke aus dem Boden gestampft, die locker auf Augenhöhe mit den Platzhirschen konkurrieren kann und neue Impulse bietet. Angesichts einer solchen Leistung verblassen sogar die Kritikpunkte meines arwöhnischen Hirns.

9 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Titanfall

Xbox One, Xbox 360, PC

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Über den Autor
Frank Erik Walter Avatar

Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.

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