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Runaway 2: Dream of the Turtle

Das Leben des Brian

Runaway 2 galt lange Zeit als der Hoffnungsträger eines Genres, das in den letzten Jahren zwar von den Toten wieder auferstanden ist, aber trotzdem keinen echten Hit feiern konnte. Sicher, es gab etliche gute Spiele - von Black Mirror, über Ankh, bis hin zu Dreamfall -, aber fast jedes hatte doch so seine Macken. Auch das originale Runaway patzte stellenweise beim Rätseldesign, von der Geschichte mal ganz zu schweigen. Trotzdem machte es unglaublich viel Spaß, weil es Charme hatte, weil es so gut aussah, weil man über weite Strecken an Puzzles und Dialogen nichts aussetzen konnte. Der Nachfolger knüpft an genau diese Stärken an - aber leider überdies an die gleichen Schwächen.

Frauenprobleme

Wie das bei Adventure-Helden so üblich ist, verstrickt sich Brian Basco unfreiwillig in sein neuestes Abenteuer. Gemeinsam mit seiner Freundin Gina verbringt er ein paar entspannende Tage auf Hawaii, als die auf die Idee kommt, doch eine benachbarte Insel zu besuchen. Dass ein alter, gebrechlicher Mann der Einzige ist, der sie dorthin fliegen will, stimmt Brian schon skeptisch - und dann kommt es natürlich, wie es kommen muss: Der Pilot stirbt während des Fluges, Brian muss Gina mit Fallschirm von Bord werfen und selbst eine Bruchlandung hinlegen. Im Dschungel gestrandet begibt er sich auf die Suche nach Gina. Und stößt dabei auf ein unglaubliches Geheimnis...

Brian macht viel durch: Erst ein Flugzeugabsturz im Dschungel...

Die ersten Schritte mit Brian werden Euch erst einmal so richtig seltsam vorkommen. Denn der biedere Physikstudent von einst hat sich in einen muskulösen Sunnyboy verwandelt. Wie er das geschafft hat, bleibt außen vor. Vielleicht besser so, denn was die Story angeht, solltet Ihr nicht zu viel von Runaway 2 erwarten: Nach dem spannenden Beginn driftet das Spiel nämlich in Richtung Science-Fiction ab und gipfelt in einem Cliffhanger, der den Spieler durchaus vor den Kopf stoßen kann. Wenn Brian am Ende gesagt hätte: „Kauft doch bitte Teil drei, wenn Ihr das Ende erfahren wollt!“, wäre ich nicht überrascht gewesen. Dass „ein neues Abenteuer von Brian und Gina“ tatsächlich „ein neues Abenteuer von Brian“ bedeutet, solltet Ihr ebenso wissen - denn Gina taucht nach dem Intro sprichwörtlich ab. Das wiederum werte ich allerdings als Pluspunkt, war Brian doch schon im Vorgänger der deutlich sympathischere Charakter.

Apropos Charakter: In Runaway 2 trefft Ihr auf einige der interessantesten, witzigsten und ausgefallensten Figuren, die es in Adventures jemals zu sehen gab. Entsprechend interessant gestalten sich die Gespräche, in denen Brian über Gott und die Welt plaudert. Manchmal etwas lang, aber nie langatmig. Dafür verantwortlich sind nicht nur die zahllosen in den Dialogen versteckten Gags und Anspielungen, sondern auch die tollen Stimmen. Hier passt wirklich jeder Sprecher perfekt zu seiner Figur und scheint Spaß an der Rolle zu haben.

Alte Sorgen

Sehr ärgerlich ist hingegen, dass sich die Pendulo Studios die Kritik am Vorgänger nicht zu Herzen genommen haben. Im Gegenteil: Sie wiederholen etliche Fehler bewusst. Gleich im ersten Kapitel untersucht Brian beispielsweise den Inhalt eines Fachs, das der Spieler nicht einsehen kann. Aber anstatt einfach alle Gegenstände mitzunehmen oder zu verraten, was sich in dem Fach befindet, entscheidet er selbst, was wichtig ist - und sagt dann so etwas wie: „Ich nehme doch nicht alles mit. Ich bin keine Beutelratte. Oder Spieleredakteur.“ Ja, ha-ha, das ist witzig. Oder eher trotzig? Denn schließlich hat dieser Punkt sowohl Redakteure als auch Spieler schon beim ersten Teil enorm gestört.

... dann ein unfreiwilliger Ausflug ins eisige Alaska.

Überhaupt ist Runaway 2 ziemlich inkonsequent. Ein weiteres Beispiel: Brian muss ein Stück Kreide herstellen. Er hat alle dafür notwendigen Items im Inventar, aber will sie partout nicht kombinieren. Warum? Weil er erst einen Charakter fragen muss, wie man Kreide herstellt - obwohl das offensichtlich ist. An einem anderen Rätsel wiederum kann man verzweifeln, wenn Brian auf den Tipp einer Freundin hört: Die meint nämlich, man könne an einen Gegenstand herankommen, indem man die darüber liegenden Holzplanken hochstemmt. Tatsächlich ist es so, dass Ihr etwas darunter schieben müsst, ohne die Planken überhaupt zu bewegen. Nachvollziehbar? Leider nicht. Hin und wieder macht es sogar einen Unterschied, ob Ihr Gegenstand A mit Gegenstand B benutzt - oder Gegenstand B mit Gegenstand A.

Alte Klasse

Zum Glück trifft er auf alte Bekannte, die ihm helfen.

Besonders schade ist all das, weil die Rätsel von Runaway 2 in weiten Teilen des Spiels eigentlich sehr durchdacht sind und dem Spieler durchaus Freiheiten einräumen. Ihr müsst nicht immer strikt eine Aufgabe nach der anderen angehen, sondern arbeitet häufig an mehreren kleinen Baustellen. Wenn es an einer gerade nicht weitergeht, macht Ihr eben an einer anderen weiter.

Der Schwierigkeitsgrad liegt ein bisschen höher als bei vergleichbaren Spielen, was aber lobenswerterweise nicht durch übertriebene Unlogik, ein riesiges Inventar oder ellenlange Laufwege erkauft wird. Wenn Ihr Euch regelmäßig mit allen Charakteren unterhaltet und dann ein bisschen nachdenkt, ergibt sich die Lösung eines Rätsel meistens von selbst. Dass Ihr Gegenstände erst um die halbe Welt tragen müsst, bevor Ihr sie irgendwo einsetzen könnt, kommt ebenso wenig vor. Trotzdem werdet Ihr mit Runaway 2 mehr Zeit verbringen als mit den meisten anderen Adventures - in unter zehn Stunden solltet Ihr den Abspann auf keinen Fall sehen.

Mit großem Abstand am beeindruckensten ist übrigens die Grafik: Die wunderschönen, farbenfrohen und unglaublich detailreichen Hintergründe gepaart mit den besten Animationen, die ich in einem Adventure jemals gesehen habe, lassen echtes Trickfilm-Flair aufkommen. Wo andere Spiele auf nahezu sämtliche Bewegungen verzichten und nicht einmal das Aufnehmen von Items animieren, stellt Runaway 2 wirklich jede Kleinigkeit dar - und das in Perfektion!

Ich gebe es zu: Runaway 2 hat mich hin und wieder schon geärgert. Wenn sich ein Titel so lange in Arbeit befindet und die Entwickler so viel Feedback von Presse und Fans bekommen haben, dann müssen die Fehler des Vorgängers behoben sein. Das aber ist nicht passiert und das finde ich wirklich schade. Weil das Spiel so abartig gut aussieht, weil der Großteil der Rätsel bestens gelungen ist und vor allem die Charaktere großartig verrückt sind. Aber sehen wir es positiv: Wenn alles andere nicht so gut wäre, würden mich diese Problemchen wahrscheinlich gar nicht stören. Runaway 2 ist damit zwar nicht der ganz, ganz große Hit, den viele erwartet haben, aber trotzdem ein sehr gutes Adventure!

Runaway 2 ist seit kurzem für den PC erhältlich. Ein Sequel befindet sich bereits in Entwicklung und soll nicht so lange auf sich warten lassen, wie Teil 2.

8 / 10

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