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Remember Me: Das Kampfsystem unter der Lupe

Mit drei Kombos durch das erste Drittel des Spiels.

In Sachen Gestaltung ist Remember Me bereits schon jetzt eines der bemerkenswertesten Spiele des Jahres. Irgendwo zwischen Blade Runner und dem Fünften Element fand das junge französische Team von Dontnod zumindest was Look und Feel angeht noch ein Stück unverbrauchten Grund, auf dem es sicheren Schrittes wandelt. In einem Bereich der Science-Fiction, in dem man schon alles zu kennen meinte, wirkt die Welt Erinnerungs-Jägerin Nilin frisch und durchaus eigen.

Die Frage war wohl von vorneherein, ob der Inhalt mit der Finesse der Gestaltung mithalten könnte. Und hier muss ich nach einem guten Drittel der Kampagne sagen, dass das Spiel entschieden auf dem Boden geblieben ist. Martin schrieb vor sechs Wochen sinngemäß von einem Uncharted mit Martial Arts anstatt Schießereien, und wenn ihr euch das vorstellen könnt, dann habt ihr schon ein ziemlich genaues Bild von Remember Me im Kopf. Bisher noch mit weniger wegbrechenden Böden, umkippenden Häusern oder Kampfhubschraubern, die euch verfolgen würden, während euch der Level um die Ohren fliegt, sondern eher auf der virtuell-touristischen Seite.

Dontnod verschmilzt Jetztzeit und Zukunft sehr gekonnt.

Auf der Suche nach Nilins gelöschten Erinnerungen durchquert ihr Neo Paris mit den Anweisungen des mysteriösen Widerstandskämpfers Edge im Ohr. Von den Nobel-Vierteln bis hinunter in die klamme Kanalisation und hinauf in die oberen Stockwerke der Bastille war der Schauwert schon jetzt ziemlich beachtlich. Fast jeder Bildschirm ist ein Hingucker, das Art-Design mit seinen klaren Linien, harten Schatten und starken Kontrasten immer sehr attraktiv. Und es verfehlt seine Wirkung nicht, wenn man sieht, wie bekannte Pariser Wahrzeichen von futuristischen Wucherungen beinahe verschlungen werden. Wenn sich während einer Kletterpartie hinter euch der Eiffelturm aufbäumt, umringt von den Megaplexen des Jahres 2084, dann ist man schon ein bisschen traurig, dass das Spiel es so gut wie nie zulässt, sich einmal abseits des stets streng vorgegebenen Weges umzusehen. Das Uncharted-Problem eben.

Neues aus dem Kombo-Labor

Es ist das Luxus-Problem einer überzeugend ins Spiel übersetzten Welt, die schon weit länger zu existieren scheint, als die paar Jährchen, die Remember Me nun in der Entwicklung war. Was aber abgesehen von den offensichtlichen Qualitäten des Titels neugierig machte, ist schon seit einer ganzen Weile das 'Combo Lab', in dem der Spieler diverse Moves zu eigenen Angriffsfolgen zusammensetzen darf. Nach gut einem Drittel des Spiels muss ich sagen, dass es mir noch nicht völlig in Fleisch und Blut übergegangen ist. Vielleicht zunächst etwas zum Aufbau des Systems: Bisher habe ich drei Kombos freigeschaltet: eine Folge von drei Schlägen (X, X, X), eine Fünfer-Kombination (Y, X, Y, X, Y) und eine Sechser-Serie (X, Y, Y, X, Y, Y). Das ist so einfach, wie es klingt, muss es vielleicht auch sein, wenn man sich ohne Block oder Paraden, nur mit einem Ausweich-Move durch fünfköpfige Gegnerrudel prügelt, während ein Kampf-Android aus dem Hintergrund Projektilattacken auf Nilin abfeuert.

Man kann selbstverständlich auch frei prügeln, startet dann aber keine Folge, und nur in diesen vorgegebenen Tasten-Läufen bekommt ihr die Pressen-Boni. Pressen sind Tritte und Schläge mit bestimmten Wirkungen. Vier Sorten gibt es bisher und sie reichen von Schadens-Pressens, die Blocks durchbrechen, über solche, die Nilin heilen, bis hin zu Pressens, die den Cooldown von Spezialattacken beschleunigen. Die letzte Sorte nennt sich Chain-Pressen und sie fungiert als Multiplikator für das Vorangegangene. Nach und nach schaltet ihr diese Attacken frei, die jeweils an X oder Y (respektive Quadrat oder Dreieck) gebunden sind und an den entsprechenden Platz auf der vorgegebenen Kombo gelegt werden können. Je weiter hinten, desto wirkungsvoller werden sie. Es ist ein interessantes System, vor allem Nilin durch die gewählten Schläge beeinflussen zu lassen und steuert euer Kampfverhalten auch entsprechend der aktuellen Situation. Brauche ich gerade Lebensenergie oder habe ich gerade meine S-Pressens - Super-Manöver - momentan alle verbraucht und möchte, dass sie schneller wieder einsatzfähig sind?

Eine Reihe von Finishern vermittelt Vehemenz, ohne zu auf Splatter zurückzugreifen.

Allerdings wird diese zentrale Spielmechanik ein wenig davon eingeschränkt, dass immer nur bestimmte Moves zum Freischalten bereitstehen, was angesichts der Tatsache, dass ihre Schadens-, Heilungs-, Cooldown- und Multiplikationswerte im Grunde immer identisch sind - ein X-Pressen hat immer den gleichen Wirkungsgrad wie der nächste aus derselben Kategorie -, schon ein bisschen verwundert. Mir fehlte etwa für meine Sechserkombo noch eine Y-Attacke, alle anderen hatte ich bereits auf die übrigen Kombos verteilt. Das führte dazu, dass die Kombo so lange nicht ihr volles Potenzial entfaltete, bis ich einen weiteren Schlüssel zum Freischalten einer entsprechenden Attacke erhielt. Und selbst dann waren noch einige Y-Moves ausgegraut und standen deshalb nicht zur Verfügung. Das Spiel wollte sich seine seine schönsten Animationen für den hinteren Teil des Spiels aufheben.

Freiheit kontra Welpenschutz

Im Grunde ist das auch schon okay, aber wenn ich bereits 25 Prozent des Spiels mit nur zwei Angriffsfolgen hinter mich gebracht habe, sollte man mir die nächste nicht länger vorenthalten, als irgend nötig. Womit wir auch schon beim Elefanten wären, der sich im Raum breitgemacht hat: Bis hierhin konnte ich nur drei Kombos benutzen und ehrlich gesagt nutzten sich die immer gleichen Tastenfolgen schon ein bisschen ab. Klar, die einzelnen Moves sehen anders aus und in Zeiten, in denen Batman mit einem Schlagknopf durch seine Massenkeilereien kommt, mag das schon wie ein seltsamer Kritikpunkt wirken. Immerhin geht es auch hier darum, sich behände und rhythmisch durch einen Pulk an Feinden zu bewegen, die Warnsignale für bevorstehende Angriffe richtig zu deuten und schnellstens zu reagieren. Und auch die S-Pressens, wie etwa die Logic Bomb, die alle Schilde in einem gewissen Umkreis zerstört, oder die Manipulation von Roboter-Gegnern, um an eurer Seite zu kämpfen, bringen Variabilität und optischen Pepp in die Gefechte.

Ich wünschte, das Spiel hätte den Mut aufgebracht, mir mehr Gestaltungsspielraum bei den Kombos zu geben. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn ich eine Kombo komplett selbst festlegen dürfte.

Inmitten einer Kombo so auszuweichen, dass diese nicht abreisst - das ist die Königsdisziplin.

Aber hier konzentriert man sich zwangsläufig darauf, die Schlagtasten in der richtigen Abfolge zu drücken, wodurch noch ein bisschen mehr auffällt, dass man eigentlich immer das Gleiche macht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch mehr kommt und gerade visuell sind das hier einige der schönsten Nahkämpfe der letzten Jahre. Ich wünschte nur, das Spiel hätte den Mut aufgebracht, mir noch mehr Gestaltungsspielraum bei den Kombos zu geben. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn ich eine Kombo komplett selbst festlegen dürfte.

Davon abgesehen, dass man dem Spieler vielleicht etwas zu wenig zutraut, ist es wie gesagt eines der frischeren Spiele dieses Jahres, das kann man - denke ich - Anfang Mai bereits so festzurren. Und es ist auch nicht so, dass einen Dontnod ständig und ohne Unterlass mit Feinden bombardieren würde. Tatsächlich ebben und wogen die natürlich fließenden Level in einem doch ziemlich guten Rhythmus zwischen Erkundung und Klettern, Beobachtung und kurzen, aber intensiv geführten Kämpfen. Zudem konnte ich bisher nur eine der netten Erinnerungs-Manipulationen spielen, bei denen man in die Gedankenwelt des Opfers eindringt und vergangene Geschehnisse durch punktuelle Eingriffe verdreht. Aber schon jetzt haben mich die optisch angemessen traumartig umgesetzten Szenen mit ihrem Adventure-Vibe doch ziemlich für sich eingenommen. Kurzum: Remember Me ist eine willkommen eigenwillige Mischung. Wenn das Szenario so interessant bleibt und die verlorenen Erinnerungen Nilins noch ein paar nette Überraschungen bereithalten, darf man Capcom im Juli gratulieren, sich dieses beachtlich hochwertig wirkenden Spiels angenommen zu haben.

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