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Kororinpa

Alkoholfrei rumkugeln

Bälle und Männer – eine Kombination, die in Deutschland ja nicht unbedingt Seltenheitswert hat. König Fußball regiert die Glotzen mit eiserner Faust, unsere Handball-Herren tragen neben hoher Spielkultur auch fragwürdige Trends zum Thema Körperbehaarung von der Mattscheibe in die Welt hinaus, und auch in Videogames spielt das runde Sportgerät immer häufiger die Hauptrolle. Katamari Damacy, Monkey Ball und Loco Roco sind nur einige Beweise dafür, dass alles was rollt unmöglich schlecht sein kann. Anders als die sportliche Real-Life-Konkurrenz haben die kugeligen Geschicklichkeitstests auf PSP und Co. aber auch bei Frauen Hochkonjunktur.

Ein guter Zeitpunkt also für das Spiel, dessen Namen man unmöglich mit einem Stück Schoki im Mund aussprechen kann: Kororinpa! Und eine gute Plattform obendrein, denn die Bewegungssensoren des Wii-Controllers verleihen Kipp-Spielchen nach dem Marble Madness- oder eben Monkey Ball-Prinzip eine ganz neue Dimension. Auf konventionellen Konsolen wirkte das Untergrund-Gewackel bislang eher befremdlich und abstrakt. Vor allem Segas affige Rollerei weckte immer irgendwie das Gefühl, dass man doch eher die Primatenkugel steuerte, anstatt das Parkett anzuschrägen. Das lag natürlich vor allem an der nahen Perspektive. In Kororinpa schaut die Kamera stattdessen immer aus demselben Winkel auf die Kugel hinab und hängt nicht als verkappte Schulterkamera an ihr.

Und das wiederum weckt – zumindest bei mir – selige Erinnerungen an die Kindheit. Kennt Ihr noch die Plastikschälchen, die öfter mal im Deckel einer Special-Edition Nutella steckten? Die waren meist rund, oben transparent und der Boden mit einem bunten Motiv versehen. In einem knappen Dutzend Löcher musste man dann durch Kippen und Neigen der poppigen Petrischale genauso viele metallene Perlen zum Stillstand bringen. Was natürlich nie geklappt hat. Macht aber nichts, denn der Vergleich hinkt sowieso ein wenig.

Die längeren Kororinpas haben oft einen Rücksetzpunkt in der Mitte der Strecke.

Kororinpa ist eher wie diese hundsteuren Holzspielzeug-Labyrinthe, die entweder nur reiche oder besonders ökologisch erzogene Kinder hatten. Soll heißen: Eine Kugel, ein Ziel und meist nur ein Weg dorthin, auf dem Löcher und andere Hindernisse tunlichst umschifft werden sollten. Natürlich waren diese kaum eine Herausforderung, wenn man seine halbe Jugend damit verbracht hatte, die Perlen unzähligen Nutella-Tands mustergültig in ihre Vertiefungen zu bugsieren. Für eben solche Leute legt Kororinpa jetzt noch zwei, drei Schippen drauf auf das reizvolle Holzlabyrinth-Prinzip. Und wieder kann man kaum die Finger davon lassen.

„Das vermutlich einfachste Spiel der Welt… oder?“ fordert der Text auf der Packungsrückseite den Spieler förmlich heraus. Und er sollte recht behalten. Vor allem mit dem „…oder“, denn die einfache Formel „frei beweglicher Hindernisparcours (die namensgebenden „Kororinpa“) + Kugel“ wird durch unebene Oberflächen, wahrlich dreidimensionale Levelkonstrukte und Murmeln mit verschiedenen physikalischen Eigenschaften um einige knifflige Variablen ergänzt. Ihr schwenkt die frei schwebenden Plattformen über der satten Kleewiese eines Parks, in schwindelnden Höhen über der Skyline einer Großstadt oder kullert im Zuckerland über Togo-Waffeln und Baumkuchen. Buttons werden natürlich nicht benötigt (es sei denn Ihr wollt Euch in Eure Ausgangsposition zurück versetzen lassen) und auch das Nunchuck bleibt diesmal in der Vitrine. Alleine das Kippen und Neigen des Controllers will gefühlvoll gemeistert werden.

Kippt Ihr die Umgebung um 90 Grad, ist Vorsicht angesagt.

Ziel ist es, zunächst alle orangenen Kristalle entlang der Kurse durch Berührung aufzusammeln, bevor sich der rettende Teleporter am anderen Ende der relativ geradlinigen Irrwege öffnet. Meist stellen die Edelsteine aber nur sicher, dass Ihr den Parcours auch komplett abrollt. Was etwas schade ist, denn Möglichkeiten riskant aber drastisch abzukürzen, bieten sich genügend. Bevor man aber merkt, dass hier eine Kanne Potential zu Bruch gegangen ist, hat man eine ganze Menge Spaß. Zu Anfang schreitet man nämlich recht schnell im Spiel voran, löst Level um Level innerhalb von unter einer Minute und merkt erst in der deutlich anziehenden dritten Welt, dass man die Fernbedienung gar nicht optimal hält. Von nun an werden die Kurse schmaler sowie in sich verdreht, und Sicherheit spendende Geländer enden an unerwarteten Stellen. Die Kororinpas wollen immer öfter vollständig auf die Seite (und wieder zurück) gekippt werden, bis es dem Spieler den Angstschweiß auf die Stirn treibt.

Zu diesem Zeitpunkt ist man dem Game aber – ohne dass man es gemerkt hat – schon hoffnungslos verfallen. Es hilft alles nichts: Man sitzt hochkonzentriert und nach vorne gebeugt auf der Couch. Die Ellbogen auf den Knien aufgestützt und die Wii-Fernbedienung sachte auf den Fingerspitzen beider Hände balancierend, lässt man nicht ab, bis auch der letzte der grünen Bonuskristalle (einer in jedem Level) gefunden ist.

Diese bescheren fleißigen Spielern nach und nach neue Kugeln (vom Schwein über Planeten bis zum Universum ist alles dabei) die sich in Gewicht und Tempo unterscheiden, neue Musikstücke und bis zu 15 Bonus-Kororinpas. Und so kommt man am Ende auf insgesamt 45 Spielstufen voller „Aah‘s“ und „Ooh’s“. Freude, Stolz und Jähzorn sind allesamt mit von der Partie, wenn man sich seinen Weg Stück für Stück durch die kurze Singleplayer-Kampagne kugelt, verhallen aber schon an einem Wochenende. Und hier haben wir auch schon den größten Kritikpunkt an dem ansonsten sehr gelungenen Geschicklichkeitstest: Er ist viel zu schnell vorbei.

Der Zweispieler-Modus ist kaum der Rede wert.

Außer der Möglichkeit, geknackte Kororinpas auf der Jagd nach Gold-, Silber- oder Bronzetrophäen immer und immer wieder zu spielen, wird nichts geboten. Es bleibt dabei, alle Kristalle zu kassieren und das Ziel zu erreichen. Waghalsige Speedruns ohne Sammelpflicht hätten dem Titel einige zusätzliche Facetten und vor allem Wiederspielwert verliehen. Obendrein notiert und vermerkt Hudson Soft zwar die Bestzeiten, lässt es aber dummer Weise keine Vergleiche zu - weder online noch mit denen der beiden weiteren Speicherprofile, die Kororinpa bietet. Ein ähnliches Bild im Zweispieler-Modus: Teilt Ihr den Bildschirm mit einem spielfreudigen Kumpel oder Mitbewohner zum Wettrennen, darf nicht geschubst werden und hat einer von beiden gesiegt, muss der Verlierer die Bahn trotzdem bis zum bitteren Ende weiterspielen. Das kann mangels Motivation dann schon mal etwas länger dauern. Treten zwei Spieler gegeneinander an, die jeweils über ein Kororinpa-Profil verfügen, darf trotzdem ausschließlich auf die Level und Kugeln von Spieler Nummer eins zugegriffen werden. Der zweite im Bunde steigt als anonymer Trittbrettfahrer ein und riskiert, dass eventuelle Bestzeiten ungespeichert verfallen. Es gibt diese Gelegenheiten, in denen „Weniger“ in Wahrheit „Mehr“ ist - die hier ist keine davon. Sehr schade.

Der hohe Spaßfaktor von Kororinpa verpufft also leider zu schnell, als dass man dem Spiel guten Gewissens eine höhere Note geben könnte. Die Motivation dauert exakt so lange an, wie Ihr neue Labyrinthe hinzu gewinnen könnt und kommt dann am abrupt auftauchenden Nichts scheppernd zum Stehen. Allerdings erlebt man bis dahin zwei Handvoll erst entspannende, dann packende Spielstunden, in denen das Suchtpotential der niedlichen Kullerei erschreckende Ausmaße annimmt.

Kein Spiel für die Ewigkeit also, aber sehr wohl eines für den Moment!

7 / 10

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