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Dragon Age 2

Ernsthaft?

Zu sagen, dass ich angesichts dieser großartigen, irgendwo mutigen Absichten, deren leider nur in Teilen gelungenen Umsetzung und dem komplett verhaspelten Start etwas zwiegespalten und unentschlossen bin, wäre eine massive Untertreibung. Ich bin am Ende froh, diese Geschichte gehört zu haben und werde sie mir in Variationen noch ein- oder zweimal zu Gemüte führen, aber sie hätte um so vieles besser sein können. Und ich hoffe wirklich, dass BioWare diesen Ansatz dann im nächsten Spiel verfeinert anstatt lieber zum nächsten großen Drachen zurückzukehren.

Nun geht es zum Aufbau des Spiels und auch hier bietet sich viel Konfliktpotential für Fans des Vorgängers. Nehmt die Oberwelt-Karte. Es gibt keine. Oder zumindest keine im eigentlichen Sinn. Das gesamte Spiel spielt in der Stadt Kirkwall und der unmittelbaren Umgebung. Diese wird auf eigentlich zwei, uneigentlich drei Karten dargestellt, die jeweils einen Screen groß sind. Uneigentlich, weil Kirkwall selbst einmal bei Tag und einmal bei Nacht gezeigt wird. Es gibt keinen natürlichen Tag-Nacht-Wechsel. Erhaltet ihr eine Mission, die bei Nacht spielt, wählt ihr einfach die Nacht-Karte, deren konkrete Orte aber die gleichen sind. Diese Locations sind reine Icons, eine Reise dazwischen findet nicht statt, weil es sich eh um ein winziges Gebiet handelt.

Diese schnelle Wahlmöglichkeit des Ortes kürzt die Reisen extrem ab, raubt jedoch dem sowieso schon räumlich kleinen Kosmos viel vom Gefühl einer geschlossenen Welt. Ohne einen fließenden Übergang wechselt ihr vom Schloss in den Adelsbezirk, die normalen Wohnbezirke, die Slums, die Minen oder – eine Karte weiter – an die umliegende Küste und die Berge. Es sind beinahe immer einzelne, isolierte Orte, die jenseits der Stadt Kirkwall nichts von den Freien Marschen, dem eigentlich angekündigten neuen Land, zeigen und auch nichts von dessen Eigenständigkeit vermitteln. Diese Orte selbst sind meist hübsch entworfen und liegen grafisch, wie auch der Rest des Spiels, deutlich über dem gerade auf Konsolen schwachen Vorgänger. Dummerweise wirken sie jedoch leblos, da die Möglichkeiten zu Gesprächen mit unwichtigen Personen praktisch auf Null zurückgefahren wurden.

Happy Hour im gehängten Mann. Voller wirds nicht mehr.

Konnte man in Origins oder anderen BioWare-Spielen an praktisch jedem Ort mit einer Handvoll Personen reden, die jetzt nicht direkt für irgendeine Mission relevant waren, gibt es hier ausschließlich die Questgeber. Wer zumindest ein Minimum an Background mitnehmen möchte, dem bleiben nur die nicht zu zahlreichen Texte im Kodex.

Alle anderen Ambiente-Bewohner bieten einen oft nicht mal vollständigen Satz, den sie akustisch in die leeren Plätze und Räume werfen, der in den besten Fällen ein wenig von der Stimmung des Ortes wiedergibt, meistens jedoch nichts sagt. Oder die Bewohner bleiben gleich komplett visuelle Dekoration. Auch stört es gewaltig die Glaubwürdigkeit der Welt, dass die Plätze Kirkwalls praktisch leer scheinen, nachdem schon in der ersten Stunde vermittelt werden soll, dass die Flüchtlingswelle aus Ferelden die Stadt aus den Nähten platzen lässt. Im Vergleich zu beispielsweise einem Assassin's Creed und dessen gut gefüllten Straßen hat man hier den Eindruck, dass nacheinander eine Pest, eine Massenflucht und eine größere Zwangsumsiedlung gerade erst durchkamen.

Was aber noch mehr ins Kontor schlägt, ist das unbeschreibliche Recycling der Dungeons. So etwas wie hier habe ich noch nicht erlebt. Ja, Oblivion und andere benutzen ihre Bausteine auch gerne immer wieder, aber wenigstens sind diese sehr ähnlichen Dungeons an verschiedenen Orten gelegen. In DA2 lernt ihr bis Stunde zehn oder so alle Orte kennen. Und damit meine ich ALLE. Geht es danach erneut in eine Höhle in den Bergen, dann ist es genau DIESELBE Höhle. Nicht die Gleiche, nicht anders aufgebaut. Wenn man Glück hat, dann betritt man sie aus der anderen Richtung, aber es ist am Ende immer noch DIESELBE F...ING HÖHLE.

War ich hier nicht schon mal?

Und wenn ihr nach 25 Stunden zum wiederholten Male des Weges kommt und diese dann nicht von Templern, Magiern, Spinnen oder sonst was säubert, dann wisst ihr zumindest, wo es langgeht. Das Spiel versucht euch darüber aktiv zu täuschen, indem es die Karte löscht und so behauptet, es wäre ein anderer Ort, aber das zieht höchstens einmal. Inzwischen könntet ihr da blind durchfinden.

Es gibt eine Fabrik, ein Lagerhaus, vielleicht zwei oder drei Höhlen, eine (kleine) Kanalisation und die Küste scheint auch nur aus einem übersichtlichen Abschnitt zu bestehen. Ich weiß nicht, ob mich das faszinieren oder erschüttern soll, im Spiel selbst ist die Emotionslage nach 20+ Stunden jedoch klar: Oh Gott, nicht schon wieder in diese sch... Höhle.... Um zur Schändung noch die Beleidigung hinzuzufügen, witzelt einer der Charaktere an einem Punkt sogar darüber: „Hey, noch eine Geheimgesellschaft in dem Lagerhaus. Ob der Besitzer von denen Miete nimmt?" Nicht. Lustig.

Es ist jetzt nicht so, dass die Orte an sich schlecht aufgebaut wären, selbst wenn es wie zuvor in Origins ganz schöne Schläuche sind. Würde man jeden davon ein, vielleicht zweimal passieren müssen, dann wäre das völlig in Ordnung gewesen. Das hier ist... jenseits von allem. Dass ich mich mal bei einem BioWare-Spiel mit einem Kollegen darüber streiten muss, ob es sich jetzt um dieselbe oder die gleiche Höhle handelt, hatte ich noch nicht. Sowas sollte nicht vorkommen.