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Bizarre Creations - Ein Nachruf

Ein paar letzte Kudos für ein großes Studio

PGR4 war das letzte Spiel für Microsoft, danach ging es für eine Zwischenrunde zu SEGA, um mit The Club die in Fur Fighters gesammelte Shooter-Erfahrung nicht einrosten zu lassen. Da dieser Titel jedoch auf dem Index landete, gehen wir gleich zum nächsten Publisher über. Activision nahm sich der großen Liverpooler Truppe an und ließ sie 2010 das machen, was sie eigentlich am besten können. Ein Rennspiel. Blur. Und wieder einmal kam dabei ein von den Kritikern gepriesener – Alex sagt acht von zehn Punkten – Titel heraus, den dann erstaunlich wenig Leute kauften.

Ich bin mir nicht sicher, woran es in diesem Falle lag. Ich selber kann zu dem Spiel leider nichts sagen, denn ich hab es auch nicht gespielt. Immerhin habe ich es gekauft, sodass ich mal nicht schuld bin, aber so richtig war mir jetzt noch nicht danach. Es ging scheinbar ganz vielen Leuten so, denn trotz ein paar frischer Ideen, wie man den bekannten, nicht ganz realistischen Fun-Raser mit Extras aufwertet und so das fehlende Bindeglied zwischen PGR und Mario Kart schafft, wollte das keiner so richtig mit einem Griff in die Brieftasche würdigen.

Das Problem dürfte in diesem Moment die Größe des Studios gewesen sein. An Blur arbeiteten sehr viele Leute, die alle eine Menge Geld kosteten und das Spiel holte es nicht wieder rein. James Bond musste es richten. Eigentlich eine Traumkombination. Der moderne, frische Craig-Bond, ein Studio, das in der Vergangenheit etwas Talent beim Shootern und ganz viel davon beim Autofahren zeigte, ein Setting, losgelöst von einem Film, wie konnte das nichts werden?

Blur, 2010

Wurde aber nichts. Oder zumindest sehe ich das mit meinen fünf Punkten so, der Rest der Welt ist ein klein bisschen weniger harsch mit diesem uninspirierten Baller-Trip umgesprungen. Trotzdem wurde es kein Hit, das Geld war weg und Activision hatte kein Interesse an einer weiteren Runde. Ein Käufer für das Studio musste her.

Aber wer hat so viel Geld, wer kann sich so einen großen Laden leisten? Nicht viele und die wollten offenbar nicht. Mein Wunsch nach den PGR-losen Jahren wäre eine Rückkehr zu Microsoft gewesen, aber wahrscheinlich reicht denen ihr ja nicht weniger talentiertes Turn-10-Studio und deren Forza. Kann man verstehen. EA hat Criterion in seinen Reihen und auch andere nicht ganz renn-unaffine Studios. Codemasters hat bereits jemanden für seine Formel 1. Sony muss einen eigenwilligen Japaner und seine Auto-Liebe durchfüttern. Es gibt scheinbar keinen Platz in dieser Welt für ein neues Gotham Racing.

Schade. Schnief.

Bizarre Creations 2011

Wie schon eingangs gesagt, schätzte ich an Bizarre stets ihr Verständnis, wie sich ein Spiel anfühlen muss, sobald man den Controller in der Hand hat und ihren Hang zu eigentlich nicht wirklich relevanten, aber für den Gesamteindruck extrem wichtigen Details. Diese beiden Qualitäten vermisst man leider häufig und Bizarre brachte sie sogar in ihren schwächeren Titeln unter. Dieses Studio belästigte uns mit keinem einzigen echten Flop – selbst der letzte Bond war immer noch Durchschnitt – und stattdessen gaben sie uns ein paar wundervolle Klassiker. Und zum Angedenken werde ich heute Abend PGR2 einwerfen. Mal gucken, ob ich meinen alten Musik-Mix noch finde.

Rückblickend und mit einer Träne im Auge: Kudos für 20 Jahre gute Spiele.

Hier noch ein spezielles Video, dass Bizarres Video-Editor Eamon Urtone anlässlich der Schließung des Studios erstellt hat. "All den talentierten Jungs und Mädels bei Bizarre Creations gewidmet", heißt es im Untertitel des Videos, das verschiedene Spiele des Unternehmens zeigt, darunter auch Project Gotham Racing 4, Geometry Wars oder Blur. Und anschließend dann auch noch ein paar Worte aus der Redaktion, die zeigen, dass irgendwie jeder diese Truppe aus Liverpool ins Herz geschlossen hatte.

Bizarre Creations - RIP 1994 - 2011

Alex:

Jemand, den ich kenne, hat um 2003 herum mal über Xbox Live gesagt: "Wer hierauf verzichtet, der verpasst die wichtigste Entwicklung der Videospiele seit dem Sprung in die dritte Dimension". Recht hatte er. Die Tatsache, dass für viele Spieler PGR 2 zu dieser Zeit geradezu Synonym mit Xbox Live war, lässt euch vielleicht ein wenig besser einordnen, was wir diesem Liverpooler Laden zu verdanken haben. Konsolenspiele gruben sich langsam, aber sicher zu ihrer sozialen Ader vor und Bizarre war einer der schärfsten Spaten in Microsofts Bauwagen.

Obendrauf ist es schon so, wie Martin sagt: Sie hatten ein außerordentliches Händchen dafür, einen spüren zu lassen, was für ein Biest von einem Auto man da unter dem Hintern hat. Andererseits musste man auch kein Astronaut sein, um PGR und Co. zu beherrschen und an der reinen Fortbewegung einige Freude zu empfinden. Blur ist vielleicht eines der am besten durchpolierten Spiele dieser Generation und wandert auch heute noch regelmäßig für einige Runden in mein Laufwerk. Ich schätze mich glücklich, mit zwei wirklich fabelhaften Bizarre-Personen mal eine gamescom-Nacht durchzecht zu haben. Der Kontakt besteht bis heute. Wer die Leute hinter dem Logo kennt, dem wird noch mal doppelt klar, wie hart dieses Business manchmal sein kann.

Benjamin:

Zugegeben, allzu viele Bizarre-Titel habe ich nicht gespielt, aber unter den wenigen war dann doch ein für mich ganz besonderer dabei. Mein erster Kontakt mit Bizarre war vor einigen Jahren Project Gotham Racing 3 auf der Xbox 360, aber wirklich begeistert hat mich erst dessen Nachfolger Project Gotham Racing 4, das für mich nach wie vor das beste Rennspiel der aktuellen Konsolengeneration darstellt. Der jüngste Racer des Studios, Blur, spielte sich zwar gut, konnte in meinen Augen aber nicht wirklich an PGR4 heranreichen.

Schon der Wechsel des Studios zu Activision sorgte bei mir nicht gerade für Freudensprünge, stand die PGR-Reihe damit doch trotz Microsofts Bekundungen, die Serie fortführen zu wollen, vor einer ungewissen Zukunft. Sicherlich hätte Microsoft genug Geld gehabt, um Bizarre nun aufzukaufen, vor der Schließung zu bewahren und sie wieder PGR entwickeln zu lassen. Warum sie es nicht taten? Ich weiß es nicht, aber mein Wunsch wäre, dass die Bizarre-Mitarbeiter sich zu einem neuen Studio formieren und dann die Chance erhalten, den fünften Teil zu entwickeln. Denn ein PGR4 kann meiner Meinung nach wirklich nur Bizarre selbst toppen.

Kristian:

Natürlich habe ich alle PGR-Titel geliebt und ausführlich gespielt, mein ganz besonderes Highlight ist und bleibt aber Metropolis Street Racer auf der Dreamcast. Besonders optisch läutete dieser Titel damals für mich eine neue Generation ein. Mit der deutlichen höheren Auflösung, den detaillierten Texturen und wunderbaren Stadtkursen fegte er damals so ziemlich alles weg, was es auf PlayStation und PC zu spielen gab. Spielerisch war diese erste Fingerübung dagegen deutlich unausgereifter und vor allem brutal schwer.

Ja, es gab schon das Kudos-System, aber um die gesteckten Ziele zu erreichen, musste man sich zum Teil totdriften. Trotzdem drehte sich der Titel ewig in meinem wackeligen Dreamcast-Laufwerk und ich bin stolz, bei der Geburtsstunde einer solch fantastischen Rennspielserie dabei gewesen zu sein. Traurig, dass Activision dieses großartige Studio fallen lässt. Hoffentlich nehmen sich die Ehemaligen ein Herz und gründen trotz Rennspiel-Absatzproblemen etwas Neues. So viel Talent darf nicht verloren gehen.

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