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Wie Resident Evil 6 seine Identität verlor

Wenn das Franchise in Zukunft erfolgreich sein will, muss eine klare Richtung eingeschlagen werden.

Resident Evil 6 ist in seinem Kern ein Spiel über Angst. Und zwar die Angst eines Entwicklers, der sein Vertrauen in ein Franchise verlor und in seiner Orientierungslosigkeit mehrere Wege gleichzeitig einschlug. Leider waren viele davon gegenläufig und erzeugten so ein riesiges Durcheinander.

Capcom wollte Resident Evil 6 zum größten Teil der Serie machen. So viel ist sicher, betrachtet man sich einmal die Zahl der beteiligten Personen. Mehr als 600 Leute sollen zusammengearbeitet haben, um ein Produkt zu erschaffen, das die erfolgreiche Formel der letzten zwei Teile aufgreift, um ihr durch zusätzliche Elemente neues Leben einzuhauchen.

Mehr Action = Profit?

Resident Evil 6 sollte neue Marktanteile erschließen und durch sein mehr auf Action getrimmtes Gameplay die Verkäufe steigern. Eine von wirtschaftlicher Seite verständliche Entscheidung, wenn man sich die Sprünge in den Verkaufszahlen von Resident Evil 4 und 5 ansieht. Beide schafften bis 2011 über 5 Millionen verkaufte Exemplare. Resident Evil 4 knackte wegen seines zeitlichen Vorsprungs sogar 7 Millionen und sicherte sich damit den Eintrag in der Guinness World Records Gamer's Edition als das meist verkaufte Survival-Horror-Spiel.

Ja, Survival-Horror.

Es ergibt also durchaus Sinn, dass sich Capcom auf schnelle Action konzentrieren wollte. Ein erneuter Bruch der Serie wäre auch nicht schlimm gewesen. Immerhin entfernte sich Resident Evil 4 sehr weit von seinen Wurzeln und konnte nur so das Genre revolutionieren.

Doch in diesem Wort liegt das Problem begraben. Resident Evil 6 war weder eine Revolution, noch bot es irgendetwas Neues, das Spieler nicht bereits gesehen hatten. Man nahm den Namen der Serie, pumpte ihn voll mit zu vielen Ideen eines riesigen Teams und ließ das Ganze etwas abkühlen, bis es sich zu einer klebrigen, undurchsichtigen Masse formte, die man nur noch als Mutation der einstigen Größe bezeichnen kann.

Mehr Mut zum Wandel

Neben dem fehlenden Mut zu neuen Risiken im Gameplay spürt man beim Spielen deutlich die Angst, sich von alten Elementen zu lösen. Warum zum Beispiel besitzen Leon und Chris überhaupt noch ein Messer? In den vorigen Abenteuern der beiden war es auf die Schultertaste gelegt, um Kisten zu öffnen oder Munition im Kampf zu sparen. Jetzt könnt ihr Feinde nicht einmal mit dem Ding schneiden, wenn sie am Boden liegen. Und zum Zerstören der Kisten nehmt ihr euren Fuß. Es ist vollkommen nutzlos und existiert nur, weil die beiden Figuren es früher besaßen.

Es gibt einen guten Grund, warum Doom kein Messer als Waffe hatte.

Ebenso schwachsinnig sind euer Inventar sowie die Heilkräuter. Ich kann alle aufgesammelten Waffen gleichzeitig halten, muss meine Munition aber weiterhin im Inventar sortieren und Platz schaffen, falls ich mitten im Kampf Heilkräuter mischen will. Das funktioniert bei dem Aufgebot an Feinden einfach nicht mehr. Entweder man lässt sich ein komplett neues System einfallen oder das ganze Inventar-Management muss wegfallen.

Hier traute man sich anscheinend nicht, die Nabelschnur zu kappen und mit alten Traditionen abzuschließen. Gleichzeitig wird versucht, alle Lager zu beglücken, indem man vier Kampagnen bereitstellt und sie mit dem Ziel entwickelt, ein unterschiedliches Erlebnis zu offerieren.

Man könnte Leon, Chris und Jake gegeneinander austauschen, ohne eine spielerische Auswirkung zu erzeugen.

So wirken die verschiedenen Figuren eher wie unnötige Spielstreckung.

Leider mixte man hier sämtliche Elemente und vor allem Schauplätze zusammen, sodass ein Einheitsbrei entstand, bei dem sich keine Kampagne von der anderen abhebt. Extrem gesagt: Man könnte Leon, Chris und Jake gegeneinander austauschen, ohne eine spielerische Auswirkung zu erzeugen. Den gleichen Sprecher scheinen die drei ja schon zu haben. Auch Adas Schleich-Passagen werden von den Gameplay-Limitationen zurückgehalten, da die Möglichkeiten, die euch das Spiel gibt, nicht auf Stealth ausgelegt sind. Die Kamera ist zu nah, die Räume zu eng und mehr als einen Nahkampfangriff besitzt die Gute auch nicht. Allein eine andere Kameraperspektive oder Schlaf-Pfeile würden die gesamte Dynamik verändern und Adas Handlung noch weiter hervorheben.

Wie sieht die Zukunft aus?

Das Traurige an dem Spiel ist, dass Capcom durch den versuchten Erhalt vergangener Tage den Wiedererkennungswert der Serie nicht verlieren wollte. Die strikte Fokussierung auf Action und eine erzwungene Aufspaltung, um jede Zielgruppe erreichen zu können, führten zum Zusammenprall aller Elemente. Nun hängt Resident Evil in einem Limbo irgendwo zwischen seinen Survival-Horror-Wurzeln und einer starken Neuorientierung. Beides stiehlt sich gegenseitig Potenzial und halten das Team letztendlich davon ab, einer klaren Vision zu folgen.

Was sollte also in der Zukunft geschehen? Neustart. Alles zurück auf Anfang. Es hat keinen Sinn mehr, alte Elemente behalten zu wollen, nur weil es sie früher gab. Ich will einen kompletten Reboot der Serie mit frischen Ideen, um die herum ein neues Spiel ohne Fesseln vergangener Traditionen kreiert werden kann. Dann dürft ihr auch liebend gerne die Charaktere neu gestalten und ihre Persönlichkeiten verändern, ohne dass Konflikte zu ihrem früheren Selbst entstehen. Erschafft ein Universum, das zu dem von euch gewünschten Gameplay passt und versucht nicht länger krampfhaft, alte Elemente in ein neues Korsett zu zwängen. Löst euch von der Angst und geht keine Kompromisse mehr ein! Vielleicht findet die Serie dann ihre neue Identität.

Oder gebt das Franchise an Platinum Games ab. Die regeln das schon.

Resident Evil 6 - Trailer

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