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Gray Zone Warfare ist noch fast unspielbar - und macht trotzdem eine Menge Spaß

Gebt ihm noch etwas Zeit

Als woke Redaktions-Zecke sollte ich mit Spielen wie Gray Zone Warfare eigentlich fundamentale Probleme haben. Die Glorifizierung privater Militärfirmen, die die In-Game-Beschreibungen moralisch in den verwerflichsten Worten beschreibt, finde ich eigentlich reichlich schäbig. Trotzdem soll ich mich einer von ihnen anschließen, eine Entscheidung, für die ich länger gebraucht habe, als ihr vermutlich denkt. Schlechte Vorzeichen für jemanden wie mich, eigentlich. Es gibt da nur ein Problem.

Denn ich bin auch ein Kind der Achtziger, mit Stallone und Schwarzenegger aufgewachsen, groß geworden mit Operation Flashpoint und später Arma, weshalb mir eine Schwäche für Militäraction gewissermaßen in die Wiege gelegt ist: In Filmen, kann ich mir so etwas mittlerweile nicht mehr geben, das ist mir oft zu nah an der Realität der Nachrichtenbilder und zu durchsetzt von Rechtfertigungsmechanismen für die schlimmsten Dinge, die wir Menschen so auf dem Kasten haben. Aber auf mein Spielverhalten schwappt dieses Faible für reaktionären "Operator-Porn" immer noch oft genug über.

Kurzum: Ich habe Werte-Schleudertrauma, über das mich nur die Tatsache hinwegtröstet, dass ja alles nur ein Spiel ist. Dennoch stimmt auch für Gray Zone Warfare - ein Name, bei dem man scherzen könnte, die hohen Nutzerzahlen auf Steam rührten daher, dass die Leute es mit einem halben Dutzend anderer der austauschbar betitelten Kriegsspiele gleichzeitig verwechselt haben und sich deshalb hier sammeln - vieles, was ich an dieser Sorte Spiel so schätze.

Laster Militär-Simulation

Anders als in den meisten anderen Shootern, ist in einer guten Militärsimulation jeder Schusswechsel bedeutsam - am wichtigsten ist oft sogar der, den man eben nicht einging, um sich stattdessen heimlich eine bessere Position zu suchen. Es sind Spiele, deren taktische Offenheit und Handlungsspielraum den erwartbaren Ereignisumfang vom "Wann" ins "Ob" verlagern, in denen jederzeit alles passieren kann. Und wenn die Kugeln dann fliegen, steht mehr auf dem Spiel - oft genug, dass man wüsste, woher genau, ist das ein maximal intensives Erlebnis.

So sieht Gray Zone Warfare aus

Und Entwickler Madfinger scheint sich dieser Stärken sehr bewusst. Gray Zone macht auf einer grundlegenden Ebene vieles richtig, was ein Shooter mit Simulationseinschlag und Schwäche für kleinteiliges Ausrüstungskonfetti beherrschen muss: Authentisches Ballistikmodell, Nullung des Visiers, riesige Map mit 42 Quadratkilometern interessanter Topographie, in der man rennend, hockend, lehnend, kriechend, aber niemals mit dem Tempo des Doomslayers unterwegs ist. Und natürlich viel Loot, das euer Überleben in der zwischen drei Fraktionen zerrissenen Region Lamang sichern soll.

Im Grunde kann man sich Gray Zone wie Escape from Tarkov vorstellen, nur dass es statt auf instanzierten kleineren Karten in einer großen offenen Welt spielt, in der ihr euch jederzeit frei bewegen könnt. Ihr nehmt einen oder mehrere Aufträge der verschiedenen Händler an, die euch kreuz und quer über die ganze Insel Lamang schicken und entscheidet selbst, wann ihr den Hals voll genug habt. Nicht nur das, ihr wählt auch, ob ihr heimlich und leise oder mit glühenden Läufen über die Map marodiert.

Vom Hundertsten ins Tausendste

Man kann sich bestens treiben lassen. Folgt entweder zielgerichtet der Missionsausschreibung und ihr bekommt es in erster Linie mit der KI zu tun, oder entscheidet euch spontan, dem Team menschlicher Konkurrenten nachzustellen, dessen Präsenz ihr wegen der unüberhörbaren Schüsse in der nächsten Stadt vermutet. Je weiter ihr euch vorwagt, desto höher die Gefahr, es mit anderen Spielern zu tun zu bekommen - aber auch umso größer die Chance auf tolles Loot. Die Ground-Zero genannte Zone in der Mitte der Karte lockt derweil unentwegt als High-Level-Gebiet, in das man sich nur bestens vorbereitet wagen sollte.

Segnet man das Zeitliche, lohnt sich oft genug ein Gang zurück zur eigenen Leiche - es sei denn, die wird für den Betroffenen plötzlich unsichtbar, wie das gestern unserem Herrn Schmädig in unserer Partie passiert ist. Aber wofür hat man Mitspieler, die einem dann die Leiche looten?

Ich mag, dass man sich per Helikopter zu designierten Landezonen fliegen oder aus ihnen heraus evakuieren lassen kann (mittlerweile ist man sogar kurz unverwundbar, wenn man aus dem Hubschrauber steigt, um eventuellen Campern etwas vorauszuhaben). Ich finde gut, wie die KI gut auf Unterdrückungsfeuer reagiert, wodurch es sich schon mal lohnt, ein halbes Magazin der kostbaren Munition ohne Aussicht auf einen Treffer in die generelle Richtung der Opposition zu verballern. Und nicht zuletzt sieht die Landschaft sieht wunderbar organisch aus. Sogar die Bedienung ist weitestgehend durchdacht, auch wenn es oft genug irritiert, dass es mal länger dauert, bis die Inhalte eines Containers angezeigt werden.

Das große “Aber”

Leider gibt es aber auch nicht zu knapp Probleme, die es mir aktuell noch unmöglich machen, das Spiel wirklich zu empfehlen. So halte ich es für fast ausgeschlossen, eine wirklich wettbewerbsfähige Bildrate mit einem "normalen" PC zu erzielen. Mein gut ausgestatteter i7 der 14. Generation mit Geforce RTX 3080 bekommt bewegt sich in keiner Konfiguration wirklich stabil und gleichmäßig in flüssigen Bildratenbereichen, auch wenn der FPS-Zähler durchaus mal kurz in dreistellige Bereiche hochrutscht. Auch mein Laptop mit i9 und Geforce 4090 Laptop-Edition hat in 3440x1440 dieselben Probleme Das ist schon schwer auszuhalten, und wenn man stark auf DLSS oder FidelityFX setzt, geht im Dickicht und Schattenspiel des Dschungels auch Klarheit verloren, die man fürs Sichten der Gegner eigentlich dringend bräuchte.

Wenn es streckenweise mal halbwegs ordentlich läuft, wirkt das Frame Pacing seltsam, und gelegentlich zuckelt man ein wenig über die Karte, als wäre man in DayZ auf einem Server auf der anderen Seite der Welt gelandet. Das wirkt wirklich noch nicht marktreif, was nur noch deutlicher wird, sobald man irgendein Zielfernrohr auf seine M4A1 steckt und man fortan bei jedem Blick hindurch die Performance um ein Drittel eingedampft bekommt. Allgemein ist die KI noch strunzdumm und das Spiel signalisiert nicht eben gut, welche Dinge lootbar sind und welche nicht. Über manche Mauern kann man klettern, wenn man an der richtigen Stelle steht, niedrigere Maschendrahtzäune stellen dagegen schon mal ein Problem dar. Und dass man Fenster zwar öffnen, aber nicht hindurchsteigen oder -springen darf, wirkt ebenfalls arg rigide. Die störenden Kleinigkeiten summieren sich ebenso wie die größeren Schwierigkeiten.

Auch die Roadmap geplanter Features und Inhalte ist noch elend lang. So vieles an kostbarem Feedback Madfinger Games durch diesen Early Access auch jetzt schon sammelt, wer einfach nur ein wenig im Dschungel looten und ballern will, ist hier nicht an der richtigen Adresse. Für Gray Zone Warfare muss man aktuell noch leidensfähig sein.

Gray Zone Warfare Early Access Launch-Fazit

Dennoch: Ich werde die Entwicklung von Gray Zone definitiv weiter im Auge behalten, mich immer wieder mal in diesen Dschungel begeben und ein paar Anläufe auf spannende Missionen versuchen. Das Konzept wirkt durchdacht, die offene Welt ist reizvoll und die Spannung, die aufkommt, wenn man sich mit angehaltenem Atem einer feindlichen Position nähert, in aussichtslosen Schusswechseln flankiert und seinen Verfolgern Fallen stellt, ist nicht von schlechten Eltern.

Gray Zone Warfare ist keines für diesen Frühling. Ich bin nicht mal sicher, ob es eines für dieses Jahr ist. Aber es ist ja nicht so, als gäbe es gerade nicht genug zum Spielen. Lasst diesem hier noch ein wenig Zeit!

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