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Little Goody Two Shoes im Test - Ein stilsicherer, aber unausgewogener Gruselspaß

Wer ist die Hexe im Dorf?

Image credit: AstralShift, Square Enix, Eurogamer.de
Little Goody Two Shoes bietet ein schönes kurzes Horror-Abenteuer mit kleinen Rätseln und viel Stilsicherheit. Leider wird das Spiel gerade zum Ende hin sehr unausgeglichen und eintönig.

Zu Halloween veröffentlichte Square Enix klammheimlich ein märchenhaftes Abenteuer vom kleinen Indie-Studio AstralShift. Little Goody Two Shoes orientiert sich am gleichnamigen englischen Märchen aus 1765 und Sprichwort, das so viel wie "Mensch, der es allen recht machen möchte" oder "widerlich tugendhaft" heißt. Dieses Konzept passt zum Stil, der an alte Märchen und gleichzeitig Anime aus den 80ern erinnert, spiegelt sich aber auch im Gameplay wider, dazu natürlich später mehr. Interessant ist zudem, dass der nun durch Square Enix größere Titel, die Vorgeschichte zu Pocket Mirror darstellt, einem weiteren Horror-Adventure aus dem Studio, das stark an Alice im Wunderland erinnert.

Das Märchen

Elise findet das rote Paar Schuhe und wünscht sich gleich ein Vermögen. | Image credit: AstralShift, Square Enix

Ich erinnere mich gut an eine Phase, in der RPG-Maker-Projekte von einzelnen Entwicklerinnen oder Entwicklern den größten Teil meiner Spielbibliothek ausmachten. Gerade Horrorspiele kann ich so ganz gut vertragen. Little Goody Two Shoes erweckt sofort den Anschein in diese Kerbe zu schlagen, sie stilistisch sogar auf ein neues Level zu heben. Von den handgezeichneten Figuren, über die Level bis hin zur Nutzeroberfläche verfolgt alles einem klaren Motiv, an dem man sich einfach nicht sattsehen kann. Hinzu kommen die vielen Menüoptionen und Namen auf Deutsch (bei ausschließlich englischen Spracheinstellungen), die den Eindruck eines alten Märchens verstärken. Das gesamte Design funktioniert bis ins letzte Detail und bildet zweifellos das Highlight des Spiels.

Angetan von Stil und Prämisse, habe ich mich schnell und gerne im Zwiespalt der einerseits mysteriösen, gruseligen und andererseits schönen und gemütlichen Welt verloren. Die Geschichte ist dabei recht simpel: Die Hauptfigur Elise ist eine Waise, die von einer netten alten Dame aufgenommen wurde und in der Nähe eines kleinen, gläubigen Dorfes lebt. Als ihre Ziehoma verstirbt, findet Elise ein Mädchen in ihrer Scheune, zeitgleich passieren im Dorf immer mehr merkwürdige Dinge. Mal fließt der Brunnen über, mal verschwinden Pferde und tauchen tot an anderen Kreuzungen wieder auf. Den religiösen Bewohnern ist schnell klar, dass es sich hier um Hexenwerk handeln muss, befindet sich die Hexe vielleicht sogar schon länger unter ihnen?

Die böse Hexe

Elise kann zwischen Lebkuchen, Freya und Rozenmarine wählen, um verschiedene Enden zu erreichen. | Image credit: AstralShift, Square Enix

Da das Dorf sich noch nicht einig ist, ob es eine Hexe gibt und wer sie sein könnte, hat Elise durch Gespräche und Freundschaften die Option, den Verdacht des Dorfes von sich zu lenken. Ob sie es wirklich ist, wisst ihr bis zuletzt aber auch nicht. Fünf weitere Werte, die es abzuwägen gilt, stellen Hunger, Leben, Angst, Geld und der Beziehungsstatus dar. Während es einfach ist, Elises Leben hochzuhalten, weil es beinahe ausschließlich in der gruseligen Hexenstunde relevant wird, stellen die anderen Aspekte gerade tagsüber ein großes Hindernis dar.

Will man nämlich die Nebengeschichten erkunden, in der man einer Spur geheimer Zeichen folgen muss, kann Elises Angstmeter rasch sinken. Um diesen ordentlich zu heilen, sind teure Tränke notwendig. Geld gibt es, wenn ihr Gegenstände verkauft oder arbeitet, was wiederum Essen kostet. Doch während Elise arbeitet, kann sie die Beziehungen zu ihren Freundinnen nicht pflegen, die allerdings den Ausgang der Geschichte beeinflussen. Und dann gibt es da noch Muffy, die ständig essen möchte, um Elise nicht zu verpetzen. Jede Entscheidung birgt schwerwiegende Folgen und will gut durchdacht sein. Die raren Speicherstände sind hier besonders wichtig, um Fehlentscheidungen auszubaden — und davon wird es viele geben, versprochen!

Welt, Figuren, Gegenstände und selbst das Menü sind in Little Goody Two Shoes wunderschön gestaltet. | Image credit: AstralShift, Square Enix

Elise findet besonders teure Gegenstände oft bei goldenen Geistern, die ihr jedoch Angst machen. Später kann Rozenmarine zusätzlich Verdacht auf Elise lenken. Dass sie keine Unruhe mehr stiftet, kostet euch zwei zusätzliche Essensmarken. Um das Gleichgewicht zu halten, muss jede Aktion richtig ausgeführt werden. Die Toleranz für Fehler ist klein, was schnell zu einem Neustart des Tages führt. Sollte euer Essen, eure Lebensleiste oder der gesunde Verstand niedrig werden, erinnert das Spiel aggressiv daran. Die lauten und vor allem Sicht-begrenzenden Warnleuchten nerven schnell und sorgen dafür, dass ihr Elise immer in einem guten Zustand halten wollt, was aber nicht einfach ist und sich oft mühselig gestaltet. Gerade im späten Verlauf fehlen Möglichkeiten zur Hilfe oder zumindest für etwas mehr Handlungsspielraum. Dass die Speicherstände im späteren Verlauf nicht näher beieinander sind und eine lange Animation haben, macht den Speicher und Ladevorgang gerade gegen Ende des Spiels sehr anstrengend. Dass ihr die Dialoge vor Herausforderungen nicht überspringen könnt, trägt ebenfalls zu diesem Gefühl bei.

Ein vergifteter Apfel?

Dass Elise es nicht allen recht machen kann und soll, ist Teil des "Goody Two-Shoes"-Konzepts. Unsere Protagonistin sollte sich innerhalb eines Spiels für nur eine Person entscheiden, und sich auf diese konzentrieren. So könnt ihr die Geschichte mit der mysteriösen Rozenmarine, der Kindheitsfreundin Freya oder der Nonne Lebkuchen abschließen. Das erhöht nicht nur den Wiederspielwert, sondern bringt auch weitere Facetten der gesamten Geschichte ans Licht. Jedoch verliert man im ersten Durchlauf bereits die Lust, wenn jeder Tag perfekt werden muss, um weiterzukommen. Anfangs bieten die kleinen Minispiele für die verschiedenen Arbeitsaufgaben noch reichlich Abwechslung. Elise muss Äpfel fangen, Hühnereier sammeln, Holz fällen oder mit den Kindern spielen, um Geld zu verdienen. Die Spiele erinnern an alte Arcade-Automaten, sind nicht lang, sehen dafür aber ebenfalls toll aus.

Die Minispiele sind sehr liebevoll gestaltet. Generell ändert sich der Zeichenstil von Elise und ihren Freundinnen vielfach während des Spiels. | Image credit: AstralShift, Square Enix

Das erhaltene Geld berechnet sich nach den gesammelten Punkten, bleibt aber stetig knapp. Die Auswahl an Minispielen ist recht groß, sodass ihr später gut hohe Punktzahlen erzielen könnt. Allerdings, nutzt sich der Spaß schnell ab, weshalb ich mir gegen Ende trotzdem etwas mehr Abwechslung gewünscht hätte. Zur Hexenstunde sieht es anders aus: Elise begegnet hier neuen Gebieten und vielen Rätseln, die mit dem Hauptgeschehen in Verbindung stehen. Hier müsst ihr mal Blöcke schieben, Muster auf der Karte erkennen und euch entsprechend richtig bewegen oder zum Beispiel einen Jungen durch ein tödliches Labyrinth retten, während er jede eurer Bewegungen spiegelt. Am Ende dienen die liebevoll gestalteten Puzzles leider als einzige Motivation, weil sie zwar herausfordernd werden können, dafür aber relativ fair bleiben, während das Tagesgeschehen in einem monotonen Handlungsablauf, der immer wieder eure Nerven auf die Probe stellt, verschwimmt.

Insgesamt schien mir der Spielablauf noch nicht ausgereift, die Entwickler hätten ruhig länger daran feilen können, um ein ausgewogenes Management-System zwischen den sechs Attributen (Leben, Essen, Angst, Verdacht, Geld und Beziehung) zu erzielen. Selbst in der sonst stimmigen Nachtphase erinnere ich mich an eine frustrierende Stelle, in der ich unzählige Male vor einem riesigen Pferd wegrennen musste. Der Frust lag nicht darin, dass die Stelle schwierig war, sondern darin, dass sie durch zu dicht platzierte Hindernisse einen einzigen Fehltritt bestraft, ohne einen angemessenen Fortschritt beim Erfolg zu bieten. Heißt also: Habt ihr die Hindernisse am Ende des Levels nicht kommen sehen, habt ihr Pech gehabt, denn der ganze Abschnitt muss von vorn stattfinden — ach und die Dialoge bitte dann auch noch einmal anhören.

Achtung! Einige Rätsel sind nicht nur kompliziert, sondern erfordern auch eine gute Reaktionszeit. | Image credit: AstralShift, Square Enix

Bevor ich zum Fazit komme, komme ich nicht umhin anzumerken, dass mir bei diesem Horror-Adventure der Gruselfaktor gefehlt hat. Die Stimmung deutet zwar etwas Unheilvolles an, um Angst zu erzeugen, greift man aber oft auf unerwartete Schockmomente mit plötzlich auftauchenden Monstern zurück. In der Nachtphase gab es gute Stellen, die manchmal mehr auslösten. Das gesamte Spiel beschränkte sich allerdings darauf, ganz langsam eine düstere Geschichte zu erzählen und einen schaurigen Unterton anzudeuten. Im Gegensatz zu anderen Spielen aus dem Genre, wie Ib oder der Yomawari-Reihe, entwickelte ich aber enttäuschenderweise keine Spur von wirklichem Horror.

Little Goody Two Shoes - Fazit

Little Goody Two Shoes entwickelt einen interessanten Ansatz für Horror-Adventures mit einer einzigartigen, stilsicheren Optik, unterschiedlichsten Spielelementen und einem spannenden Ansatz. Gerade Fans von alten RPG-Maker-Spielen werden den Charme des Spiels sofort verstehen. Viele Puzzles in der Nachtphase des Spiels können diesen Eindruck stützen und überraschen oft mit kreativen Ideen und guten Rätseln. Leider schafft es die Tagesphase, die den größten Teil des Spiels ausmacht, nicht, das Gleichgewicht zwischen Geschichte, Elises Überleben, Sympathie und Motivation zu halten, obwohl Minispiele und kleine Nebenaufgaben anfangs die Neugierde ordentlich wecken. Das liegt an der Masse von Kleinigkeiten, die man zeitgleich beachten muss, der niedrigen Toleranz gegenüber Fehlern und der viel zu einschränkenden Strafe, sobald Elise kurz vor dem Tod steht. Trotz spannender Geschichte mit interessanten Blickwinkeln auf das Thema der Hexenjagd, schafft Elise es nicht, sympathisch genug zu wirken. Ungünstigerweise kann zudem kein richtiges Angstgefühl entstehen. Horror bleibt hier bedauerlicherweise nur Beiwerk.

Little Goody Two Shoes
PROCONTRA
  • Sehr schöne visuelle Gestaltung der Figuren, der Benutzeroberfläche, der Level und Rätsel
  • Abwechslung durch unterschiedliche Spielelemente, wie Minispiele, Puzzle und Dating-Aufgaben
  • Interessanter Blickwinkel auf die Geschichte der Hexenjagd mit spannenden Verbindungen zu Märchen
  • Viele frische Puzzles setzen neue Impulse im Genre
  • Liebevoll gestalteter, sehr guter Soundtrack: Der Eindruck eines Märchens entsteht sofort und man kann ihn unabhängig vom Spiel immer wieder hören
  • Wunderschöne Animationssequenzen
  • Gefühl von Horror kommt nicht auf
  • Tagesphasen spielen sich im späten Verlauf monoton
  • Unsympathische Protagonistin
  • Ungleichgewicht im Spielsystem: Harte Strafen, keine Möglichkeiten zum Überspringen von Dialogen beim zweiten Start, große Einschränkungen bei wenig Leben/Essen/Vernunft

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