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Pixel-Bücher zeigen uns nicht die ganze Wahrheit. Die war nie gestochen scharf

CRT-Röhrentechnik war nicht nur ein Hindernis, sondern auch ein Stilmittel.

Ich denke schon seit einer Weile über die diversen Pixel-Porno-Bücher nach, die da aus allen möglichen Ecken der Welt angeschossen kommen. Bitmap Books ist da ganz gut dabei, hier habt ihr die inoffiziellen Pixelbücher zu Mega Drive und Super Nintendo von Elektrospieler, die in Sachen Layout alle Preise gewinnen. Es gibt zig mehr davon, fast alle aufwendig und liebevoll gestaltet, hochwertig produziert.

Und so schick ich auch fast jedes davon finde, da ist etwas, das mich stört. Ich konnte lange nicht so richtig den Finger drauflegen, was es war. Die Bücher sind liebevoll gemacht, die Bildqualität absurd hoch, jeder Pixel wird in perfekter, klarer, gestochen scharfer Brillanz gefeiert.

So zeigen praktisch alle Pixel-Bücher die Figuren...

Nun, das ist genau das Problem. Es wurde mir klar, als ich anfing, mit diversen CRT-Filtern in Photoshop herumzuspielen und plötzlich kam die Nostalgie-Euphorie so richtig durch. Diese Pixel-Bücher zeigen etwas, das es bis in die zweite Hälfte der 2000er praktisch nicht gab: Klar definierte Pixel auf einer planen Ebene. Bis dahin war Röhre angesagt, CRT-Bildschirme, im TV-Markt sogar noch etwas länger als bei Monitoren. Und die zeigten die Pixel nun mal nicht so „clean“, sondern gaben ihnen ihren eigenen Anstrich, mal mehr, mal weniger.

Aber die Wirklichkeit sah so aus (Twitter: CRT Pixels)

So wie in diesen Büchern sahen diese Spiele, Szenen und Charaktere nie aus. Nicht mal bei den Entwicklern. Es wird eine neue Technik auf altes Material gelegt. Remastered, wenn ihr so wollt. Heute kennt man diese Spiele so, dank Emulatoren sehen sie so aus, aber jeder davon hat auch CRT-Filter. Wenn ein Emulator sonst nichts hat, er hat einen CRT-Filter. Selbst Geräte wie der Framemeister, die darauf ausgelegt sind, genau den Look der Pixel-Bücher auf moderne Bildschirme zu zaubern, haben zig Einstellungen für diese Linien auf dem Screen.

Dieser Verwisch-Effekt, der auf dem CRT-Screen existierte, war nicht mal ungewollt, sondern wurde ganz gezielt von den Entwicklern genutzt, wie man auf dem Twitter von CRT Pixels in zig Beispielen zu sehen bekommt. Wenn man nur 30 mal 30 Pixel hat, um ein Gesicht darzustellen, ist das nicht viel, das wird immer kantig und grobschlächtig. Wenn aber die Strahlenkanone diese Pixel weichzeichnet und verwischt und dieser Effekt gezielt genutzt wird, dann sehen Figuren plötzlich viel natürlicher aus.

Gerade spätere und aufwändigere Spiele, auch in 3D oder partiell 3D nutzen die Eigenschaften der Technik. Das ist auch der Grund, warum alte PS1-Spiele so viel schlechter aussehen, wenn sie nicht richtig emuliert werden. (Twitter: CRT Pixels)

Ich will jetzt gar nicht, dass jeder Pixelshot in einem Buch auch einen CRT-Filter bekommt, aber ein Mix wäre mal nett. Die Mischung aus dem, was wirklich zu sehen war – damit auch die Intention des Künstlers – und dem, was im Frame-Buffer der Konsole existierte, wäre aber schon nett. Wenn es Collagen und Interpretationen sind, wie sie in den Pixel-Büchern gern genutzt werden, dann ist es wohl nicht nötig. Aber die wahren Gesichter der Kindheitshelden wiederzusehen, wenn man ein solches Buch aufschlägt, wäre schon hier und da ganz nett. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dieser Effekt sehr schwer reproduzierbar ist, vielleicht überhaupt nicht hundertprozentig. Aber das wäre doch mal eine spannende Aufgabe für die Pixel-Buch-Künstler.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.