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Apple Arcades Castle Crumble ist eine Erinnerung daran, was viele Hardcore-Games vergessen wollen

Wieder mehr Spielzeugkiste wagen!

Wie erhellend es sein kann, öfter mal den Kopf aus seiner eigenen, kleinen Bubble zu stecken, ist eigentlich kein Geheimnis. Wenn man es sich in dieser Bubble aber sehr bequem gemacht hat, vergisst man häufiger mal, diesen Blick nach draußen zu wagen. Meine persönliche Gaming-Blase trennt mich zum Beispiel in erster Linie von Casual Games, also von Dingen, die man gemeinhin auf dem Handy spielt.

Auch auf Apple Arcade steuere ich immer das an, was ich ein bisschen elitär als “vollwertige” Games bezeichnen würde. Sachen wie das verträumte Adventure The Last Campfire, den virtuellen Mittelmeerurlaub Alba, die surrealen Zeit-Puzzeleien von The Gardens Between oder das schräg-düstere Plattformabenteuer Creaks. Alles Sachen, die ich so auch auf PC, Switch oder PlayStation mit derselben vollbeschäftigten Hingabe genießen würde, wie ein neues Resident Evil oder den jüngsten Finger brechenden Indie-Geheimtipp. Zwischendurchware meide ich meistens.

Castle Crumble habe ich nun eher zufällig gestartet – und würde diesen Fingerausrutscher trotzdem als Glücksfall bezeichnen. Es ist ein simples kleines Spiel, in dem man ohne große Fingerfertigkeit oder ballistische Kanonenkugelmechanik eine Serie an Burgen einreißen muss. Je besser einem das gelingt, desto mehr Punkte und Sterne kassiert man. Und bevor man die drei Sterne nicht voll hat, wird man den Teufel tun und die nächste Stage anwählen. Es ist mehr Puzzle als Geschicklichkeitsspiel und dreht die Physik auf 11, wenn die Bauten nur aus Bauklötzen gefertigt zu sein scheinen und die Schwerkraft bloß 80 Prozent der unseren beträgt.

Der kleine Kerl merkt es gerade: Battlefield 2042s Zerstörung ist insgesamt eher ein Rückschritt.

Eigentlich keine große Sache, und doch brachte es mal wieder meine kleine Core-Gaming-Blase kurz zum Platzen: Wieso arbeiten eigentlich nicht mehr Spiele mit groß angelegter Zerstörung? Ich meine, die Antwort könnt ihr euch sparen. Natürlich liegt es daran, dass es schwer ist, sein Spiel um Arenen herum zu designen und balancieren, die ihre Topografie im Laufe einer Partie komplett verändern. Dazu kommen technische Schwierigkeiten, wenn es etwa ein Online-Titel ist, dessen Server sich die Position und Ausrichtung jeglicher Trümmerteile merken muss, damit jeder, der mitspielt, dasselbe sieht. Ich weiß das alles. Was mich frustriert ist, dass sich niemand auch nur daran versucht, wirklich und wahrhaftige Zerstörung in einem großen Titel zu integrieren. Ich habe das Gefühl, wir sind meilenweit entfernt, vom nächsten Schritt in Sachen Interaktion, Wucht und Unberechenbarkeit.

Rainbow Six Siege war ein Schritt in die richtige Richtung, doch auch das offerierte im Grunde nur die Möglichkeit, bestimmte, vorgegebene Decken- und Wandeinheiten in Türen zu verwandeln. Das allzu brave Abbröseln von Wänden in Battlefield 2042 schlägt in die gleiche Kerbe. Ich will aber, dass mir tonnenschwere Betonklötze um die Ohren fliegen, das Dach einstürzt und ich mir das Loot im Kleiderschrank im zweiten Stock abschminken kann. Die aufgepumpten, grau lackierten Jenga-Steine, die in Castle Crumble das Fundament eines Schlosses bilden sollen, wecken in ihrem fast schwerelosen Sturz die Tiefen einer Klippe hinunter echte Begehrlichkeiten bei mir.

Mit nur einem clever platzierten Dynamitfass die Flanke eines Turms einzureißen, der sich physikalisch korrekt, langsam in Richtung seiner klaffenden Wunde neigt, dabei eine Verbindungsbrücke einreißt, der Teile einer Schildmauer hinterherstürzen… Jeder Stein ein Loblied auf das kontrollierte Chaos, das ich hier gerade anrichte. Wunderbares, aufregendes, überraschendes Chaos, vor dem sich viele der heutzutage auf "perfektes Unterhaltungsprodukt" gebürsteten Spiele regelrecht zu fürchten scheinen.

Kein Meilenstein, aber eine Erinnerung daran, dass wir uns so langsam mal wieder über Physik Gedankenmachen dürften. Vielleicht dann mit Half-Life 3?

Und noch einmal: Natürlich hat Castle Crumble gut Lachen. Es will ja nichts weiter, als euch die Freude schenken, die auch ein Zweijähriger dabei empfindet, die Bauklotzmetropole seines Geschwisterkindes niederzumachen, wie ein nach Gummibärchen und Penaten riechender Miniaturgodzilla. Es zeigt, wie schön es ist, wenn Dinge in großem Stil in sich zusammenfallen, noch dazu, nachdem ihr einen Knopf gedrückt habt.

Es stellt die Frage, warum das nicht andere Studios mit entschieden mehr Mitteln und Personal auch mal versuchen und zieht sich dann – als Casual Titel – ohne einen konkreten Vorschlag oder Ambitionen, etwas in der Art selbst umzusetzen, aus der Affäre. Das ist in diesem Fall fair, würde ich sagen, wenngleich es mich ein wenig ratlos zurücklässt. Seit Half-Life 2 ist in Sachen Physik wenig passiert und das ist beinahe 20 Jahre her. Wird es in weiteren 20 Jahren immer noch so sein? Nun denn. Irgendwer wird schon des Weges kommen – und erste Bilder zu The Finals (ironischerweise von ehemaligen Battlefield-Leuten), zu dem ihr nächste Woche einen Ersteindruck lesen werdet, machen vorsichtige Hoffnung in dieser Richtung.

Insofern: Vielen Dank, Castle Crumble, für die Erinnerung, dass wir in unserer Core-Gaming-Bubble bei all der schönen Vielfalt, die sich uns gerade offeriert, technisch so langsam mal den nächsten Schritt gehen könnten.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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