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Dwarf Fortress hat jetzt Grafik und ein Tutorial – aber wie einsteigerfreundlich ist es wirklich?

Evolution auch hinter den Kulissen.

Ich wollte mich schon lange mit Dwarf Fortress beschäfitgen. Immerhin ranken sich zahllose Geschichten darum, die man zu Sid Meier’s Civilization, Populous oder Die Sims nicht erzählt bekommt. Dwarf Fortress ist im Nachahmen vielschichtiger Zusammenhänge nämlich um einiges komplexer als die eher klassischen Vertreter der Aufbaustrategie und überrascht selbst langjährige Spieler noch mit Ereignissen, die sie vorher nicht erlebt hatten.

Da werden ganze Bevölkerungsschichten plötzlich zu Wer-Eidechsen, hat jemand durch Elfen- und Goblin-Opfer einen blutdürstigen Kult erschaffen, während anderswo ein Zwerg dermaßen pragmatisch denkt, dass er aus den Gebeinen seines toten Mitbewohners ein Meisterwerk schnitzt. Die Wertungen auf Steam sind voll mit derartigen Anekdoten.

Was natürlich auch daran liegt, dass die Brüder Tarn und Zach Adams ihr Projekt seit 16 Jahren ständig um neue Inhalte und Zusammenhänge ergänzt haben. Warum man noch nie etwas davon gesehen hat? Nun, ganz einfach: Dwarf Fortress sah 16 Jahre lang so aus:

Nur zur Erinnerung noch mal: So sah es bisher aus, wenn man Dwarf Fortress ohne Mods gespielt hat.

Das bis vor kurzem ausschließlich textbasierte Spiel mag tiefgründiger sein als jedes inhaltlich vergleichbare: Um es zu lesen, brauchte man bisher eine Lizenz zum Entziffern von Matrix-Code – was freilich auch den Geschwistern Adams klar war, die deshalb vor kurzem eine neue Version auf Steam und itch.io veröffentlicht haben.

Und mit der sah ich die Chance gekommen, mich endlich mal näher mit diesem Phänomen zu beschäftigen. Das überarbeitete Dwarf Fortress enthält schließlich nicht nur sämtliche Inhalte des Originals, sondern zum ersten Mal auch eine grafische Benutzeroberfläche sowie ein Tutorial, das einem die Grundlagen nahebringen soll. Es gab also nie einen besseren Zeitpunkt, Festungen für Zwerge zu bauen.

Das fängt schon damit an, dass man jetzt nicht mehr raten muss, was ein lilafarbenes U oder ein gelbes Komma bedeutet. Weil das drunter liegende Prinzip eins-zu-eins übernommen wurde, springen Zwerge und andere Kreaturen zwar im Eiltempo und ohne Animationen von einem Kästchen zum nächsten, weshalb das Beobachten ihres Treibens an sich keinen besonderen Spaß macht. Grundsätzlich kann man dem, was in den Höhlen passiert, aber besser folgen als zuvor.

Und so sieht kann es jetzt aussehen, wenn man in die Zwergenfestung blickt.

Abgesehen davon ist die neue Steuerung per Maus ebenfalls eine riesige Erleichterung, wobei es die alten Tastaturkürzel weiterhin gibt und man die umfangreiche Belegung einschließlich Mausrad, doppelter Zuweisung oder mehrfach zu drückender Tasten auf unkomplizierte Art frei belegen darf. Was dennoch fehlt ist nur leider das Gefühl der vollen Kontrolle, denn Struktur und Handhabung der Menüs sind an manchen Stellen so umständlich, verschachtelt oder unterscheiden sich aus unerfindlichen Gründen von anderen Menüs, dass man sich auch hier zunächst in die Bedienbarkeit hineindenken muss, bevor man in der Simulation versinken kann.

Ach, und dass man Dwarf Fortress nicht mit Controller spielen kann… Ich verstehe die Entscheidung, da eine entsprechende Umstellung mit Sicherheit die Möglichkeiten des kleinen Entwicklerteams gesprengt hätte. Aber gerade das häppchenweise Steuern der Zwerge würde ich unheimlich gerne gemütlich auf dem Sofa oder auf kurzen Fahrten mit dem Steam Deck übernehmen. Stattdessen ist die winzige Schrift auf dem kleinen Bildschirm kaum lesbar.

Nicht allzu glücklich bin ich auch mit dem Tutorial, das trotz zahlreicher Schritt-für-Schritt-Anweisungen und erklärender Texte doch Fragen offenlässt. Es hat mich auch nicht an die Hand genommen, als ich das neue Dwarf Fortress zum ersten Mal gestartet habe. Vielmehr muss man die richtige Anleitung oft selbst suchen, wenn man eine Frage hat. Es ist ein Segen, dass es da ist und mir wie ein erfahrener Spieler bei Bedarf zur Hand geht! Als intuitiv würde ich es allerdings nicht bezeichnen.

Auch wenn man selbst ganz zu Beginn nicht ausreichend an die Hand genommen wird, so sind die Schritt-für-Schritt-Anleitungen doch eine große Hilfe.

Selbstverständlich erkennt man zum Glück ja Vieles wieder, wenn man schon mal Aufbaustrategie oder gar den Nachahmer Gnomoria gespielt hat. Immerhin errichtet man auch hier mit zunächst wenigen Siedlern Arbeits- sowie Wohnflächen und gibt vor, was zu tun ist, um die Gemeinschaft am Leben zu halten. Direkt steuern darf man die Zwerge dabei nicht, man sagt stets nur der gesamten Gruppe, was zu tun ist, oder weist einzelnen Vertretern ganz bestimmte Arbeiten zu.

Schon beim Zusammenklicken der Startbedingungen wird man aber mit einer großen Vielzahl an Optionen alleingelassen. Welche Fähigkeiten sollte ich meinen ersten sieben Zwergen denn unbedingt verleihen? Davon gibt es immerhin mehr als hundert, die man beliebig in jeweils fünf Stufen steigern kann. Toll, dass sie da sind! Aber auf gut Glück sieben irgendwie geartete Zwerge zu erstellen, fühlt sich alles andere als gut an. Dass man zusätzlich massenhaft Ressourcen und Tiere mit in die neue Siedlung nehmen kann, macht es nicht leichter.

Und so bleibt eines auch mit der auf Steam und itch.io verkauften Version bestehen: Ganz ohne Wiki, YouTube und andere Hilfen kommt man inzwischen zwar ins Spiel rein, aber an manchen Stellen nach wie vor nicht weiter. Man erkennt nicht sofort, warum manche Aufgaben nicht ausgeführt werden, darf die Zwerge nicht an jeder Stelle nach ihren Fähigkeiten sortieren und mehr. Und so hilfreich die grafische Darstellung auch ist, so sehr fehlen übrigens Geräusche, die nicht nur das Wetter untermalen, sondern wichtiges Feedback dazu liefern, was die Zwerge gerade treiben.

Trotz allem sind manche Menüs nach wie vor relativ unübersichtlich, solange man nicht weiß, wie man nach der gewünschten Information suchen muss.

Solltet ihr also Abstand halten, falls euch das komplexe Spiel schon immer eine Nummer zu hoch schien? Bloß nicht! Denn auch wenn ich noch nicht ansatzweise genug Stunden in diesen Festungen verbracht habe, um mir ein Urteil über die eigentliche Aufbausimulation zu erlauben, so steckt doch schon im Einstieg, während man noch Hilfetexte liest, dermaßen viel hier drin, dass ich jetzt große Lust darauf verspüre, in diese Zwergenwelt abzutauchen.

Mit anderen Worten: Das überarbeitete Dwarf Fortress mag in Sachen Technik und Benutzerführung noch immer keine komfortable, moderne Aufbaustrategie sein. Es ist aber endlich zugänglich genug, damit man es auch spielen kann, ohne vertikal über den Bildschirm laufenden ASCII-Code zu dechiffrieren. Ich freue mich jedenfalls auf die Geschichten, die mich dort erwarten!

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Benjamin Schmädig Avatar
Benjamin Schmädig: Für ihn ist WipEout 2097 der Grund, aus dem es Videospiele gibt – aber auch Indiesachen, Shooter sowie fast alles, das mit Weltraum zu tun hat. Sucht gute Storys, knackige Herausforderungen und freut sich, wenn die grauen Zellen nicht unterfordert werden.
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