Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Funktioniert Survival-Horror ohne Monster? Conscript hat die spannende Antwort für euch

Sie lautet: “Natürlich geht das!”

Im Anlauf auf das Dead Space Remake hatte mich die Horror-Lust wieder ganz ordentlich gepackt. Eher zufällig bin ich dabei auf Conscript gestoßen, das mit seiner pixeligen Top-Down-Optik aus den mittleren 90ern einen ähnlichen Ansatz verfolgt, wie das hochgelobte Signalis. Nachdem ich mir die auf Steam frei herunterladbare Demo angeschaut habe, kann ich zwar immer noch nicht sagen, ob Conscript vergleichbar gut wird, wie das stilistisch etwas fester im Sattel sitzende Sci-Fi-Spiel aus Deutschland. Aber ich kam fasziniert und ein Stück weit erschüttert aus dem Erlebnis – und das schaffen nicht viele Spiele.

Conscript von Jordan Mochi arbeitet nämlich thematisch komplett ohne typische Horror- oder Gruselklischees. Es gibt keine Horde an Untoten, derer ihr Herr werden müsst, kein übermächtiges Monster, das euch nachstellt, nicht einmal ein unheimliches Phänomen, das Raum und Zeit zu einem verstörenden Zerrbild der Realität verdreht und dem nur ihr auf den Grund gehen könnt. Und doch verbinde ich mit Conscript eines der erschreckendsten und unheimlichsten Erlebnisse der letzten Zeit, denn es zeichnet Krieg als den menschlichsten und schlimmsten Horror überhaupt.

Die Kämpfe sind klobig und brutal. Das Ziel ist Panik, nicht Eleganzoder Gratifikation.

Was sagt das eigentlich über uns, so als Menschen? Wenn man nichts weiter tun muss, als ein Biowaffenlabor gegen einen französischen Schützengraben 1916 auszutauschen und Zombies gegen feindliche Soldaten, um denselben, wenn nicht sogar einen schlimmeren Gruseleffekt zu erzeugen wie etwa ein Resident Evil? Der Rest ist schließlich die gängige, solide Survival-Hausmarke aus der Vogelperspektive: Begrenztes Inventar, viele von der anderen Seite verriegelte Türen, ein Spaten als Konservierungsmaßnahme für die wenige Munition und angespanntes Priorisieren, welche der nahenden Bedrohungen als Erste ausgeschaltet werden muss. Man kennt das.

Und doch wirkt es durch das Szenario im Ersten Weltkrieg komplett fremd – und erschütternd. In Zeiten, in denen das erste Resident Evil erschien (und lange danach noch), wäre so etwas nicht möglich oder denkbar gewesen, Gewalt gegen virtuelle Menschen wurde stets als zu real und verrohend wahrgenommen. Und ich denke, das ist der Trick an Conscript, denn es entlarvt eine nicht ganz unwichtige Tatsache über Horror: Dass er uns nicht nur so gruselt, weil er uns zwingt, uns dem Unbegreifbaren oder etwas Widernatürlichem zu stellen. Sondern dass wir in dem von der Wirklichkeit Entfremdeten auch ein wenig Schutz finden: Wie schlimm das Gesehene auch sein mag, wir wissen, dass alles schon wieder gut wird, sobald wir den Fernseher ausschalten.

Für ihn könnt ihr nichts mehr tun. Für euren Bruder schon. So hofft ihr zumindest.

Diese Sicherheit lässt uns Conscript nicht, denn Krieg brodelt nie weit entfernt, fast egal, wo man lebt. Und so kommt es dann, dass man auf dem Weg, als französischer Gefreiter, seinen ebenfalls zur Front abbestellten Bruder zu suchen, zusammenzuckt, wenn Mörserschläge neben einem runterkommen. Oder wenn ein einsamer Schuss samt Todesschrei durch den Bunker hallt oder ein aus dem Bildschirmrand sich in Sicherheit schleppender Landsmann urplötzlich in den Rücken geschossen wird. Das ist verstörend – und ja, geradezu auf die schlimmste Horrorfilm-Art grausig.

Spielerisch… nun gut. Allzu tief lässt die Demo nicht blicken. Ihr bleibt stehen, um eine Waffe zu benutzen, was traditionell, wenngleich nicht allzu dynamisch wirkt. Ihr kommt oft genug in einen Rhythmus, in dem ihr einem feindlichen Schlag zuvorkommt, woraufhin der Gegner die Animation von vorn startet und sich das Spiel wiederholt, bis er umfällt. Und dass die Laufgeschwindigkeit nicht analog abgefragt wird, wirkt auch nicht wahnsinnig elegant, ist aber von einem Solo-Entwickler vielleicht nicht anders zu stemmen? Stufenlose Bewegung muss man auch erst mal animieren. Die Schrittgeräusche dürften aber gern noch weniger monoton kommen, wenn das Spiel dann irgendwann erscheint.

Nehmt den Spaten, um Munition zu sparen.

Und letztlich beäuge ich Spiele, die ihre Figuren mithilfe eines Filters pixelieren, anstatt Pixel-Art zu nutzen, optisch auch ein wenig kritisch, hier konnte ich aber recht bald darüber hinwegsehen. Neben den Hintergründen auch noch die Charaktere von Hand zu pixeln und animieren, hätte vermutlich den Rahmen gesprengt. Optisch ist es ansonsten detailliert und dreckig genug, um einem die Schützengrabenatmosphäre überzeugend entgegenzutragen.

Abgesehen von diesen Irritationen, die sich im weiteren Spielverlauf noch erübrigen oder zumindest schmälern könnten, übt Conscript eine morbide Faszination auf mich aus. Es kommt selten vor, dass man sich beim Spielen so hoffnungslos und bedrückt fühlt wie hier. Ich kann nicht sagen, ob das ein Gefühl ist, das ihr in eurem Leben braucht. Aber ich bin froh, dass sich jemand daran versucht, es in ein Spiel zu verpacken. Schaut es euch mal an, kostet ja nichts.

Conscript soll "bald" erscheinen

P.S.: Just als ich diesen Artikel zuende einpflege, erhalte ich eine Pressemeldung zu einem Titel namens Trenches, der ebenfalls in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs spielt, aber eben doch eine übernatürliche Bedrohung enthält. Und ich muss schon sagen - ohne dessen Entwicklern zu nahe treten zu wollen oder ein Spiel anhand seines Trailers zu beurteilen: Das fühlt sich schon reichlich "drüber" an, und an dem eigentlichen Schrecken dieser historischen Epoche vorbei. Umso mehr weiß ich Conscript gerade zu schätzen.

Read this next