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The Expanse: A Telltale Series im Test – Die Macher von The Walking Dead sind zurück und heben buchstäblich ab

Trommelwirbel für Carmina Drummer?

Spielerisch und erzählerisch eher schwaches Abenteuer, das die starken Charaktere und komplexen Zusammenhänge der Serie aber gut einfängt.

Wenn Tote wie erloschene Kerzen am Fleck stehenbleiben, weil sie von ihren Magnetstiefeln auch in der Schwerelosigkeit noch am Boden festgehalten werden. Wenn Menschen, die ihr gesamtes Leben auf einer Raumstation verbracht haben, so schwache Knochen haben, dass sie auf der Erde kaum laufen können. Wenn die Mannschaft eines Raumschiffs bei starker Beschleunigung beinahe ohnmächtig wird und ein Teil der Menschen eine Sprache spricht, die man nur mit Wörterbuch versteht. Dann ist man wahrscheinlich bei The Expanse – entweder den Romanvorlagen, der Fernsehserie oder inzwischen auch dem Spiel.

Dabei hatte ich die Verfilmung lange vor mir hergeschoben. Das politische Säbelrasseln im Zentrum der Erzählung lief mir in den ersten Staffeln noch zu sehr ins Leere. Erst als ich nach mehreren Anläufen in Staffel drei ankam, entwickelten sich aus dem schwelenden Konflikt endlich konkrete Motive, die so interessant waren, dass ich die Serie bis kurz vor Weihnachten denn auch beendet habe. Was lag also näher, als über die Feiertage gleich mit dem Spiel weiterzumachen? Immerhin ist The Expanse: A Telltale Series nur ein paar Monate alt, auf Steam sogar nur ein paar Wochen.

Wobei „weitermachen“ nicht in jeder Hinsicht das richtige Wort ist; handelt es sich doch nicht um die Weiterführung, sondern eine Vorgeschichte der Ereignisse des Pantoffelkinos. Genauer gesagt erfährt man, wie mit Carmina Drummer eine der beliebtesten Figuren dort ankommt, wo sie in Staffel zwei ihren ersten Auftritt hat. Anstatt zwischen mehreren Schauplätzen zu wechseln, dreht sich The Expanse: A Telltale Series nämlich vollständig um die OPA-Aktivistin und beginnt damit, wie Drummer an Bord der Artemis die Überreste zerstörter Schiffe plündert, um deren Beute zu Geld zu machen.

Was genau sich daraus entwickelt, will ich nicht vorwegnehmen. Aber natürlich dreht sich auch das Telltale-Spiel – im Übrigen das erste nach dem Herunterwirtschaften des ursprünglichen Studios und der Übernahme fast aller Rechte durch LCG Entertainment – um die Konflikte zwischen den drei großen Parteien im Universum der Literaturverfilmung. Schließlich ist die Crew der Artemis ein bunter Haufen von Raumfahrern verschiedener Herkunft, der auf ebenso eigensinnig besetzte Gegenspieler trifft.

Für alle, die neu in der futuristischen Vision unseres Sonnensystems von The Expanse sind: Die Menschen im Asteroidengürtel unter dem lose organisierten OPA-Netzwerk fühlen sich von Mars und Erde ausgebeutet, während die Stimmung zwischen den Regierungen der zwei Planeten ebenfalls zum Zerreißen gespannt ist. Terroristische Aktionen vereinzelter OPA-Gruppen sowie Angriffe von Piraten erschweren das politische Dickicht zusätzlich und natürlich haben auch die planetaren Regierungen mit ihren hausgemachten Intrigen zu kämpfen.

The Expanse: A Telltale Series - Test

Nun kommt längst nicht alles davon im Spiel zur Sprache. Schon deshalb brauchen sich auch Einsteiger keine Sorgen machen. Ihr werdet von der Dichte des Szenarios nicht erschlagen werden. Tatsächlich gelingt es Telltale in Zusammenarbeit mit Deck Nine (Life Is Strange: Before the Storm) aber diese Spannungen überzeugend zu vermitteln – sei es durch das Auftreten mordlustiger Piraten, Erinnerungen an Drummers Vergangenheit und ganz besonders über die Charakterzeichnungen der einzelnen Crewmitglieder beziehungsweise die Leichen, die alle in ihren Kellern haben.

Wie daraus eine „Familie“ wird oder auch nicht, darum dreht sich genau wie in der Serie vieles. Und damit haben auch einige der Entscheidungen zu tun, die man Telltale-typisch treffen muss. Welche Strafe haben Übeltäter verdient? Oder vielmehr: wie viel Nachsicht kann man sich leisten, ohne die eigene Sicherheit zu riskieren? Und natürlich werden diese Entscheidungen Folgen für spätere Szenen haben. Auch wenn die Handlung stets den grundlegend gleichen Ausgang hat.

Mich hat Letzteres ja nie gestört. Ich muss nicht den Verlauf großer Ereignisse entscheidend verändern, auf ein Dutzend verschiedene Enden hin steuern oder ähnliches. Von daher konnte ich mich auf die weitgehend geradlinige Erzählung einlassen, um einfach etwas mehr über Drummer zu erfahren. Wichtig ist mir nur, dass ich auch in einem solchen Erzähl-Adventure voll in die jeweilige Welt eintauchen kann, anstatt sie nur zu beobachten – etwas, das Telltale mit zum Beispiel The Walking Dead hervorragend hinbekam, weil man sich dort an vielen Stellen durch zahlreiche Multiple-Choice-Optionen in die Gespräche einbringen konnte und damit immer Teil des zentralen Dialog-Geschehens war.

Und genau daran hapert es leider in diesem Fall. Zum einen gibt es hier nämlich überraschend wenige Möglichkeiten sich in eine Unterhaltung einzubringen und zum andern hat man dann auch meist nur zwei Optionen statt drei oder gar vier. Gerade in einem so vielschichtigen Szenario wie diesem hätte ich mir deutlich mehr gewünscht. Zumal enttäuschend viele davon auch nicht verschiedene Standpunkte wiedergeben, sondern lediglich Variationen ein und derselben Antwort sind. In Sachen Interaktion ist das also durchaus enttäuschend.

Zusätzlich will ich einen Punkt ansprechen, den verschiedene Spiele dieser Art unterschiedlich gut hinbekommen, obwohl er eigentlich unheimlich wichtig ist: Wie gut kann man den angebotenen Dialogoptionen entnehmen, welche Antwort das Alter Ego geben wird? Und das ist im Fall von The Expanse manchmal denkbar schlecht erkennbar. Hin und wieder war deshalb Rätselraten darüber angesagt, wie Drummer reagieren sollte, obwohl ich eigentlich wusste, was ich erwidern will. Das hätte man besser lösen können.

Abgesehen davon bin ich auch mit der Geschwindigkeit, mit der die meisten Konflikte aufgebaut und aufgelöst werden, nicht ganz glücklich. Etwas mehr Länge in Form zusätzlicher Gespräche hätte dem Spiel für mein Empfinden ebenso gutgetan wie subtilere Zwischentöne. Denn obwohl hier ihre Vorgeschichte erzählt wird, empfand ich Drummer oft als zu sanftmütig und über manche Strecken auch übermäßig freundlich. In der Serie lacht sie praktisch gar nicht, hier gleich mehrmals – häufiger als das eine immerhin nur wenig jüngere Version ihres Charakters für mein Empfinden getan hätte.


The Expanse: A Telltale Series ist ausschließlich digital in den Stores der entsprechenden Anbieter erhältlich – zum Zeitpunkt des Tests zu einem niedrigeren Preis von knapp 15 Euro.

  • Epic Games Store
  • Steam
  • Xbox
  • PlayStation Store

  • Sehr froh war ich im Gegenzug darüber, dass The Expanse: A Telltale Series nicht nur das erzählerische Szenario ernst nimmt, sondern auch die All-gegenwärtige Schwerelosigkeit. Weshalb man fast immer wählen kann, ob man mit aktiven Magnetschuhen am Boden, an der Decke oder an den Wänden entlangläuft, oder ob man sich frei schwebend durch den Raum bewegt. Weil die meisten Umgebungen auch in der Serie so gebaut sind, dass Menschen sich intuitiv zurechtfinden, fällt die Orientierung dabei immer leicht. Dass man einen so wichtigen Aspekt dieser Science-Fiction aber selbst erleben kann, finde ich klasse.

    Nun sind weder die gelegentlichen Umgebungsrätsel der Rede wert noch andere Elemente, die in vergleichbaren Spielen haptisches Können oder ein wenig Grips erfordern. Selbst actionreiche Szenen sind reine Reaktionsspiele, bei denen man die richtige Taste sogar noch drücken kann, nachdem man die falsche bereits ausgelöst hat. Mit den coolen Schusswechseln der Serie hat das wenig zu tun, obwohl es in jeder oder zumindest fast jeder Episode der fünfteiligen Serie eine solche Sequenz gibt.

    Dafür durchsucht man mehrmals in Ruhe Wracks und andere Schauplätze nach Beute, um beim genauen Hinsehen auch Gegenstände zu finden, die den Weg zu zusätzlichen Aktionen mit bestimmten Crew-Mitgliedern öffnen. So richtig wichtig ist das nicht, weshalb man es komplett ignorieren kann. Auch hier steht das geradlinige Vorankommen an erster Stelle – leider, wenn ihr mich fragt. Denn gerne würde ich auch in einem Telltale-Titel mal das erzählerisch aufregende Erlebnis mit einem ein spielerisch spannenden verbinden.

    The Expanse: A Telltale Series im Test – Fazit

    Dass man keine einzige Filmszene überspringen darf und sich manche Speicherpunkte rein zeitlich gesehen weit voneinander entfernt befinden, sind ebenfalls Relikte früherer Telltale-Abenteuer, über die ich nicht besonders glücklich bin. Man könnte daher sagen, dass das neue alte Studio trotz Schließung, Übernahme und Neuanfang noch ganz das alte ist. Was zunächst mal bedeutet, dass es die Essenz der Vorlage sehr gekonnt einfängt, weshalb ich The Expanse: A Telltale Series den Fans der Serie trotz aller Kritik empfehlen kann. Ihr solltet nur wissen, dass es sich zum großen Teil um eine stark vorgezeichnete Geschichte handelt, die euch wenig Handlungsspielraum lässt. Einige wichtige Entscheidungen muss man natürlich trotzdem treffen und vor allem das freie Benutzen und Abschalten der Magnetstiefel tut dem authentisch Erlebnis gut. Alles in allem ist diese Telltale-Serie aber sowohl spielerisch als auch erzählerisch ein sehr überschaubares Abenteuer – mehr eine interessante Doppelfolge als ein vollständiges Prequel.

    The Expanse: A Telltale Series
    PROCONTRA
    • Weitgehend gut geschriebene Geschichte passend zu Ton und Motiven der Fernsehserie…
    • Interessanter Einblick in die Vergangenheit von Carmina Drummer und einigen Ereignissen der Serie
    • Bewegen in schwerelosen Umgebungen mit freiem Wechsel von Schweben zu Laufen in Magnetschuhen
    • Knifflige Entscheidungen, die man ohne Zeitdruck treffen kann
    • …der aber auch mehr Länge und subtile Zwischentöne gutgetan hätten
    • Vergleichsweise seltenes und meist unbedeutendes Eingreifen in Dialoge und Handlungen
    • Filmszenen können nicht übersprungen werden
    • Kein manuelles Speichern und oft relativ weit entfernte Speicherpunkte

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