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E3 2016: The Last Guardian: Die erste Begegnung mit einem Biest

Es ist real, es hat ein Releasedatum und man kann es wirklich spielen.

Es ist ein surreales Gefühl, sich zu einem Anspieltermin von The Last Guardian zu begeben - ein Spiel, so lange in der Entwicklung, dass ich langsam begann, mich zu fragen, ob ich es mir eingebildet hatte.

Hier haben wir ein Spiel, das gefühlt in einem früheren Leben angekündigt wurde, für eine Konsole, die wir längst hinter uns gelassen haben. Damals fühlte sich The Last Guardian aufregend an, wichtig und man war sich sicher, es würde die PlayStation 3 in neue Sphären heben.

Jetzt, auf der PS4, fühlt es sich wie das Remaster eines alten PS3-Spiels an. Die Grafik behält zwar die ausgewaschene Farbpalette seiner Vorgänger bei - Ico und Shadow of the Colossus -, aber beeindruckt nicht mehr wie einst, abgesehen von einigen auffällig guten Animationen des Jungen, den ihr spielt, und Tricos - der riesige Katzenadler, dem ihr in den ersten 40 Minuten des Spiels aus einer Höhle helft.

Und obwohl The Last Guardian aussieht, als hätte Sony die optischen Ungereimtheiten eines Last-Gen-Spiels ausgebessert, gibt es Probleme. Die Steuerung ist fummelig und träge und die Kamera ist ein steter Dorn im Auge. Als ich einen mysteriösen Schild finde, kann ich damit einen Lichtstrahl absondern, der Trico dazu veranlasst, einen Blitz aus seinem Schwanz schießen zu lassen. Das Spiel nutzt dies in seinem eröffnenden Kapitel für die Lösung von Puzzles, aber es fühlt sich dank der störrischen Kamera in dieser engen Umgebung mühselig an.

Und diese Steuerung erst. Schöpfer Fumito Ueda hat eine Schwäche dafür, den Spieler in eine mysteriöse Welt zu transportieren und ihn sich selbst zu überlassen. Das ist okay, ein Erlebnis oft genug. Angesichts des übertriebenen Händchenhaltens so vieler moderner Spiele fühlt sich das hier wieder frisch an. Aber in einer Welt nach Uncharted, eine Welt, in der man erwartet, dass sich Klettern und Herumlaufen aus der Third-Person-Perspektive fließend und griffig anfühlen sollte, nervt die Steuerung von The Last Guardian einfach nur.

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The Last Guardian beginnt mit einem Jungen, der in einer Höhle neben einem kranken und ängstlichen Trico erwacht. Der Katzenadler ist an den Boden gekettet und wimmert vor Schmerzen, weil ihm abgebrochene Speere in Bauch und Schulter stecken. Eine ältere Version des Jungen fungiert als Erzähler, der die Gefühle des Jungen in der Situation schildert. Der Junge wusste noch nicht, warum er diese mysteriösen schwarzen Zeichnungen auf seiner Haut trug und warum er in einer Höhle neben einer menschenfressenden Bestie erwachte, erklärt der Erzähler.

Die ersten 40 Minuten von The Last Guardian sind gewissermaßen ein Tutorial mit einfachen Puzzles und Erkundung. Ihr werft Fässer voller Nahrung in Richtung Trico, die er verschlingt - aber erst, wenn ihr etwas Abstand haltet. Ihr zieht die Speere aus seinem Fleisch. Trico schreit auf vor Schmerzen und schleudert euch dabei versehentlich gegen die Wand und in eine Bewusstlosigkeit. Im Laufe der Zeit werdet ihr euch an seinem Fell festklammern und an ihm hochklettern. Bis hin zu seinen Ketten, die ihr löst und ihn so befreit.

Es ist ein langsamer Anfang, aber das ist Absicht, wie mir scheint. Der Gedanke ist, dass ihr langsam aber sicher Tricos Vertrauen gewinnt, während ihr die Regeln und Grenzen des Spiels ertastet. Erster Schritt: Füttern. Zweiter Schritt: Speere rausziehen. Dritter Schritt: Ketten lösen. Dabei lernt ihr, dass ihr euch an ihm festkrallen, ihn zu euch rufen könnt und mit seiner Hilfe höher gelegene Plattformen erreicht oder Hindernisse mit der Blitzattacke zerstört.

Durchweg fühlte ich, wie The Last Guardian beinahe - beinahe! - die Reaktion auslöste, von der ich weiß, dass es sie auslösen will: Ein Gefühl des Erstaunens über seine Welt, Faszination durch ihre Erkundung und eine emotionale Bindung zu diesem wundervollen, aber gefährlichen Biest, das man hier aufpäppelt. Was war noch mal der Grund, warum ich mich nicht an dieser herabhängenden Kette festhalten kann? Ich muss sie anschauen, springen und dann R1 halten. Aber die Kamera gibt keine Ruhe. Warum schaffe ich diesen Sprung nicht? Weil die Kamera hinter Tricos Bein feststeckt. Argh.

Ich frage mich, ob es aus gutem Grund so umständlich ist? Wollte Ueda, dass sich The Last Guardian so frickelig anfühlt, damit sich der Spieler auch so orientierungslos fühlt wie der namenlose Junge, den ihr steuert? Hier ist ein Junge, der zusammen mit einem gefährlichen Biest, dessen Vertrauen er erst noch gewinnen muss, in eine unbekannte Welt geworfen wird. Und hier bin ich, der Spieler, der diese fantastische, unbekannte Umgebung erkundet und dabei mit einer frickeligen Steuerung zurechtkommen muss. Vielleicht soll ich mir das Vertrauen des Spiels erst erarbeiten, wie ich mir das Vertrauen von Trico erarbeiten soll. Vielleicht ist es Teil von Uedas Masterplan.

Es gibt auch andere Gründe, sich über die Technik Sorgen zu machen. Die Demo hatte öfters mit der Framerate zu kämpfen und es gab mehr als nur einen Moment, in dem Trico - oder ein Teil von Trico - durch eine Wand oder einen anderen Teil der Welt clippte. An einem Punkt schienen seine Ketten eine Art Anfall zu haben, als wären sie mit einer unsichtbaren Kraft kollidiert. Für ein Spiel, das in ein paar Monaten erscheint, fühlt es sich so an, als hätten die Entwickler noch einiges an Arbeit vor sich.

Aber trotz dieser Probleme hat mich Trico beeindruckt. Wirklich beeindruckt. Diese gefederte Chimäre eines mythischen Biests gibt Last Guardian die Chance, etwas ganz Besonderes zu sein, selbst wenn die langgezogene, von Problemen geplagte Entwicklung eigentlich bedeuten sollte, dass das gar nicht möglich wäre.

Trico ist ein computergesteuertes Konstrukt, das eine Art von Kontext-Verständnis zu haben scheint. Zuerst scheint es dem Jungen gegenüber misstrauisch zu sein und warum auch nicht. Trico ist an den Boden gekettet, blutig, müde und hungrig. Er ist angeschlagen und seine Flügel gebrochen, seine Hörner abgesägt. Geht zu früh zu nah heran an Trico und er wird den Jungen mit dem Kopf wegschubsen und wütend schnauben. Es scheint, als hätte Trico Angst vor Wasser, also müsst ihr ihn in die geflutete Höhle locken, indem ihr Fässer voller Futter herunterrollt. Das sind frustrierende Momente in den ersten 40 Minuten, in denen ihr nicht genau wisst, was ihr tun sollt, aber Trico scheint diese Frustration zu spüren und hilft euch. Er senkt seinen Kopf oder Schwanz, um euch in neue Gebiete zu helfen. Er schiebt sich vorsichtig die Kante entlang, sich scheinbar des Abgrundes bewusst, und schubst versehentlich ein Fass über die Kante.

Trico kreischt auf und der Junge erschreckt sich. Sein älteres Selbst erinnert sich: "Ich wusste, dass er es nicht böse gemeint hat."

Stimmt. Ich wusste es auch. Erstaunlicherweise. Trico ist eine künstliche Intelligenz mit einer Ahnung von seinem eigenem - und eurem - Wohlbefinden.

Trico ist also nicht der einzige Trico.

Irgendwann kommt ihr aus der Höhle heraus und erklärt, dass es zurück zum heimischen Dorf geht. Trico donnert durch die Höhlenwand hindurch als ihr ihm zuruft euch nicht länger zu folgen. Der Erzähler berichtet in der Kunstsprache von Ico und Shadow of Colossus - keine Sorge, es gibt Untertitel -, dass der Junge noch nicht wissen konnte, worauf er sich eingelassen hatte. Dass er sich selbst in der Höhle der Bestien gefunden hatte. Die Kamera macht eine Schwenk, der Wind heult durch den Canyon, dramatische Musik spielt auf und es folgt ein letzter Blick auf die weite, gefährliche Welt, die vor dem Jungen liegt. Damit endet die Demo.

40 Minuten Spielzeit sind natürlich nicht annähernd genug, um The Last Guardian wirklich einschätzen zu können. Ja, ich mache mir Sorgen wegen der Kamera, Steuerung und Framerate. Aber je mehr ich über das Spiel nachdenke, desto mehr Vertrauen habe ich in seine Seele. Trotzdem muss sich The Last Guardian der fast unlösbaren Aufgabe stellen, die Erwartungen zu erfüllen, die Sony vor nun fast einer Dekade schürte. Vielleicht ist das okay, vielleicht auch nicht.

Trotzdem, Trico selbst. Ich kann immer noch sein schweres Atmen hören, das Rumpeln von Bewegungen jenseits des Sichtfeldes. Es ist etwas Unvergessliches in seinem Design wie sein Fell im Dunkel zu tanzen scheint, seine Augen, in einem Moment hell und in seltsamen Farben leuchtend, im nächsten pechschwarz, eine Schwärze, die auf seine Wangen überzugehen scheint, als würde er weinen.

Ich vermute, sollte Fumito Uedas Vision gelingen, dann wird dieses Spiel auch einige Spieler zum Weinen bringen.

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