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The Works of Fumito Ueda: "Diese Spiele erzählen eine Menge, ohne sich dabei viel auf Worte zu verlassen"

Autor Damien Mecheri erklärt, was ihn an Ueda-san fasziniert.

Fällt der Name Fumito Ueda, denkt ihr im besten Fall an drei Spiele: Ico, Shadow of the Colossus und The Last Guardian. Titel, die kommerziell gesehen keine Bäume ausrissen. Sie bedienen eine Nische, die Uedas Kreationen als Meisterwerke ansieht. "Ich bin überzeugt, dass seine Spiele eine einzigartige und bemerkenswerte Sensibilität ausstrahlen", sagt Damien Mecheri, Autor des Buches The Works of Fumito Ueda, im Gespräch mit Eurogamer.de.

"Sie sind rein, ihr Erscheinungsbild simpel", führt er aus. "Und zugleich sind sie in ihrem Inneren tiefgründig und schrecken nicht vor finsteren und grausamen Dingen zurück. Und das immer mit einem Hauch von Raffinesse und Anmut. Diese Spiele erzählen eine Menge, ohne sich dabei viel auf Worte zu verlassen. Sie tun das durch ihre Ästhetik, den Sound, das Licht und - was am wichtigsten ist - durch das Game-Design."

Das Buch - lest hier die Buchrezension zu The Works of Fumito Ueda - befasst sich mit der Entwicklung dieser drei Titel, dem kreativen Prozess dahinter, bietet eine tiefer gehende Analyse der Spiele und widmet sich der Frage, was Kunst ist und ob Videospiele dazu gehören - um einige der vielen Aspekte zu nennen. Die ersten Überlegungen für das Buch gab es von Seiten des Verlags Third Editions im Juli 2015. Mit den Arbeiten am Buch begann er im Oktober des gleichen Jahres, als er mit Nachforschungen dafür anfing. Er spielte die Spiele erneut durch, machte sich Notizen, las Bücher über Kunst sowie Hunderte Interviews und kontaktierte einige Spieleentwickler.

Ico

Dabei manifestierte sich ein Problem: Die Veröffentlichung von The Last Guardian verschob sich und damit das Buch. "Es stand außer Frage, dass ich kein Buch ohne The Last Guardian schreibe", merkt er an. In der Zwischenzeit beschäftigte er sich als Co-Autor mit einem anderen Buch über Silent Hill, bevor er im September oder Oktober 2016 die Arbeit an The Works of Fumito Ueda fortführte. In französischer Sprache kam das Buch im April 2017 auf den Markt, bis zur englischen Übersetzung dauerte es eine Weile.

Die Idee für das Buch hatte Third Editions. Der Verlag wusste, dass Shadow of the Colossus neben Silent Hill 2 und Final Fantasy IX zu den drei Lieblingsspielen von Mecheri zählt. Eine Herausforderung für ihn und für Third Editions: "Wir waren nicht überzeugt, dass es ein Erfolg sein würde", erzählt Mecheri. "Es war einer unser ersten Versuche, uns mit einem 'Nischenspiel' zu befassen, verglichen mit größeren Serien wie Final Fantasy, Metal Gear Solid oder Zelda. Das Resultat zählt nicht zu den größten Erfolgen von Third Editions, aber es lief gut. Und was die Kritiken betrifft, kam es gut an, daher bin ich zufrieden."

Wenn er ein Buch schreibt, denke er dabei gleichermaßen an Fans und Neulinge. Zu bedenken ist, dass The Works of Fumito Ueda voller Spoiler zu den drei Titeln steckt, da es unter anderem ihre Geschichten analysiert. Wer die Spiele ohne Vorwissen erleben möchte, spielt diese zuerst und befasst sich dann mit dem Buch. "Die Idee dahinter ist, tiefer in die Spiele und ihre Welt einzutauchen, in ihre Ästhetik, die Welt und das Game-Design", erläutert er. Und darüber hinaus geht es um Videospiele im Allgemeinen, um Kunst. Daher der Untertitel des Buches: A Different Perspective on Video Games - Eine andere Perspektive auf Videospiele. "Der Untertitel ist eine Einladung für Leute, die Uedas Spiele nicht kennen", führt er aus. "Und für die Leute, die sich im Allgemeinen nicht mit Videospielen befassen und neugierig sind, mehr über dieses künstlerische Medium zu erfahren."

Shadow of the Colossus

Für ihn ist Fumito Ueda einer der wenigen Spieleentwickler, die er als "Auteur" bezeichnen würde. Die Entwicklung eines Spiels sei im Normalfall ein gemeinschaftliches Unterfangen eines Teams. "Ab und an gibt es da diese Stimme, die sich über alles erhebt", erklärt Mecheri. "Eine Stimme mit ihren eigenen Ansicht, ihren eigenen Vorstellung davon, was das Spiel sein sollte und was nicht. Eine Stimme, die das Entwicklerteam leitet. Das Team unternimmt all seine Anstrengungen, um die künstlerische Vision dieser Person zum Leben zu erwecken, so wie es bei Filmen der Fall ist." Die Wichtigkeit von Ueda zeige sich ebenso darin, dass er viele andere Entwickler beeinflusst.

Nach seinem Lieblingsspiel von den drei Ueda-Titeln befragt, würde er im Normalfall mit Shadow of the Colossus antworten. Er finde aber mehr und mehr Gefallen an The Last Guardian. "Ich denke, in ein paar Jahren habe ich eine definitive Antwort darauf", meint er. Wobei definitiv vielleicht das falsche Wort ist, denn es gebe nichts Definitives daran, wenn über Kunst gesprochen wird. "Unsere Geschmäcker entwickeln sich im Alter weiter, ebenso unsere Weltsicht", erklärt Mecheri. "Wir entdecken neue Details, neue Perspektiven über Kunst, die wir lieben. Auf jeden Fall sind Ico, Shadow of the Colossus und The Last Guardian auf ihre jeweils eigene Art Meisterwerke."

Sind sie (und alle anderen Spiele) zugleich Kunst? In seinem Buch gibt er keine definitive Antwort auf diese Frage: "Ich bin überzeugt, dass Spiele im Allgemeinen ein künstlerisches Medium sind", sagt Mecheri. "Es besteht die Möglichkeit, dass daraus Kunstwerke entstehen, aber nicht alle Videospiele sind Kunst. Und nicht alle Videospiele möchten das sein, was absolut in Ordnung ist. Manche Leute denken indes, dass Videospiele keine Kunst sind, das ist eine Schande. Eine andere Person davon zu überzeugen, hängt von den Umständen ab. Die beste Möglichkeit ist, dass sie es für sich beim Spielen erleben und wenn sie das bewegt, was sie im Spiel sehen, hören und tun." Es gehe nicht explizit darum, zu weinen, vielmehr um alle möglichen Emotionen und Gedanken.

Cover image for YouTube videoShadow of the Colossus | Opening Cinematic Trailer - PGW 2017 | PS4

"Wenn du sie mit Worten überzeugen möchtest und ihnen mein Buch zu geben keine Option darstellt [lacht], ist der beste Diskussionsansatz die Frage, was Kunst ist oder was Kunst für diese Leute bedeutet", sagt er. "Dann hast du die Chance, das Thema zu vertiefen. Was am Ende des Tages alleine zählt, ist, wie die Tatsache, dass Spiele Kunst sein können, dich auf eine positive Art beeinflusst."

Die Frage sei daher weniger, was Kunst ist, vielmehr gehe es darum, warum einer Person Kunst wichtig ist. Eine weitere wichtige Lektion ist für ihn: "Blicke nie auf einen Spieler herab, der Videospiele allein zum Spaß spielt (und viele Spiele sind allein dafür designt)", betont er. "Solange sie im Umkehrschluss nicht auf dich herabblicken. Gegenseitiger Respekt ist der Schlüssel!"

Dafür, dass manche Leute Spiele nicht als Kunst ansehen, gebe es viele Gründe. Zum Beispiel den Begriff "Videospiele an sich", der mit Spaß, Unterhaltung und Gewinnen in Verbindung gebracht wird und weniger mit etwas von künstlerischem Wert. "Videospiele sind eine beliebte Unterhaltungsform", merkt er an. "Kunst - für Leute, die nicht verstehen, was Kunst ist - bringt die Gesellschaft des Öfteren mit der Elite in Verbindung (allein die Begriffe "High Art" und "Low Art" stecken voller Geringschätzung)."

The Last Guardian

Als Vergleich zieht er Comics und Filme heran, diese hätten die Leuten in den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz ebenso wenig als Kunst angesehen. Das Gleiche passiere jetzt mit Videospielen, da den Leuten nicht klar sei, was Spiele sein können. "Überwiegend ist es eine Frage der Ignoranz", merkt Mecheri an. Aus diesem Grund befassen er und andere sich mit dem Schreiben von Büchern, um den Leuten zu vermitteln, warum sie mit ihrer Ansicht falsch liegen.

"Und in der Industrie gibt es einige Entwickler, die Videospiele nicht als Kunst ansehen", fügt er hinzu. "Wenn du Kunstgeschichte studierst, lernst du schnell, dass sich die Definition von Kunst im Laufe der Jahrhunderte häufig verändert hat. Und das ist das Schöne daran: "Kunst entwickelt, verändert und verwandelt sich. Kunst ist lebendig. Und Kunst ist für uns das, was wir wollen."

Verglichen mit anderen Personen aus der Industrie hat Ueda wenige Spiele veröffentlicht. Für Mecheri ist es das richtige Maß und der denkt dabei an den Filmregisseur Terrence Malick. Zwischen seinen Filmen Days of Heaven und The Thin Red Line lagen 22 Jahre und zwischen The Thin Red Line und The New World sieben Jahre. "Was zählt, ist, dass seine Filme Meisterwerke sind und für lange Zeit in unseren Erinnerungen und Herzen weiterleben", sagt er.

Cover image for YouTube videoThe Last Guardian | Launch Trailer | PS4

Wobei Ueda natürlich nicht die Absicht hatte, dass es bei The Last Guardian so lange dauert. Ursprünglich hatte er geplant, es schneller fertigzustellen als zuvor Shadow of the Colossus. "Aber solange das Spiel nicht seinen Vorstellungen und Erwartungen entspricht, ist es ihm nicht möglich, es zu veröffentlichen", führt Mecheri aus. "Wir leben in einer Welt, die uns dazu anspornt, kontinuierlich zu konsumieren. Es ist besser, einen Gang runter zu schalten und sich die Zeit zu nehmen, ein Kunstwerk eingehend zu genießen."

Bisher war Mecheri an sechs Büchern beteiligt, am stolzesten ist er auf dieses. Zufrieden ist er vor allem mit der Klarheit, dem Geschriebenen und der Struktur. "Da wir gerade vom Schreiben reden, möchte ich Meghan McCallum für die Qualität ihrer Übersetzung bei der englischen Version des Buches danken", sagt Mecheri. "Sie hat fantastische Arbeit geleistet! Und ich bin froh, dass ich einigen tollen Spieleentwicklern wie Sam Barlow, Jenova Chen, Steve Gaynor und Yoko Taro ein paar Fragen über Kunst und Spiele sowie Uedas Werke stellen konnte."

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Shadow of the Colossus

PS4, PS2

The Last Guardian

PS4

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

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