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Steel Battalion: Heavy Armor - Vorschau

Ins Leere greifen und doch nichts fassen

Da hatte ich mich grad ein wenig mit Kinect angefreundet. Die Stimmerkennung in Mass Effect ist durchaus lustig, der erste Eindruck von Fable: The Journey war ein sehr guter, hey, das Ding ist auch im Bereich der "Hardcore"-Spiele (hat mal einer ein schöneres und frischeres Wort dafür parat?) gar nicht so fehl am Platz. Und dann spielte ich Steel Batallion: Heavy Armor.

Das erste Spiel der Serie, damals auf der Xbox 1, hat zwar kaum jemand gekauft, aber das lag wohl am ehesten an der kleinen Auflage. Selbst bei einem Preis von 200 Dollar konnte Capcom seinerzeit nur sehr bescheidene Profite einfahren, da der monströse, mehrteilige Controller mit zig Tasten, Hebeln, zwei Sticks und drei Pedalen in der Herstellung nicht ganz preiswert gewesen sein dürfte. Es war am Ende ein großartiges Projekt, um einmal wenigstens alle Nerdträume zu erfüllen und sich in ein Mech-Cockpit setzen zu dürfen. Mission erfüllt, brutalster Schwierigkeitsgrad aller Zeiten inklusive.

Die erste schlechte Nachricht dürfte sein, dass es keinen Adapter für den alten oder gar einen alternativen neuen Super-Special-Controller geben wird. Wozu auch, man hat doch Kinect. Lasst mich beschreiben, warum das eine komplette Fehlplanung ist. Der Wunsch, in einem Cockpit zu sitzen und alle diese Kontrollen zu bedienen, beinhaltet nicht zu einem kleinen Teil den Wunsch nach haptischem Feedback. Ich will die Hebel anpassen, die Schalter umlegen, ein möglichst direktes Feedback bekommen, wenn ich diese Pedale trete oder an den Sticks ziehe. Danach zu greifen, ist nur der erste Schritt, der für sich allein nicht viel wert ist. Den Kontakt zu der Maschinerie auf der Haut zu spüren und das direkte Feedback aus tatsächlicher Berührung, Bewegung und Reaktion auf dem Screen war die Magie des ursprünglichen Steel-Batallion-Controllers.

Steel Battalion: Heavy Armor - Trailer

In Heavy Armor sitzt ihr im Cockpit eines Mech, vor euch seht ihr ein kleines Meer aus Knöpfen, Anzeigen und Hebeln. So weit, so richtig. Die erste Aufgabe in dem Tutorial ist es jedoch, sich erst einmal umzuschauen. Statt dies über eine Kopfdrehung zu realisieren, wischt man mit der Hand. Ist wahrscheinlich praktischer, gebe ich zu. Fühlt sich trotzdem seltsam an. Mit euch zusammen im der engen Stahlbüchse habt ihr drei Gefährten, die Munition laden, taktische Infos geben und euch mit ehrlich gesagt sogar erstaunlich passenden und stimmigen Sprüchen bei Laune halten. Mehr zu den Freunden später, zurück an die Kontrollen.

Es gibt ein kleines Fenster, an das ihr euch virtuell heranziehen könnt, indem ihr mit beiden Händen nach vorn greift. Die richtige Bewegung wäre es, sich nach vorne zu lehnen, aber das wäre wahrscheinlich auf Dauer rückenschädigend oder so. Jetzt habt ihr einen guten Blick auf die Umgebung. Hier steuert ihr vollständig über das Pad. Das ihr immer in der Hand haltet. Relativ normale Bewegungen mit Twin-Stick-Steuerung, die Trigger für die Waffen. Das, was man kennt und es fühlt sich von der Bewegung und dem Waffenfeedback - große Boxen rulen! - sehr machtvoll und massiv an. Ein schwerer Mech-Panzer, der vielleicht schon bessere Tage sah, aber immer noch weiß, wie man dem Feind am Brückenkopf auf Touren hält.

Wenn denn die ständigen Wechsel zwischen Pad und Kinect nicht wären. Um sich einen Überblick außerhalb zu schaffen, steht ihr auf. Und nutzt dann wieder das Pad, um den Sichtwinkel zu drehen. Inkonsequent. Wieder hinsetzen, zurück in den Panzer, das Panel mit den Kartendaten vorziehen. Bewegung nicht registriert. Oder doch, aber nicht ganz richtig. Also Fehlinterpretation. Kann bei so viel Krams auf so engem Raum schon mal vorkommen. Die Sichten durchgeschaltet, Feind entdeckt, Panel per Handbewegung geparkt, nach vorn gezogen (sprich seltsame Greifbewegung veranstaltet), losmarschieren. Feindtreffer, direkt in das kleine Fenster, dessen Panzerscheibe zerplatzt. Schnell die Panzerplatte davor gezogen, bevor noch ein Schuss kommt... NEIN, ... noch eins, nicht dieses Panel, die Panzerung will ich greifen! Okay, geht doch, weiter im Text. Neuer Feindtreffer, Rauch im Innenraum, schnell die Entlüftung gezogen... Och komm schon, ich greif genau da hin!

Es ist nicht einmal so, dass das alles nicht richtig funktionieren würde. Führt ihr die Bewegungen sehr präzise und routiniert aus, dann klappt das alles auf Anhieb. Das zeigte eine Profi-Demonstration eindrücklich und das will ich dem Spiel in keiner Weise ankreiden. Es ist sogar erstaunlich, wie gut Kinect mit Übung selbst kleine Gesten in Richtung eines einzelnen virtuellen Knopfes registriert und das - Disziplin auf Seiten des Spielers vorausgesetzt - praktisch fehlerfrei.

Das ändert leider gar nichts an dem fehlenden Gefühl. Selbst wenn ich mir alle diese Gesten einpräge, sind es am Ende mal mehr, mal weniger komische Bewegungen, die eine halbschwangere Unglücksbeziehung mit dem Pad eingehen. Es sind wenig Gründe erkennbar - außer natürlich "weil es geht" -, warum nicht nur das Pad genutzt wurde oder mit ein wenig mehr Kreativität und Ambition seitens der Entwickler ausschließlich Kinect.

Und dann die Handlung. Prinzipiell mag ich sie. In 70 oder so Jahren hat ein seltsames Silizium-süchtiges Virus - oder so - alle komplexe Technologie unbrauchbar gemacht und man ist praktisch auf dem Stand des Zweiten Weltkrieges zurück. Nur mit Mechs halt, die aussehen, als wäre der Sherman aufgestanden, um sich mal zu strecken. Unterhaltsam ist auch wieder mal das von Japanern inszenierte, halbironische Hurra-USA-Szenario, in dem das Homeland von einer faschistoiden UNO-Weltregierung unterdrückt wird. Ich bin sehr gespannt, die Hintergründe dafür zu hören.

So niedlich das alles ist und so stimmig es vermittelt wird, harmoniert es kein Stück mit den Ideen zur Steuerung. Nehmen wir für eine Sekunde an, dass dies statt des klobigen, dreckigen, rumpelnden Panzers, der nach haptischer Grobimpression schreit, ein Anime-artiger Mech wäre. Einer, in dem der Pilot vor sich ein Holo-Cockpit sieht, in dem seine Hände eh nur Lichtflecke berühren und es auch vom Setting her kein taktiles Feedback geben würde. Kinect würde perfekt passen. Faust aufs Auge, hundertprozentig. Aber hier, in der fast - oder doch sprichwörtlich? - greifbaren Hitze des archaischen Panzers will man einfach richtig zupacken, an Instrumenten herumreißen, das Biest durch Kraft gefügig machen. Jeder Griff ins Leere ist unendlich unbefriedigend, selbst wenn er die gewünschte Wirkung hat.

Steel Battalion: Heavy Armor - Gameplay-Trailer

Und das ist so schade, denn das Spiel hinter der Steuerung macht einen großartigen Eindruck. 30 oder 35 Mitfahrer habt ihr im Pool, sie haben alle eine unterhaltsame, wenn auch auf den ersten Blick leicht angetackert wirkende Persönlichkeit, sie alle können sterben, wenn ihr es verbockt. Sowohl die Strand- und Stadterstürmung wie auch ein Wüsteneinsatz, der ausgesprochen stimmig mit halbverdurstender Crew startet - ihr dürft entscheiden, wem ihr das letzte Wasser gebt - spornen sofort den "Will ich spielen!"-Reflex an. Ich will die Optik nicht über den grünen Klee loben, aber ordentlich und szenariogerecht stimmig ist das alles. Auch die kurzen Kinect-Momente in den Zwischenszenen sind kleine Magie. In einer Cutscene einen zugeworfenen Apfel zu fangen, etwas aufzuheben; auf solche einfache Weisen ein wenig mit den NPCs zu interagieren und sie so vor den Kopf zu stoßen oder sich in so vielen kleinen Szenen beliebt zu machen, die alle ausgespielt werden - das ist schon wirklich cool. Bis man dann wieder in den Panzer muss und die Illusion durch Luftgegrapsche ruiniert wird.

Mit dem alten Controllermonster wollte man beim ersten Steel Batallion zeigen, was technisch geht. Und es war glorreich. Ich denke, dass hier ein ähnlicher Gedanke dahinter steckt. Wie weit kann man Kinect einbinden, wie kann man es mit dem Controller sinnvoll verheiraten? Die Antworten sind spannend, da mit Übung hier alles in dem virtuellen Cockpit bedienbar ist und sogar halbwegs schon nach einer kurzen Anspielrunde. Die Faszination lässt aber so schnell nach, wie sie kam. Hat man einen ersten Überblick, zeigt sich hier eine kritische Schwäche, nämlich die, dass man in einem röhrenden WWII-Mech richtig zugreifen möchte. Kein noch so präziser Griff in die Luft kann in diesem Setting den Steuerhebel ersetzen.

Trotzdem denke ich, dass ich am Ende hiermit Spaß haben werde. Man hat sich schon schlimmeren willentlichen Aussetzungen der Ungläubigkeit ausgeliefert und als eigenwillige Science-Fiction-Kampfsimulation scheint das Ganze zu rocken. Die vielen Crewmitglieder, das trashig-düstere Szenario, die reizvollen bisher gezeigten Missionen, hier passt eigentlich fast alles zusammen. Kommt schon, eine Special Edition mit Controller, 250 Euro auf den Tisch und die Legende lebt weiter. Kann doch nicht so schwer sein. Ich werde es kaufen. Kristian auch. Reicht doch schon fast, um die Ausgabe zu rechtfertigen.

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