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Castlevania: Bloodstained Ritual of the Night - Test: Denn so sollte es eigentlich heißen

Machen wir uns nichts vor. Das Spiel tut es auch nicht.

Eurogamer.de - Herausragend Badge
Bloodstained: Ritual of the Night ist die ideale Fortsetzung des Klassikers Castlevania: Symphony of the Night und damit ausgezeichnet.

Wie könnte es anders anfangen als mit: Warum, Konami? Da hat man einige der wichtigsten historischen Markennamen neben Zelda, Mario und Sonic im Programm - im Gegensatz zu Taito, die sich mit Auffrischungen obskurer 16-Bit-Ninja-Games begnügen müssen -, und nicht nur ist man zu faul, etwas draus machen, man guckt zu, wie andere die Fortsetzungen hinlegen, die alle haben wollen. Man selbst setzt bei Contra auf Gott weiß welche Überlegungen, während eine Reihe von Indies sich um auf der E3 darum balgen, wer das beste Contra im Geiste hinlegen wird. Und Castlevania? Nun, man müsste eigentlich nur eine Änderung vornehmen, damit aus Bloodstained ein echtes Castlevania wird und die habe ich in der Überschrift einfach mal schnell umgesetzt. Denn wer auch nur ein, zwei Stunden in Bloodstained drin ist, für den ist klar: Das hier ist das neue Castlevania.

Es grenzt nicht einmal an Dreistigkeit, mit der Igarashi gearbeitet hat, es lässt diese Einstufung lange hinter sich und wenn er nicht der Erfinder der zweiten Phase von Castlevania gewesen wäre, müsste man eigentlich "Plagiat" sagen. So jedoch ... Er hat halt die Fortsetzung gemacht, die ihm scheinbar jahrzehntelang verwehrt wurde. Abgesehen von dem eher untypischen Intro auf dem Schiff, das sich später aber nahtlos als Teil der Landschaft einfügt, habt ihr genau den Aufbau, den es immer gab: Das Dorf, gefolgt von einem kurzen Weg und dann das gewaltige Schloss. Damit ist Bloodstained sogar näher an Classic-Castlevania als Symphony oft he Night, das den Weg etwas abkürzte. Das ist aber nur der Anfang. Zahlreiche Areale, Musikstücke und vor allem Gegner referenzieren nicht nur dezent in Richtung der großen Serie, man muss wirklich um Bloodstained fürchten, dass da einer übermotivierten Rechtsabteilung in Tokyos Akasaka-Bezirk nicht doch noch was auffällt.

Was einem als Spieler auffällt, ist, wie gut sich die alte Formel, die damals das heute so populäre Genre der Metroidvanias praktisch erfand, nicht nur gehalten hat, sondern wie gut es sich gegen die nun reichhaltig vorhandene Konkurrenz schlägt. Nicht, dass es sie verleugnen würde, ganz im Gegenteil. Im Kellergeschoss buddelt ein mit Schippe bewehrter blau gerüsteter Ritter euch den Dreck um die Ohren. Man nimmt zur Kenntnis, dass man nicht mehr allein in der Welt steht und setzt also einen drauf. Größer, verschachtelter, aber gleichzeitig so nah an Symphony, dass es immer wieder unheimlich ist.

Der generelle Aufbau aus Teleporter-Räumen, Heilungs- und Speicherräumen, das Freischalten neuer Wege durch neue Items und Kräfte sowieso, aber auch die Reihenfolge, in der ihr sie bekommt, scheint sehr vertraut. Die Karte, die das Konzept von "mehr als 100 Prozent ist unmöglich" nicht verstanden hat. Der erste Familiar ist die Fee, der grafische Effekt des Levelaufstiegs, zahlreiche Gegner wie die Bücher, die beim Zerfallen ihre magischen Runen abwerfen, oder die von magischer Hand geführten Schwerter. All das sind keine Referenzen an einen alten Titel, das sind himmelhohe Leuchtreklametafeln in diese Richtung. Es gibt zig legitime Fortsetzungen, die deutlich weiter vom Ausgangsmaterial entfernt sind.

Und warum nicht. Ich spielte Symphony das letzte Mal vor zwei, drei Jahren durch und stellte da zu meinem Erstaunen fest, dass es sich gegen die modernere Konkurrenz nicht alt anfühlt. Und damit hat Bloodstained eine perfekte Ausgangsbasis, wenn es denn das Spielgefühl erreichen kann. Symphony glänzte mit sehr natürlichen, fließenden Bewegungsabläufen, die dafür sorgten, dass man Elegant aus Bewegungen in Angriffe und Verwandlungen überging und ein Fluss entstand, dem man sich kaum entziehen konnte.

Wenn Bloodstained das auch hinbekommt, dann hat es schon fast gewonnen. Nun ... fast. Nah genug dran. Aber eben nicht ganz. Und das könnte mit dem wohl auf den ersten Blick wichtigsten Wechsel zu tun haben, dem hin zu 3D-Modellen. Die eigene Laufbewegung leidet ein wenig unter dem - zumindest fiel es mir hier häufiger auf als anderswo - Anime-Phänomen, dass die Figur in der Animation schneller zu laufen scheint als sie es wirklich tut. Das Bewegungstempo im Spiel ist okay, es dürfte sogar ziemlich ähnlich dem aus Symphony sein. Aber durch die optische Illusion, dass die Figur eigentlich schneller sein sollte, entsteht ein leichtes Gefühl der Trägheit. Es fällt besonders dann auf, wenn man hier und da mal etwa orientierungslos durch das gewaltige Schloss streift, weil man nicht genau aufgepasst hat, wo denn ein Raum sein könnte, in dem man eine eben frisch erhaltene Fertigkeit ausprobieren kann. Es ist nicht schlimm, es stört nicht wirklich, es ist ein sehr subjektives Gefühl. Und es ist die einzige Stelle, an der ich das 3D als echten Nachteil empfinde.

Ansonsten ist die Grafik sicher nicht aktueller State of the Art, aber das heißt nicht, dass das Spiel hässlich wäre. Es gibt Szenen wie das überqueren der Brücke vom Dorf zum Schloss, die als Standbild im Jahr 2019 absurd wirken, aber wenn die Perspektive sich langsam beim laufen dreht, das Schloss im Hintergrund mit, entsteht eine interessante und atmosphärisch stimmige Tiefenillusion. An anderer Stelle brechen ein paar große Bleiglasfenster auf, setzten sich zu einer Art bunten Glas-Krabbe zusammen und benehmen sich wie Contra-Boss mit Rachegelüsten. Der Effekt ist schön designt und visuell sehr effektiv, selbst wenn er im Zeitalter von Uncharted 4 kaum als beeindruckend gelten dürfte.

Das Design ist in sich stimmig, das 3D unterstützt es hier und da sehr gelungen, an anderen Stellen kommt man nicht umhin sich zu fragen, ob das mit 2D nicht sehr viel besser gewirkt hätte, aber das Gesamtbild zeigt genau das, was es sein soll: Die Castlevania-typische Goth-Mittelalter-Mixtur, die die Serie so lange gepflegt hatte. Und es funktioniert heute so gut wie vor über 20 Jahren.

Die spielerischen Neuerungen sind durchaus vorhanden. Erst einmal gibt es deutlich mehr NPCs, die nicht nur legendäre Sätze sagen - eigentlich gar keinen einzigen dieser Sorte, mehr zur Story aber später in Ruhe - und sonst nicht viel zu tun haben, sondern wirklich hilfreiche Gesellen. Diese verkaufen euch Items und ein paar Waffen, ein Bibliothekar leiht euch Bücher für Perks, ein untoter Frisör stylt eure Heldin frisch auf. Und dann gibt es natürlich den Alchimisten für das Crafting, denn wie könnte ein Spiel heutzutage kein Crafting haben? Zum Glück hält sich der Nervfaktor in Grenzen, denn das allermeiste wird nebenbei aufgelesen und wenn ihr mal zufällig wieder im Ort seid, dann craftet ihr halt was.

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Das relevante Crafting ist sowieso das, was sich um das Level-System dreht. Ihr selbst als Miriam habt auch Level und die üblichen RPG-Werte. Noch wichtiger aber sind Dutzende Fertigkeiten, Boni, Familiar-Wesen und mehr, das ihr von den Feinden einsammelt. Jeder Feind hat eine solche Fertigkeit. Manchmal sammelt ihr sie beim ersten Gegner seiner Art ein, manchmal müsst ihr erst fünf zur Strecke bringen, es ist zufällig. Dann jedoch bekommt ihr einen neuen Fernkampfangriff, einen passiven Boost oder - in der Regel bei den Bossen - etwas, das euch im Spiel weiterbringt. Es gibt fünf Kategorien, die unterschiedlich gut mit Waffen-Loadouts harmonieren, je nachdem, ob ihr mehr auf Nah-, Fern- oder Magie-Kampf aus seid. Und jede einzelne dieser Fertigkeiten lässt sich dann auch noch leveln und so euren Stil weiter ausfeilen.

Ihr könnt dank komplett zu definierender Loadouts auch vier verschiedene Stile zusammenbasteln und auf Schnelltasten legen, etwas das ihr auf den höheren Schwierigkeitsgraden auf jeden Fall zu Herzen nehmen müsst. Auf dem einfachen ist es nicht unbedingt nötig, selbst die Endgegner lassen sich mit ein paar Heiltränken extra im Gepäck ohne Strategie per "Brute-Force"-Angriff überwinden. Wie gesagt, auf einfach und so sollten alle, die ein wenig mehr von Bloodstained haben wollen, besser direkt auf dem zweiten starten. Dann wird euch das Spiel etwa 20 Stunden bis zum guten Ende beschäftigen - das schlechte könnt ihr in der Hälfte der Zeit sehen.

Der Kampf ist damit ein deutlicher Sprung im Vergleich zum Vorgänger, ohne jedoch das Spielgefühl so sehr zu verändern, dass es nicht sofort wiedererkennbar wäre. Für eine Fortsetzung - und ja, ich werde Bloodstained bis an das Ende meiner Tage als eine solche bezeichnen - ist das kein kleines Kunststück. Auch der Grad an Rätseln ging ein klein wenig nach oben und wie im Original, wo man schon genau wissen musste, wie man das Schloss flippt, gibt es auch hier eine Passage, die in heutiger Zeit eher ungewöhnlich scheint, braucht man doch ein Stündchen, um auf die leicht Sierra-eske Lösung zu kommen. Das ist nur halb als Kompliment gemeint, aber zumindest passt es perfekt zu dem, was das Spiel sein will. Um euch nach dem Ende am Laufen zu halten wird einiges geboten: New Game +, Bossrush, Cheats, noch ein Schwierigkeitsgrad oben drauf und neue Charaktere kommen dann als DLC. Aber auch ohne sie, seine 40 Euro arbeitet das Spiel, so wie es ist, locker ab.

Bis hierhin ist es alles, was ich mir von einer Fortsetzung eines meiner Top-10-Ever-Spiele - zwei davon sind Castlevanias - nur wünschen kann. Ganz unten auf der Liste stand dann noch, dass die Story so schön simpel und nebensächlich bleibt wie in Symphony. Den Gefallen tut mir Bloodstained leider nicht. Nicht, dass die Story nicht so primitiv wäre, wie ich sie haben will, es gibt nur keinen Grund, dass häufiger die NPCs so viel zu sagen haben. Aber mehr Gameplay ist immer nur einen Skip-Tastendruck entfernt, insoweit kann ich da leicht drüber hinwegsehen. Und ja, ich hätte gerne eine Zeile von der Güte von "What is a man ..." gehabt. Aber dafür ist diese Produktion zu professionell.

Überhaupt halten sich Bugs und Rausreißer in Grenzen. Es gibt ein paar Stellen, die plötzlich mit einem Slowdown zu kämpfen haben, was der nächste Patch dann gern adressieren darf. Sonst schwebte einmal der Mond auf der falschen Parallax-Ebene und einmal wurde das Bild eines NPCs im Gespräch nicht angezeigt. Für ein Kickstarter ganz okay würde ich sagen, da hatten wir schon ganz andere Kandidaten. ABER: Wer zu den glücklichen frühen Spielern jetzt gehört und dann den Patch 1.02 laden - das Äquivalent des Day-1-Patch - müssen das Spiel noch einmal von vorn beginnen. Es gibt ein essentielles Item, das in einer Kiste sein sollte, aber nicht ist, weil das Spiel denkt ihr habt es schon. Wenn die Switch-Version kommt, gilt das Gleiche: Erst den Patch laden oder nie den Patch laden. Ich hatte das Glück, dass ich während des Tests keine Updates zog, sondern erst im Anschluss noch einmal, hätte ich es währenddessen gemacht, wäre auch bei mir ein Neustart fällig gewesen. Mehr dazu hier in der News zu dem Bloodstained-1.02-Bug.

Und zum Schluss der einzige harte Schlag: Die Musik ist kein zweites Symphony of the Night. Der Stil ist der gleiche, er ist klar erkennbar, Anleihen sind nicht zu überhören, aber bestenfalls ist es eben nicht schlechter als das Original, ohne ihm je etwas hinzufügen zu können. Sicher, Perfektion zu übertrumpfen ist fast unmöglich, aber Symphony hat damals neu definiert, wie Castlevania klingt und ein paar eigene Ideen in diese Richtung hätten Bloodstained auch gutgetan. Im Gegensatz zum Rest ist dieser Punkt ein erfolgreiches und professionelles Anbiedern, mit dem es sich gut leben lässt, aber ewige Klassiker sucht ihr hier vergeblich.

Castlevania: Symphony of the Night ist ein - aus meiner Sicht - fast perfektes Spiel, bis heute. Es hat ein Genre begründet, spielt sich bis heute tadellos und sieht sogar noch nach was aus. Diese Qualität mit ein paar Jahren Verspätung erneut erreichen zu können, an einzelnen Systemen ein wenig zu feilen, aber nie den Kern aus den Augen zu verlieren. Eine echte Fortsetzung im spielerischen Sinne - und eigentlich irgendwie auch im inhaltlichen - auf die Beine zu stellen, die das Original erfolgreich verfeinert ... Danke an alle, die auf Kickstarter mitgemacht haben!

Bloodstained ist das Spiel, das Konami vor Jahren hätte in Angriff nehmen sollen, das Spiel, das weit mehr den Namen Castlevania verdient hätte als so vieles, was seinem legendären Vorgänger folgen sollte, der König des Metroidvania ist zurück. Ist es besser als die Granden der jungen Wilden des Metroidvania? Besser als Hollow Knight und all die anderen? Vielleicht, für mich ja, aber nicht unbedingt. Aber es ist auch auf keinen Fall schlechter als sie. So wie sie den Kern der Formel sehr treu adaptierten und das Drumherum für sich interpretierten, ist Bloodstained natürlich viel näher an dem Ursprung dran, ohne jedoch zu vergessen, dass es sich auch ein wenig entwickeln muss, um nicht nur "Symphony noch einmal" zu sein. "Castlevania:" Bloodstained ist alles, was sich ein solches Ausnahmespiel als Fortsetzung wünschen kann und wird damit selbst ein Ausnahmespiel.

Und bevor sich jetzt unten jemand die Mühe macht zu schreiben "Das liest sich aber nicht herausragend", ein paar Dinge: Ich kann euch jedes Spiel so zerpflücken, selbst Portal 2, das perfekte Spiel. Ist mein Job euch auch auf die irrelevanten Kleinigkeiten hinzuweisen. Und zum anderen habe ich mich nach ein paar der besch... Monate meines Lebens gefragt, ob ich mich noch für ein Spiel wirklich begeistern kann. Bloodstained hat mir gezeigt, dass es wohl noch geht. (Und als Teaser: Ich bin gerade ziemlich begeistert, was Mario Maker 2 angeht.)


Entwickler/Publisher: Art Play/505 Games- Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Nintendo Switch (Switch ab 27.6.)- Preis: ca. 40 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: PC


PC-Spiele testen wir auf Lenovo Legion PCs und Laptops, die uns von Lenovo zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurden. Hier erfahrt ihr mehr über Gaming-Laptops 2019 im Allgemeinen und hier geht es zur Website von Lenovo Legion Gaming.

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