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Fishing for Cthulhu: Dredge ist eines der besten Lovecraft-inspirierten Spiele überhaupt…

… auch wenn es ein wenig zu sehr auf Upgrades schielt

"Ich mach' sofort aus!", sagte ich gestern zu meiner Frau, die sich mit dem Redebedarf eines langen Tages zu mir auf die Couch setzte. Ohne vom Steam Deck aufzuschauen. Schließlich kurbelte ich gerade die letzten Planken vom Meeresgrund hoch, die ich brauchte, um meiner schon reichlich angeschlagenen Fischer-Nussschale ein Frachtraum-Upgrade zu verpassen. Aus dem “sofort” wurden, wie ich hinterher bemerkte, wortlose dreizehn Minuten, in denen das ungesehene Grauen in den Tiefen dieses kränkelnden Stückchen Meeres vermutlich nicht ganz so gruselig war, wie der Blick meiner besseren Hälfte. Zum Glück habe ich ihn nicht sehen müssen, denn ich klebte ja mit der Nase am Display.

Hoch schaute ich erst wieder, als sie mich bat, ihr ihr Smartphone zu geben, das neben mir am Netzteil hing. In dem Moment, als ich den Stecker mit einer Hand aus dem Handy zog, kam es: Ein gigantisches Fischding aus dem bis zum Rand mit brackigem Salzwasser gefüllten Schlund der Erde, das meinen Kahn restlos verschlang.

Sieht eigentlich ganz easy aus, auch wenn die Krähen es auf meinen Fang abgesehen haben. Aber wartet erst mal ab, wie schwitzig die Finger nachts und im Nebel werden, wenn Riffe wie aus dem Nichts vor euch auftauchen können - und jeder Schaden den Verlust von Fracht oder kostspielige Reparaturen nach sich zieht.

Zwei Dinge sollte ich dazu klarstellen: Erst einmal reden meine Frau und ich trotzdem immer noch miteinander, denn dass mich ein Spiel so wegbeamt, dass ich kaum ansprechbar bin, kommt nicht häufig vor. Und zweitens (und vielleicht dezent wichtiger für diesen Artikel): Dredge ist eigentlich kein Spiel, in dem man häufig stirbt. Es ist ein als einfache Fischerei-Simulation getarntes Cthulhu-Adventure, das in erster Linie auf Erkundung ausgerichtet ist – und auf die Upgrade-Spirale, die dafür sorgt, dass sich die Reichweite eurer Ausflüge immer weiter erhöht.

Und – wenn ihr gestattet – vielleicht doch noch drittens: Das hier ist nicht die erste Runde, die ich mit dem Spiel drehe. Denn an einem viel zu langen Abend kurz vor Launch hatte ich Dredge schon einmal begonnen, nur um unmittelbar davon abprallen, dass die eigentliche Fischerei sich auf arg simple Minispiele reduzierte. Im zweiten Anlauf machte es aber heftig klick. Wie sich herausstellt, passt die quasi idiotensichere Angelei perfekt ins Konzept und fügt sich gnadenlos gut in eine irrsinnig motivierende Upgrade-Spirale ein.

So viel es geht in den Frachtraum bekommen - das ist einer der zentralen Gedanken, der euch umtreibt. Wenn ihr denn mal einen klaren fassen könnt.

Eigentlich sind wir nämlich nicht zum Fischen hier, wir sind Gefangene dieser Inselgruppe, auf der unheimliche Dinge geschehen. Das geht harmlos los – Lichter am Horizont, die nicht da sein sollten? Riffe und Inseln, die man sich vielleicht (?) nur eingebildet hat, ein deformierter Fang – und wird dann immer unheimlicher, eben wie ein gigantischer Leviathan, der, wohl als Verlängerung der Gattinnenwut, Kleinholz aus meinem Boot macht. Ihr findet Wracks, erst eines, dann viele. Verdächtig viele. VIEL ZU VIELE. Gewaltige Zähne, die in einem Felsen stecken. Und Nachts wird der Nebel so dicht, dass man noch ganz andere Dinge zu sehen glaubt, bis ein leiser Wahnsinn in euch hochsteigt und die Sicht allmählich verschwimmt.

Wie so viele Erkundungsspiele spielt Logistik eine große Rolle. Die beginnt bei einem geregelten Tagesablauf, denn die Nacht ist nicht nur gefährlicher, sie drückt, wie angedeutet, auch auf euren Verstand, und endet nicht beim Inventar-Tetris der unterschiedlichen Spezies aquatischer Lebensformen, die an eurem Haken enden. Ihr plant eure Tagesroute auf der offenen Karte etwa entlang entdeckter Materialien, die ihr bergen wollt, setzt einen Zwischenstopp beim Thunfischgrund, um auf dem Scheitelpunkt eurer Reise auf einer entlegenen Insel Holz abzuladen, um das euch ein Bewohner gebeten hatte, der es in Greater Marrow nicht mehr aushält. Schließlich werden dessen Bewohner langsam aber sicher ein wenig zu seltsam.

Es geht eigentlich ganz freundlich los...

Vor allem habt ihr stets ein Auge darauf, euren Fang möglichst frisch abzuliefern, immerhin braucht ihr Geld für Upgrades und kommt so nach und nach auf atmosphärischste Art und Weise einem fürchterlichen Geheimnis auf die Spur. Wollte man meckern, könnte man dem Spiel attestieren, dass die Sammelsucht und der Wille zum Upgrade ein wenig von der Erzählung und dem Kern des Entdeckens ablenken und man hätte recht damit. Aber ich hatte so viel Spaß dabei, dass ich das Dredge nicht wirklich ankreiden wollen würde. Ein feines, kleines Spiel, das auch auf dem Steam-Deck beneidenswert gut aufgehoben ist.

Fangt vielleicht nur keine Session an, wenn gerade jemand etwas von euch will. Das geht nicht gut aus.

In diesem artikel

Dredge

PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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