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Netflix’ Resident Evil-Serie ist richtig schlecht – aber nicht, weil sie "Woke" wäre

Das unverfilmbare Videospiel.

Puh, 2022 auf Twitter oder in Metacritic-Nutzerwertungen zu schauen, wann immer ein Film oder eine Serie die Ethnie oder das Geschlecht eines bekannten Charakters ändert, ist ein gutes Rezept, ein paar Jahre von seinem persönlichen Lebenszeitkonto zu rasieren. Wenn ich noch einmal was von "Woke-Agenda" lese, nur weil ein paar ahnungslose Showrunner ihr Glück nicht fassen konnten, dass ein Schauspieler vom Kaliber eines Lance Reddick "Ja" zur Rolle des Albert Wesker sagen würde, muss ich langsam mal meinen neuesten Fausttanz aufführen.

Ja, auch mich stört das Casting von Wesker, aber nur, weil die Spiele ihn nicht zufällig nah am Ideal der Nazis vom Übermenschen positionierten. Und selbst, wenn man ihn schwarz besetzen wollen würde, ist Reddick einfach nicht der Typ, der mit Overacting und Schnurrbartzwirbeln einen übertriebenen Bösewicht gibt. Jemand wie Jeffrey Wright wäre dann eine bessere Wahl gewesen. Zum Glück (oder Pech!) versucht das Drehbuch lange Zeit gar nicht, ihn so darzustellen. Er ist plötzlich ein vielschichtiger Charakter, mit einigen moralischen Grauzonen, der sich einen Rest Vorsicht im Hinblick auf die Bioexperimente Umbrellas bewahrt hat.

Weder Fisch noch Fleisch

Die Serie erklärt das mit einem viel zu späten Twist, der einen zu lange zappeln lässt, warum der Gute so anders ist – und warum er nach seinem Bad im Vulkan überhaupt noch lebt. Das ist auch der Moment, ab dem Reddick einiges probieren darf. Mehr als in vielen anderen Shows und Filmen. Aber so ganz funktioniert dieser Poker einfach nicht. Stattdessen verursacht er gut sechs Folgen lang Schwierigkeiten, die Sendung mit dem Kanon der Spiele in Einklang zu bringen. Wenn dieser Kanon der Grund ist, warum man überhaupt einschalten sollte, ist das ein Problem.

Aber Show und Spiel miteinander zu vereinbaren, ist ohnehin zum Scheitern verurteilt, denn so viel ist klar: Die Autoren wollen das Material zu weiten Teilen erden, auch emotional etwas rausholen – womit sie endgültig beweisen, dass sie Resident Evil nicht verstanden haben. Tonal ist das hier die erste Hälfte hindurch komplett anders als die Spiele.

Gleichzeitig muss ich sagen: Die Serie ist an sich konzeptionell nicht einmal langweilig. Ansatzweise funktioniert, was mit den Figuren passiert. Vor allem, weil die Show ein wenig die Geschwisterentfremdung der ungefähr 56-Mal besseren Show Arcane widerspiegelt. Vor allem die Jungdarsteller, die die Protagonisten in der 2022er-Zeitlinie geben, machen ihre Sache solide, sodass man immer wieder vergisst, dass man angeblich eine Resident-Evil-Serie schaut und keinen mittelmäßig interessanten Hybriden aus Coming-of-Age und Horror. Auch das kann nicht das Ziel einer Show mit diesem Namen sein.

Könnte man gucken, wenn's nicht Resident Evil wäre

Resultat: Die meiste Zeit bleibt man als Kenner der Games erst mal dabei, um herauszufinden, wann und wo abseits des Namedroppings der Resident-Evil-Faktor ins Spiel kommt. Wann immer es dann um die fiese Umbrella-Seite geht oder das Geschehen in die Postapokalypse von 2036 wechselt, wird es dann leider endgültig billig. Es ist ohnehin schon schwierig, im Jahr drei der Corona-Pandemie eine Show über eine geradezu lächerlich rücksichtslose Pharma-Firma mit bestochenen Gesundheitsbehörden zu drehen – gehört vermutlich genauso zur "Woke Agenda", wie die primäre Antagonistin homosexuell zu machen, schätze ich? –, aber hier ist es besonders einfältig und doof gemacht. Paul W.S. Andersons Filme waren da konsequenter, signalisierten von Anfang an, dass man nur ein bisschen schlampigen Spaß dabei haben wollte, im Trash der Spiele zu wühlen.

Der Rest ist Monsterfilm-Beliebigkeit von Filmemachern, die offenbar ebenso Zombie-müde sind, wie große Teile des Publikums mittlerweile. Natürlich mit viel digital hinzugefügtem Feuer und Blut, mittelprächtigem Make-up und Matte-Paintings, die scheinbar aus Kindergartenprojekten entstanden sind. Die Show hat insgesamt einen ziemlich billigen Look und der Plan des "Big-Bad" der hinteren Hälfte soll charaktermotiviert rüberkommen, wirkt aber wie ein schlechter Witz.

Ich bin nicht erst seit gestern der Auffassung, dass ein Spiel wie Resident Evil so gut wie unverfilmbar ist. Wenn Filme eine Sprache sind, sind Videospiele – diese insbesondere – ein Dialekt, für deren Wendungen es im Filmischen keine grammatikalischen Entsprechungen gibt. Ich kann die alten Jovovich-Filme noch so lange dafür loben, dass sie die Elemente der Spiele klar wiedererkennbar zu einer eigenen Collage arrangierten. Aber selbst das gewährleistete ja keine guten Filme.

Auf der anderen Seite: Schön und gut, Netflix hat versucht, mal etwas Anderes mit dem Stoff anzustellen. Aber bei solchen Marken schwingt auch immer eine gewisse Verpflichtung mit – und dass dieser sparsame und verwirrt wirkende Halb-halb-Ansatz niemandem gefallen würde, war irgendwie klar. Freuen wir uns also darauf, dass die kommenden Spiele diese Serie geflissentlich ignorieren. Am besten, ihr tut das auch. Und fangt mit den User-Wertungen auf Metacritic an!

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