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Ostwärts von Silent Hill: Indika lässt euch als russische Nonne mit dem Teufel sprechen

Arthouse-Horror aus dem kasachischen Exil.

Odd Meter Games ist ein kleines Indie-Studio, das aktuell in Almaty, Kasachstan, firmiert. Das war nicht immer so. Die Entwickler sind Russen und verließen ihr Land im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Sie verurteilen den Krieg und befassen sich in ihrem Spiel, Indika, mit der russisch-orthodoxen Kirche einer alternativen Zeitlinie.

Kritik oder Verballhornung der Kirche sind in Russland mittlerweile verboten, spielt sie doch eine grundlegende Rolle im Propaganda-Apparat. Der polnische Publisher 11bit (Frostpunk, This war of mine) nahm die Entwickler daher unter seine Fittiche und half, “alle formellen und geschäftlichen Beziehungen” zum Heimatland zu kappen. Wie politisch dieses im Exil entwickelte Spiel selbst sein will, darüber erfährt man nach dem Durchspielen der umfassenden Indika-Demo auf Steam wenig. Sicher kann man sich nur sein, dass man eines der originelleren Spiele der letzten Jahre gesehen hat.

Hölle ist ein Zustand

Indika ist eine sehr kunstvolle Vermengung aus Arthouse-Horror, wie ihn die Produktionsfirma A24 sonst in die Kinos trägt und der dann It Follows oder Midsommar heißt, und wilden Design-Einfällen, wie sie so oft aus Osteuropa kommen. Es stecken schon in der knappen Stunde, die die Demo dauert, mehr künstlerische Fingerfertigkeit und zielsichere Ästhetik als in den meisten anderen Spielen, die sonst von Klein-Teams (und auch von größeren) entwickelt werden.

Das Spiel suhlt sich im Bruch, den es erzeugt, wenn die junge Nonne plötzlich am Publikum vorbei mit einem teuflischen Erzähler spricht, wenn sich pixelige Videospielsymbole und ein rudimentärer High-Score über eine entrückte, aber doch deprimierend lebensnahe Prä-sowjetische Wintertrostlosigkeit legen. Die Wahl einiger Kameraeinstellungen ist wahrhaft bestechend.

Die Stimmung ist durchweg befremdlich, unwirklich, verstörend. Das beginnt mit Indikas Begleitung, einem Gefängnisausbrecher namens Ilya, der sie zuvor als Geisel genommen hatte, und dessen vor Wundbrand stinkender Arm zum Glück nur am Anfang kurz gezeigt wird. Er ist sich ohnehin sicher, nicht sterben zu können, ist er doch von Gott auserwählt, so sagt er. Sobald man sich einmal ein paar Meter wundert, dass das hier spielerisch überraschend konventionell, zugleich aber ziemlich fluffig und kompetent daherkommt – Leitern umstellen, Aufzüge rauf und runter fahren lassen, hübsch analoge Wippenrätsel – springt einen auch schon ein blutrünstiger Hund von der Größe eine Kuh an, den Indika als “braves Hündchen” zu besänftigen versucht. Ein Monster für uns “Normale”, für Indika und Ilya zwar bedrohlich, aber sonst nicht weiter seltsam? Die Protagonisten und wir bewegen uns sichtlich auf anderen Wahrnehmungsebenen, und die Entwickler spielen effektvoll damit.

Die Indika-Demo in Bildern

Es gibt eine höllisch gute Fluchtsequenz, die ich zwar mehrmals spielen musste, bis ich sie gelöst hatte, die mir aber tierisch den Allerwertesten auf Grundeis gehen ließ. Und an ein, zwei Stellen, wird es auch für Indika komplett surreal, wenn sie ihren Verstand zu verlieren droht, unter dem andauernden Gezeter des Teufels “Chort”, was ihre Welt buchstäblich auseinanderreißt. Haltet die rechte Maustaste, um zu beten und den Korridor sich wie von Zauberhand wieder zu seiner normalen Version zusammenfügen zu sehen. So gekonnt wurde die Geschichte selten mit einem Spielmechanismus verknüpft – in diesem Fall zu einem Kletterpuzzle, bei dem man Plattformen durch den Wechsel zwischen Räson und Wahnsinn hin- und herschiebt. Sehr gelungen und optisch eindringlich.

Überhaupt stimmt das auch für den Rest des Spiels, denn nicht nur die Art Direction, sondern sogar die Technik überzeugt. Indikas Schleier weht physikalisch akkurat im Wind. Selbst, wenn sie nichts tut, ist ihr lebensnah eingefangenes Gesicht extrem ausdrucksstark und ihr restlicher körperlicher Habitus, vom Fingernägelkauen bis zum gesenkten Blick, spricht mehr als tausend Worte.

Indie in Gestaltung und Thema, spielerisch bodenständig - gute Mischung

Ich mag, dass die komplette Ausrichtung zwar extrem in Richtung Indie-Arthouse schielt, spielerisch aber alles eher auf vertrautem Action-Adventure Teppich bleibt. Gleichwohl lässt das Spiel eine gewisse Raffinesse durchblicken, die zeigt, dass hier nicht beliebig einfach Elemente aus anderen Third-Person-Titeln geliehen wurden. So wandert Indikas Hand etwa automatisch an den Griff eines Rollcontainers, den man verschieben kann, um ihn als Steighilfe zu benutzen, noch bevor ihr die Interaktionstaste drückt. Das sieht ziemlich elegant aus. Und auch ansonsten ist hier nichts steif oder unbeholfen.

Die Indika-Demo spielt sich gut – und endet dann auf einer Kamerafahrt, die mir lange im Gedächtnis bleiben wird. Ein spannender Titel, den ihr im Auge behalten solltet.

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