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The Lamplighters League im Test: Wenn XCOM auf Indiana Jones trifft, möchte ich wieder 14 sein

Liga der angriffslustigen Gentlemen.

Seichtes Stealth und vertraute Meta-Ebene treffen auf tonnenweise Charme und ein wundervoll dynamisches Kampfsystem mit viel Zug nach vorne. Schade, dass die Technik noch nicht rund läuft.

Das hier ist ein rundenbasiertes Taktikspiel, gottverdammt. XCOM mit Indiana-Jones-Hut, gewissermaßen. Eigentlich haben die Figuren, die Geschichte und die komplette Stimmung kein Recht, so gut zu sein, wie sie sind. Aber hier bin ich nun und spiele The Lamplighters League auch, weil ich die Figuren so sehr mag und diese Fantasie einer Liga außergewöhnlicher Gentlemen und -women auf glücksritterlicher Weltenrettermission so heimelig und doch anregend ist.

Ich lese sogar die in den Missionen verstreuten Lore-Einträge, was ich sonst nie mache. Und diese Musik: klassisches Abenteuermaterial direkt aus dem Kino, mal schummrig-mysteriös, mal maximal aufbrausend orchestriert. Ich stecke, trotz einiger Probleme, wirklich knietief drin in The Lamplighters League und komme so schnell nicht davon los.

Niemand würde um dieses Stealth-System ein komplettes Spiel herum designen. Als Mittel, die Ausgangssituation für einen Kampf mitzugestalten, ist es aber zweckdienlich. In einigen Missionen habe ich sogar Minibosse für ein 1-gegen-3 isolieren können.

Im Grunde ist das Spiel recht einfach gestrickt. Die XCOM-Taktikebene kennt das vertraute, einfache System zweier Aktionspunkte und halber sowie ganzer Deckung (für hier 30 respektive 60 Prozent geringere Chance, getroffen zu werden). Ähnlich wie in Miasma Chronicles oder Mutant Year Zero läuft das Spiel allerdings in Echtzeit, bis ein Kampf startet. Das war der Punkt, der mir eingangs Sorgen bereitete, denn mit diesen anderen beiden Spielen hatte ich trotz aller Sympathien leichte Probleme. Wann immer ich nicht kämpfte, fand ich sie ein wenig mühselig und bisweilen frustrierend.

Auch in Lamplighters League gibt es diese leichten Stealth- und Erkundungs-Elemente, solange ihr unentdeckt seid. Das Gute: jeder der in drei Klassen eingeteilten Abenteurer und Abenteurerinnen kann in diesem Echtzeit-Part eine spezielle Art von Takedown ausführen. So verbessert man seine Ausgangslage für den folgenden Kampf schon im Vorfeld ein wenig. Jeder dieser Stealth-Angriffe ist zu 100 Prozent zuverlässig und absolut tödlich – sofern es normales Fußvolk ist –, was ich für eine befriedigende Lösung halte, auch wenn sie arg mechanisch und nicht allzu flexibel ist. In Lamplighters League ist Stealth besser planbar und man kommt auch physisch gut vorwärts, in den übersichtlichen Levels mit klar gekennzeichneten Fundsachen.

Es wirken eine Menge Effekte auf eure Charaktere. Das Spiel könnte einen besseren Job machen, sie euch kenntlich zu machen.

So oder so: Dennoch stimmte mich das Binär aus Echtzeit und Rundentaktik auch hier zunächst skeptisch. Zumal die Zahl der Takedowns meiner drei Charaktere begrenzt ist. Was, wenn ich Ingrids Rammbock-Attacke, der drei Gegner auf einmal kaltstellt, später viel dringender brauche? Zum Glück sortierte das Spiel irgendwann mit der Ankunft von Feinden, die resistent diesen heimlichen Angriffen gegenüber waren, schön logisch für mich vor. Außerdem merkt man bald, dass die Takedowns nur das Zünglein an der Waage darstellen und keineswegs verpflichtend sind. Der eigentliche Kampf eröffnet euch so starke Synergieeffekte, dass ihr in jeder Runde mehrere Feinde auf einmal aus dem Kampf nehmt, wenn ihr alles richtig macht.

Das Spiel erleichtert euch das auf verschiedene Arten. Zum einen beendet ein Angriff nicht euren Zug: Ihr dürft alle Aktionspunkte eurer Leute in jeder beliebigen Reihenfolge verwenden. Auch wenn ich vorhin von drei Klassen sprach, ist im Grunde jeder einzelne von ihnen ist um eine andere Idee herum designt. Leisetreter Lateef erhält bei jeder Bewegung den stapelbaren Bonus “Ausweichen”, der dafür sorgt, dass der nächste Angriff ihn verfehlt. Je mehr Skillpunkte, von denen ihr mit jeder Mission eine frei verteilbare Menge erhaltet, ihr in ihn investiert, kommen weitere Gelegenheiten, bei denen er einen Ausweichen-Stack bekommt, hinzu. Steckt er eine kritischen Treffer ein, greift er aus einer Rauchwolke heraus an oder trifft er einen geblendeten Feind, gibt das je einen Stack hinzu.

Hübsch ist es, das muss man ihm lassen.

Der Gedanke ist, dass man Lateef so spielen kann, dass er kaum zu treffen ist. In Kombination mit seiner Fähigkeit “Ablenkung”, die die Aufmerksamkeit von Feinden in einem bestimmten Effektbereich auf ihn lenkt, eine wahnsinnig mächtige Waffe. Oder nehmt Ingrid: Die schwedische Femme Fatale gehört der Raubein-Klasse an und ist eine Nahkämpferin, die ihre in beschwerten Handschuhen gekleideten Fäuste schwingt. Jedes Mal, wenn sie einen Feind besiegt, bekommt sie einen ihrer beiden Aktionspunkte zurück, was an der Wurzel des Fertigkeitenbaums zweimal pro Runde passieren kann und in der Krone weitergeht, solange die Leute, die sie trifft, nur umfallen. Damit ist sie meine Abräumerin schlechthin. Ich muss die Opposition nur möglichst gleichmäßig für sie aufweichen.

Und das geht die komplette Figurenriege hindurch, die man nach und nach in Missionen rekrutiert, so weiter. Da wäre zum Beispiel der chinesische Schwertmeister-Pistolero Jianyi, dessen Ding ist, bis zu sechs Punkte Flow aufzubauen, die die Chance auf kritische Treffer um je 10 Prozent in die Höhe treiben – wobei tatsächliche Crits dann einen Aktionspunkt zurückgeben. Oder Revolverheld Eddie, der mit seinen beiden Ballermännern auf Mengenkontrolle ausgelegt ist und durch seinen Feuerschutz seine Nebenleute stärkt: Jede neue Figur hat auch abseits des aparten Charakterdesigns und der schnippischen Dialoge mehr beizutragen als eine weitere Waffe auf dem Schlachtfeld. Die Suche nach diesen Synergien und der optimalen Abfolge für Angriffe und Aktionen macht in Lamplighters League wahnsinnig viel Spaß.

In dieser Runde wird Ingrid möglicherweise drei bis vier Gegner abräumen. Das ist extrem befriedigend.

Ein Aspekt, der nicht komplett zur Reife geriet, ist die “Undrawn Hand”. Jeder Charakter kann anfangs eine, später drei dieser magischen Karten ausrüsten, die man in der Missionsnachbesprechung erhält. Die haben unterschiedliche Seltenheitsgrade und gewähren nicht nur empfindliche Boni auf alle möglichen Werte, sondern auch neue Fähigkeiten, etwa Element-basierte Gefahrenfelder zu platzieren. Sie sind eine schöne Möglichkeit, seine Figuren noch weiter zu spezialisieren und damit etwaige Synergieeffekte noch zu verstärken. Jianyi mehr Crit-Prozente oder Effekte zu geben, die beim Verteilen von kritischen Treffern passieren, ist zum Beispiel eine gute Idee.

Wie ihr seht, ist das System eigentlich ziemlich cool. Es ist nur extrem schade, dass man die Karten, die einem nach einer Mission zugelost werden, nicht mit ins Hauptquartier nehmen kann. Ihr rüstet sie entweder auf den Agenten aus, die den Auftrag bestritten haben oder ihr verwerft sie. Und weil ich mit der Kartenausstattung meiner liebsten Figuren irgendwann sehr zufrieden war, warf ich immer mehr Karten weg. Das hat sich für mich nicht einmal gut angefühlt. Oft bekam ich durchaus einige, die ich gut hätte gebrauchen können, um durch Stapeln eines identischen Exemplars ihren Level zu erhöhen. Allerdings auf einer anderen Figur als ich mit auf die Mission genommen habe.

Keine dieser Karten können meine Figuren gerade gebrauchen. Deshalb muss ich sie verwerfen. Schade.

Ich verstehe, dass die Spielenden damit zur Rotation der Charaktere angeregt werden sollen. Aber so, wie es hier gemacht ist, musste ich viel zu viele brauchbare Karten wegwerfen. Als Entschädigung erhält man dann immerhin Tinte, mit der man ebenfalls bestehende Karten hochleveln kann, aber es ist viel zu wenig, als dass es sich nicht nach Verschwendung anfühlte. Warum nicht auch die Figuren auf die Karten zugreifen lassen, die in der Basis geblieben sind? Die Undrawn Hand hätte ein tragendes Element dieses Spiels sein können. So ist es eine nette Ergänzung, die hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt.

Ach, und dann wäre da noch der Stress, der gewissermaßen eine umgedrehte Gesundheitsanzeige darstellt. Mit jedem Angriff erhaltet ihr einen Punkt Stress hinzu – eure Gegner aber auch. Ist die Stressleiste voll, erleidet ein Charakter einen Nervenzusammenbruch. Für eure Spielfiguren bedeutet das, dass sie einen ihrer beiden Aktionspunkte verlieren. Nach der Mission setzt es dann noch einen temporären Malus in Form einer Stress-Karte, die sich über eine eurer Karten der Undrawn Hand legt und diese mit einem eigenen, unangenehmen Effekt blockiert. Harebrained Schemes nutzt dieses System für eine nette Risiko-Nutzen-Abwägung, denn wenn ihr es ohne Stress-Break durch eine Mission schafft, werden alle Stresskarten entfernt.

Es macht eine Menge Spaß, die Spielweise der einzelnen Charaktere zu entdecken und nach Synergien zwischen Skills, Effekten und den einzelnen Figuren zu forschen.

Auf Gegnerseite gibt es neben Angriffen – egal, ob Treffer oder nicht – auch Verbrauchsgegenstände und Fähigkeiten, die die Stressleiste eurer Feinde in die Höhe treiben. Kommen sie an ihr Limit, könnt ihr sie erledigen, ohne einen Aktionspunkt dafür aufzuwenden. Das ist alles recht schlank und elegant gemacht und so stellt Lamplighters League mit einfachen Zutaten ein wunderbar verspieltes, dynamisches Kampfsystem auf die Beine, zumal es auch Flankierungsboni gibt und Extra-Chancen für Angriffe, die nicht von vorn erfolgen. Ihr dürft sogar bei jedem Nahkampfangriff auch die Position bestimmen, die ihr in Relation zum Gegner einnimmt.

Im Resultat lebt Lamplighters davon, dass ihr offensiv spielt und stets den Weg nach vorn sucht. Obwohl so gut wie jeder Charakter über eine Art von “Overwatch” verfügt, benutze ich diese Art der “Raumdeckung” hier so selten, wie in keinem anderen Spiel dieser Art. Erfrischend angriffslustig, diese Lamplighters!

Im Hauptquartier erfahrt ihr mehr über die Figuren und verteilt Skill-Punkte und Äther.

Zwischen den Missionen gibt sich Lamplighters League recht kurz angebunden: Ihr investiert den Pool an Skill-Punkten in die Fertigkeitenbäume eurer Leute oder investiert Äther in die Ausstattung eurer Verbündeten. Auch hier haben wir es im Grunde mit Skill-Trees zu tun, die sukzessive passive Fertigkeiten und neue Ausrüstung freischalten oder das Verhalten der Undrawn Hand beeinflussen. Außerdem heilt ihr eure Leute, sofern sie in der Mission zuvor einmal zu Boden gestreckt wurden, lauscht lebhaft geschriebenen Dialogen und plant nicht zuletzt auf der Weltkarte euer Vorgehen.

Maßgebend dafür sind in erster Linie gleich drei separat voneinander runter tickende Doomsday-Uhren, in Form des Machtzuwachses dreier Quasi-Illuminati-Familien, vom Faschisten über Okkultisten bis hin zum wahnsinnigen Steampunk-Technokraten wird hier jedes Pulp-Klischee ausgezeichnet bedient. Jede Mission beeinträchtigt ein anderes Haus und jede neue Bedrohungsstufe dieser Häuser beziehungsweise Fraktionen erschwert die kommenden Missionen gegen sie. Neben zahlreichen prozedural generierten Einsätzen gibt es natürlich auch gescriptete Story-Missionen sowie simple Besorgungsmissionen, für die ihr Einzelagenten abstellt und die in der nächsten Woche automatisch abgeschlossen sind.

Neue Bedrohungsstufen werden stimmungsvoll mit Texten und Filmsequenzen eingeführt.

Es ist der vertraute Rhythmus, das bekannte Abwägen zwischen den Dingen, die ihr gerne tun würdet, und denen, die ihr so langsam mal erledigen müsstet. Nie hat man genug Ressourcen und regelmäßig entscheidet ihr euch trotzdem für die Mission, die euren Gegnern zusetzt als für diejenige, die euch als Team weiterbringen würde, etwa, weil dort große Äthergewinne für euch einen Durchbruch bedeuten würden. Allzu viel Strategie steckt wohl nicht in diesem Ablauf, wohl aber eine Menge Kopfzerbrechen, welche Knappheit ihr euch als Nächstes antun wollt. Kein Geniestreich, aber für mich eine solide Art, diese Sorte Kampagne zu strukturieren.

Doch Lamplighters League hat auch einige klare Schwächen, die verhindern, dass es sich zum Klassiker aufschwingt. Zum einen wird der Ablauf einiger Missionen irgendwann etwas eintönig, vor allem, wenn ihr nicht mit verschiedenen Charakteren experimentiert. Zum anderen sind einige Missionsdesigns dezent unsinnig, was vielleicht der prozeduralen Natur einiger Umgebungen geschuldet ist. Da legt das Spiel schon mal optionale und verpflichtende Ziele in denselben Bereich der Map, deren einzelne Baustücke man bald zu gut kennt, oder baut Dinge zusammen, die spielerisch nicht wahnsinnig viel Spaß ergeben.

Für bestimmte Story-Missionen könnt ihr zusätzliche Vorarbeit leisten, um zu zu vereinfachen.

Auch die KI lässt hier und da zu wünschen übrig, lässt sich zu oft verladen oder ignoriert Umgebungsgefahren. Spielerisch machte mir bisweilen die Bedienung zu schaffen, der es schwer an Tooltips mangelt und die allgemein mehr Informationen an die Oberfläche spülen könnte. Und so mancher Effekt wird nur erklärt, wenn er aktiv ist. Schade auch, dass man während der laufenden Mission nicht einsehen kann, welche Karten der Undrawn Hand ausgerüstet sind. Ebenso ist die komplette Steuerung per Maus und Tastatur ein wenig steif geraten. Mit etwas Übung legt sich das jedoch.

Ferner lässt am PC die Performance selbst auf einem starken Rechner (i9 10850K mit Geforce RTX 3080) doch ziemlich zu wünschen übrig. Nutzt man den Recon-Modus, in dem man das Schlachtfeld und die Gegner untersucht, knickt die Bildrate weit unter die 60fps herunter, was in dieser stilisierten Optik eigentlich nicht der Fall sein sollte. Außerdem lädt das Spiel zwischen den Missionen recht lange.

Eure Verbündeten stellen Waffen, Ausrüstung und andere Dinge für euch her.

The Lamplighters Leage – Fazit

Dennoch: Ich habe eine Menge Spaß mit The Lamplighters League, was vor allem daran liegt, dass es seine Regeln um höchst individuelle Charaktere herum entwarf, die großen Raum für Synergieeffekte schaffen. Dabei entstehen maximal befriedigende Kampfszenarien, in denen man sich wirklich clever fühlt, wenn man mal wieder fünf, sechs Feinde in nur einer Runde außer Gefecht gesetzt hat. Auch hatte ich erstaunlich viel Freude daran, einzelne Gegner-Mobs so zu isolieren, dass nicht direkt das große Kampfgetöse unter Beteiligung der kompletten Map-Population losbrach. Das ist schon smart gemacht.

Am meisten aber hat mich überrascht, wie sehr mich der Charme von Lamplighters League gefangen nahm. Ich gebe zu, als ich den ersten Trailer sah, war ich kurz enttäuscht, von Harebrained Schemes kein zweites Battletech zu bekommen. Tatsächlich aber mag ich diesen waghalsigen Mix aus Abenteuer-Pulp und Taktik mit viel Zug nach vorn mittlerweile fast genauso gern wie die geniale Mech-Strategie. Eine schöne Überraschung, die hoffentlich auch im vollen Oktober noch die gebührende Aufmerksamkeit erhält.

The Lamplighters League
PROCONTRA
  • Flotte Rundentaktik mit motivierenden Skill-Synergien
  • Gut geschriebene Charaktere und tolle (englische) Sprachausgabe
  • Extrem charmanter Stil
  • Fantastischer Soundtrack
  • Taktik- und Strategieebene grundsolide verzahnt
  • Manche Missionen etwas gleichförmig
  • Kartensystem nicht komplett befriedigend
  • UI könnte eleganter und mit Tipps hilfreicher sein
  • Mäßige Performance und lange Ladezeiten auch auf starken PCs

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