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Alles Zynga oder was? - Was taugt Social Gaming von spielereischer Seite

Kann man als Spiele-Journalist über Social Games auf Facebook schreiben, ohne hinterher einen Exorzisten konsultieren zu müssen?

"Du schreibst über Computerspiele? Cool. Ich spiele auch sehr viel."

"Oh? Was genau? MMOs vielleicht? Echtzeitstrategie? Rennspiele? Shooter?"

"Nee. Candy Crush, Bubble Safari und The Sims Social. Und früher hab ich FarmVille gespielt. Hast du mal darüber was geschrieben?"

Nein, hab ich nicht. Wäre mir auch nicht im Traum eingefallen. Social Games? Pffft. Damit müllt man höchstens unbedarften Mitmenschen auf Facebook die Pinnwand zu, schlägt 'ne Mittagspause tot, serviert der Werbe-Industrie seine privaten Daten gratis auf dem Silbertablett und verjubelt im Zustand extremer geistiger Umnachtung ein paar Cent in irgendwelchen Cash-Shops für virtuelles Tierfutter. Solche Machwerke haben im seriösen Spiele-Journalismus nichts zu suchen, oder?

Tja, warum eigentlich nicht?

Im Grunde müssten wir deutschen Games-Schreiberlinge kollektiv auf die Knie sinken und Mark Zuckerberg und Steve Jobs Lobpreis singen. Ohne Facebook und den Smartphone-Boom würde ich noch immer jene Standard-Frage beantworten müssen, sobald jemand meinen Beruf erfährt: "Computerspiele? Kann man damit Geld verdienen?"

Ja kann man. Aus der Argwohn-Nische kam das Medium freilich trotzdem lange nicht heraus. Da konnten die Produktionskosten eines Spiele-Blockbusters locker das doppelte Budget eines Hollywood-Films verschlingen, eSport in anderen Ländern Superstars mit fünfstelligen Top-Gehältern hervorbringen und tausende Rentner in Wii Bowling mit ihren Enkeln um die Wette kegeln - erst seit jeder auf seinem Smartphone daddelt und Facebook eine Social-Games-Welle losgetreten hat, fühlt sich auch das brave Deutschland wie eine richtige Spieler-Nation.

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Manche Core-Gamer mag der Gedanke schütteln, aber sehen wir der Wahrheit ins Gesicht: Nicht jeder spielt Shooter, nicht jeder spielt RTS, nicht jeder spielt MMOs, aber unterm Strich spielen mehr Deutsche als je zuvor. Am PC, an der Konsole, am Handy, auf dem Tablet oder eben im Browser bei Facebook. Laut einer Meldung des Branchenverbands BITKOM von Anfang August spielen aktuell 24 Millionen Deutsche Computerspiele - das sind grob 35 Prozent der Bundesbürger über 14 Jahren. Laut BITKOM-Präsidiumsmitglied Ralph Haupter sind es dabei vor allem Apps und Social Games, die diesen Trend befeuert haben. 63 Prozent der Spieler greifen zumindest hin und wieder zu Casual Games. Vor allem das weibliche Geschlecht findet solche Gelegenheitsspiele toll. Mehr als jede vierte Frau (28 Prozent) spielt elektronisch und 70 Prozent davon daddeln Casual Games. Und die Computerspieler werden zunehmend älter. Zwar sei der Anteil der 14 bis 29-Jährigen unter den Gamern mit 68 Prozent noch am höchsten, aber in der Altersgruppe zwischen 50 und 64 Jahren ist auch schon jeder vierte Senior ein Computerspieler (24 Prozent). Alles dank Facebook, Apple und den kleinen Games für die Mittagspause.

Selbst die Politik bejubelt auf Messen wie der Gamescom oder der GDC neuerdings die konkurrenzfähigen Casual- und Browser-Games "Made in Germany". Gestandene deutsche Medienkonzerne hamstern im Kaufrausch Lizenzen und Entwicklerstudios für ihre Browserspiel-Plattformen (natürlich mit Facebook-Anbindung). Nicht einmal der versemmelte Börsenstart oder das derzeit mäßige Kursniveau von Facebook können an der Tatsache rütteln, dass Social Games ein extrem lukratives Geschäft sind. Allein Zynga steuerte laut Medienberichten zuletzt 15 Prozent des gesamten Facebook-Umsatzes bei, mit insgesamt 292 Millionen monatlichen Nutzern.

Doch der Wind wird rauer. Mittlerweile reiben sich die großen Publisher den Schlaf aus den Augen und werfen ihre üppigen Budgets und Top-Marken ins Rennen. Die bisherigen Platzhirsche haben da nichts zu lachen. Branchenprimus Zynga zum Beispiel kommt aus den Negativ-Schlagzeilen nicht mehr heraus. Binnen weniger Wochen las man vom enttäuschenden Abschneiden Zyngas an der Börse mit Einbrüchen von 40 Prozent, einer Ermittlung wegen des Verdachts auf Insiderhandel, dann kam eine Klage seitens Electronic Arts wegen allzu offensichtlicher Gemeinsamkeiten zwischen Zyngas "The Ville" und EAs "The Sims Social" und zu allem Überfluss warf dann auch noch Zyngas Top-Manager John Schappert das Handtuch.

Aber zurück zur Einstiegsfrage. Social-Games auf dem Prüfstand? Warum nicht? Was derart viele Leute begeistert, kann ja eigentlich nicht schlecht sein. Doch welche Titel soll ich mir vorknöpfen? Welche Hersteller beherrschen die Szene? Gibt es da noch was anderes als Zynga?

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Vor ein paar Wochen hat Facebook sein App-Zentrum für deutsche Nutzer geöffnet. Allerdings werden die dort aufgelisteten Spiele nach arg schwammigen Kriterien gefiltert. "Am besten bewertet" verstehe ich ja noch, aber Kategorien wie "Vorgeschlagen" (von wem? weshalb?) und "Aufsteigend" (um wie viel? seit wann?) sind nicht gerade hilfreich. Und die Liste der Spiele, die meine Freunde gerade zocken, ist leider auch kein objektiver Spiegel der aktuellen Marktlage. Zum Glück gibt es einige seriöse Statistik-Dienste im Netz. Bei den Kollegen von Statista wurde ich fündig.

Interessant war hier eine Auflistung der beliebtesten Facebook-Spiele, basierend auf täglich aktiven Nutzern. Im Juni 2012 hat es Bubble Safari von Zynga auf Platz Eins geschafft, mit 6,8 Millionen täglichen Nutzern. Knapp dahinter mit 6,7 Millionen Spielern steht Texas HoldEm Poker von Zynga, gefolgt von Words With Friends (ebenfalls Zynga) mit 6,4 Millionen. Auf Platz vier mit 4,6 Millionen steht Draw Something von Zynga und Platz fünf belegt Bubble Witch Saga von King.com mit 4,5 Millionen. Danach wieder drei Zynga-Spiele: CityVille (4 Millionen), CastleVille (3,9 Millionen) und FarmVille (3,8 Millionen). Platz neun und zehn belegen Diamond Dash von Wooga und Candy Crush Saga von King.com mit jeweils 3,3 Millionen täglichen Nutzern.

Freilich trau ich keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe, aber zumindest zeichnet sich ein deutliches Bild ab: Vorläufig kommt noch an Zynga kein Gelegenheitsspieler vorbei, sofern er sich an den erfolgreichsten Titeln orientiert. Ebenfalls nicht schlecht schlagen sich King.com, Electronic Arts (Playfish) und Disney (Playdom), aber der Social Games-Schmiede aus San Francisco können sie bisher nicht das Wasser reichen - trotz der negativen Schlagzeilen der letzten Zeit.

Folglich werd ich mir als erstes Zyngas Meisterwerke in den nächsten Wochen vorknöpfen, sie nach allen Regeln der Kunst auseinander nehmen und ihnen eine knallharte Wertung verpassen. Den Anfang macht Bubble Safari. Nichts weiter als innovationsarmes Puzzle-Gedöns oder lässt sich vielleicht doch die eine oder andere spielerische Perle finden? Wir werden sehen.

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Frank Erik Walter Avatar
Frank Erik Walter: Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.
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