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Velvet Assassin

Die Frau hinter den Linien

Keine Sorge, wörtlich nimmt Velvet Assassin diese Möglichkeit nicht. Aber heutzutage braucht scheinbar jedes Spiel Bullet Time und eine passende Ausrede dafür. Hier ist das nicht anders, dafür aber sehr stilvoll inszeniert. Auf Knopfdruck – für die komatöse Summers eine Morphiumspritze – verwischt die Grenze zwischen der Phantasie des Einsatzes und der Realität des Krankenhauses. Ihr bewegt Euch traumhaft in einem blutigen Krankenkittel durch die eingefrorene Welt und einen Regen violetter, blutwirkender Blumenblüten. Oder vielleicht ist es auch wirklich Blut, passen würde es.

Dieses Feature steht Euch beim Schleichen durch Naziverseuchte Flure nur sehr begrenzt zur Verfügung, ein Umstand, den Ihr mit einem schwächlichen Dolch als Primärwaffe nicht auf die leichte Schulter nehmen solltet. Velvet Assassin lässt Euch an jeder Stelle wissen, dass die Feinde stark, zahlenmäßig überlegen und vor allem schwer bewaffnet sind. Wer zu schnell vorstürmt, wird dies nach wenigen Metern herausfinden. Und leider sind die Bastarde auch noch ziemlich schlau.

Selbst die Bewegung Eures Schattens, an eine etwas entfernte Wand geworfen, reicht, um den wachenden Nazi auf den Plan zu rufen. Einen Nahkampf würdet Ihr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlieren und jeder Pistolenschuss ist nicht nur rar, sondern auch so laut, dass er im Zweifelsfalle mehr schaden als nutzen würde. Gut, dass Ihr ein wenig tricksen dürft. Sich in die Schatten zu drücken, bis die Anzeigen Euch signalisieren, dass Ihr praktisch unsichtbar in der Finsternis lauert, ist ein guter Anfang.

So offen bewegt Ihr Euch nicht oft.

Besser aber Ihr lockt den Feind zunächst in die falsche Richtung und stellt ein Radio an oder zerbrecht etwas. Nachdem Euch die Finsternis vor seinem ersten kritischen Blick durch den Raum bewahrte, wendet der Scherge sich der Herkunft des Geräusches und Euch, richtig geplant, den Rücken zu. Zeit, die Klinge zu nutzen.

Alternativ soll zumindest gelegentlich die Möglichkeit bestehen, Summers in eine SS-Uniform schlüpfen zu lassen, die ihre Identität zumindest aus einer gewissen Entfernung verschleiert. Erst in dem Moment, in dem die Wache Euch passiert hat, lasst Ihr die Hand zum Dolch gleiten, während Ihr Euch von hinten nähert. In nur sehr wenigen Passagen weicht Velvet Assassin von dem Konzept des Schleichens, Täuschens und Lauerns ab. Nur selten lässt es Euch mit einem Maschinengewehr im Anschlag, die Granate griffbereit, über Bunker-Treppen und durch Flure stürmen. Bei der Flucht vor der zuvor selbst gelegten Bombe kommen auch Action-Puristen kurzfristig auf die Kosten, ansonsten arbeitet Ihr mit den über 50 Stealth Kills, von denen einige wunderbar explizit gerieten. Ein schneller Dolchstoß in den Nacken ist dabei noch die sanfteste Methode.

In einem Moment grübelte er noch über den Endsieg, im nächsten spürte er kalten, englischen Stahl.

Es wäre übertrieben zu sagen, dass die Grafik herausstechen würde, aber die Atmosphäre wird trotz einiger nicht ganz so perfekter Texturen schon in dem frühen Build wunderbar transportiert. Unheimliche Lokalitäten mit stimmungsvollen Soundeffekten lassen Euch schnell abtauchen und vergessen, dass Violet selbst wohl kaum zur Ikone der weiblichen Spielewelt aufsteigen wird. Eine heutzutage wieder in Mode kommende 40er Jahre–Frisur und der realistische Ansatz einer eher unauffälligen Person wird sich wohl kaum tief in das kollektive Bewusstsein der Spielwelt graben.

Ob dieses Schicksal auch dem Spiel als solches widerfahren könnte, lässt sich schwer abschätzen. In den Bereichen Atmosphäre und Inszenierung erwarte ich trotz der konservativen Grafik nach rein technischen Maßstäben Großes. Die Szenarien verabschieden sich von den totgespielten Schlachtfeldern des zweiten Weltkriegs und tragen das Geschehen weit hinter die Linien in unverbrauchte Gefilde. Dazu kommt noch der Twist der Komapatientin Summers und schon kann ein Spiel entstehen, das einen nicht loslässt.

Aber nur, wenn es spielerisch passt und wir sind schon oft um die Häuser geschlichen und kauerten in den dunkelsten Ecken. Velvet Assassin reduziert dies sogar noch. Während Snake und Fisher mit Technikgadgets protzen, bleibt es hier sehr puristisch. Purismus bedeutet in den Händen Untalentierter häufig genug aber auch Ideenlosigkeit und Wiederholung. Im Januar werden die Replay Studios beweisen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind.

Velvet Assassin erscheint Ende Januar für PC und Xbox 360. Eine Ankündigung für die PS3 gibt es nicht, dafür die Gewissheit, dass die Nazi-Symbole in der deutschen Version natürlich nicht zu sehen sein werden.

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