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Auch du liebst Dark Souls...

... du weißt es nur noch nicht.

„Ich mag keine Spiele wie Dark Souls. Ich mag keine schweren Spiele. Erst recht keine frustrierenden oder gar unfairen Spiele. Ich mag Spiele, die mich mit einer spannenden Geschichte in eine lebendige Welt saugen statt in eine menschenleere Ödnis ohne Dialoge und Storyentwicklung. Auf keinen Fall mag ich Spiele, die mich immer und immer wieder den gleichen Abschnitt entlangschicken und bei den gleichen Gegnern töten. Ich mag keine Spiele wie Dark Souls." Diese und ähnliche Sätze höre ich häufig, wenn ich anfange, von Dark Souls zu schwärmen. Doch ich weiß: Auch du wirst Dark Souls lieben! Woher ich das weiß? Weil ich einmal genau wie du war. Ich habe die gleichen Sätze gesagt. Und hatte damit furchtbar unrecht.

Ich mag wirklich keine Spiele wie Dark Souls. Ich hielt Dark Souls immer für den Gegenentwurf zu den verweichlichten Spielen unserer Zeit, zu den jährlichen Auflagen von Call of Duty und Assassin's Creed, die dem Spieler statt herausfordernder Hindernisse die Landebahn für den Autopiloten in den Weg legen. Ich hielt es für eine Gegenbewegung masochistischer Ewig-Gestriger, quasi das Pendant zur Unplugged-Bewegung in der Zeit, als die Musik elektronisch wurde. Ich hielt es für anmaßend von den Entwicklern, den Spielern, die solch schwere Spiele nicht mögen, einen einfacheren Schwierigkeitsgrad zu verweigern. Warum sollte ich mich einer solchen Qual aussetzen, wenn ich das doch gar nicht mag?

Ich mag auch gerne mal Spiele wie Assassin's Creed, in denen es vor allem um das Erlebnis und nicht um die Herausforderung geht. Ich mag Adventures, weil ich gerne spannende Geschichten und atmosphärische Welten in Spielen erlebe. Ich mag auch mal Spiele wie Metro oder Max Payne für ihre Inszenierung - und weil sie nach sechs knappen Stunden vorbei sind und ich mich dem nächsten Spiel widmen kann. Nach sechs Stunden mit Dark Souls hatte ich gerade mal den ersten Boss besiegt.

Ach, könnte man doch bloß sein Gedächtnis zurücksetzen, um das hier erneut zum ersten Mal zu erleben.

Ich habe Dark Souls dann irgendwann doch eine Chance gegeben, nachdem mir Kollege Sebastian über Wochen hinweg mit seiner Begeisterung für das Spiel auf die Nerven ging. Sechs Stunden dauerte diese Chance. In dieser Zeit hätte ich Homefront zweimal durchspielen können, in Dark Souls war ich gerade mal bis zum Stahleber gelangt. Danach hatte ich keine Lust mehr.

Mein Fazit war eindeutig: Ich empfand durchaus Bewunderung für das raffinierte Leveldesign, das interessante Kampfsystem, die melancholische Atmosphäre. Ich verstand, warum manche Leute diese Art von Spiel mochten, aber ich gehörte nicht dazu. Ich bin mit den Spielen der 80er und 90er groß geworden, in denen es keine Speicherpunkte gab und man nach jedem Tod wieder von vorne beginnen musste. Manche mögen diese Zeiten vermissen, doch Dark Souls zeigte mir deutlich: Es gab Gründe, warum sie vorbei sind. Und ich war froh, dass es so war.

Ich hatte mit allem so unrecht.

Heute bin ich der festen Überzeugung: Dark Souls ist kein Nischenspiel für Hardcore-Gamer, Gegenkultur-Masochisten und Nostalgie-Konservatisten. Dark Souls ist ein Spiel für jedermann! Selbst und erst recht für Spieler, die Spiele wie Dark Souls nicht mögen. Spieler wie mich. Und Spieler wie dich.

Wenn man 30 Jahre spielen musste, um darauf vorbereitet zu werden, war es die Zeit absolut wert.

Ich spiele seit über 30 Jahren Videospiele. All die Zeit kommt mir im Rückblick so bedeutungslos vor. Und wenn sie bedeutsam war, dann nur, um mich auf dieses eine Spiel vorzubereiten. Dark Souls ist ein nahezu perfektes Spiel und zweifellos das beste, das ich jemals in meinem Leben spielen werde.

Um Dark Souls zu begreifen, muss man sich zunächst von einer Vorstellung trennen: dem Schwierigkeitsgrad. In Dark Souls geht es nicht um den Schwierigkeitsgrad. Wer Dark Souls auf seinen Schwierigkeitsgrad reduziert, hat nichts begriffen. In Dark Souls geht es um geniales Leveldesign, perfekte Spielmechanik, eine rätselhaft verwunschene Welt voller Geheimnisse und ein außergewöhnliches Story-Telling. Es geht um pures Gameplay, ohne den üblichen Firlefanz, der lediglich verwässernd wirkt und davon ablenkt. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei lediglich ein nötiger Nebeneffekt, ein Abfallprodukt, um den anderen Bestandteilen des Spiels eine Bedeutung zu geben.

Denn das ist es, worum es in Dark Souls eigentlich geht: Bedeutung. Dieser Welt eine Bedeutung abzutrotzen, und euren Taten und Entscheidungen eine Bedeutung zu verleihen. Und das in jeder einzelnen Sekunde.

Dark Souls verlangt in jeder einzelnen Sekunde eine Entscheidung von dir, die das Spiel beeinflussen wird. Aber keine Mass-Effect-"Ich hau dir eine rein oder knutsch dich ab"-Entscheidung. Es stellt dich und deine Persönlichkeit auf die Probe. Es will dich verführen, verlocken, gierig und nachlässig machen. Greife ich an? Oder gehe ich auf Nummer sicher, weiche aus, hebe den Schild, versuche mich zu regenerieren? Egal, welche Entscheidung ihr trefft, das Spiel sagt euch sofort, ob sie falsch oder richtig war. War sie richtig, werdet ihr belohnt, war sie falsch, werdet ihr bestraft, und das wird wehtun. Nur dafür gibt es den Schwierigkeitsgrad von Dark Souls. Dark Souls ist nicht wirklich schwer, es lässt euch lediglich die Konsequenzen eurer Fehler spüren. Es steht euch nicht bloß im Weg herum, es schlägt auch mal zurück. Denn anders ist es nicht möglich zu lernen, sich anzupassen und zu verbessern.

Denn darum geht es in Dark Souls: beobachten, lernen, anpassen. Dark Souls ist ein durch und durch asymmetrisches Spiel - es lebt von dem Ungleichgewicht zwischen Spiel und Spieler. Das Spiel ist immer größer und stärker als ich. Doch es ist fair und trägt sein Herz auf der Zunge: Es zeigt mir immer ganz genau, was es macht. Und es passt sich eben nicht an, es geht immer gleich vor. Das wiederum ist mein Vorteil als Spieler: Im Gegensatz zum Spiel bin ich in der Lage, mich anzupassen, meine Vorgehensweise zu ändern, meine Taktik zu ändern, meine Ausrüstung zu ändern. Ich beobachte, was es macht, probiere aus, mache Fehler, werde bestraft, lerne dazu, passe mich an. Bis ich gut genug bin, es zu schlagen. Dark Souls ist kein Spiel wie Super Meat Boy, in dem ich im richtigen Augenblick die richtige Taste drücken muss, sondern eines, in dem ich im richtigen Augenblick die richtige Entscheidung treffen muss - und die kann je nach Spieler, Spielstil und Situation völlig unterschiedlich sein. Im Gegensatz zu all den belohnenden Spielen von heute funktioniert Dark Souls wie das wirkliche Leben: wahrnehmen, lernen und Gelerntes anwenden - das sind die Grundfunktionen der modernen Verhaltenspsychologie.

Was will ich nun mit all dem sagen? Ich hoffe, dass Dark-Souls-Fans sich ein bisschen in dem wiederfinden können, was ich beschreibe. Und dass zumindest ein paar Dark-Souls-Hasser so weit lesen, um neugierig zu werden, dem Spiel eine zweite Chance zu geben. Doch dann macht nicht den gleichen Fehler wie ich: Werft nicht nach sechs bis zehn Stunden schon genervt das Handtuch. Dark Souls braucht eine Menge Zeit zum Warmwerden. Es kann durchaus seine zehn, zwanzig, möglicherweise gar dreißig Stunden dauern, bis es einen packt. Das klingt nach einer lächerlich langen Zeit, ich weiß. Doch sie lohnt sich, glaubt mir. Im Rückblick werdet ihr selbst die frustrierende Anfangszeit in einem anderen Licht betrachten.

Ich kenne viele Spieler, die wie ich nach zehn Stunden aufgaben und Dark Souls nicht mögen. Aber ich kenne niemanden, der es durchgespielt hat und danach nicht der Meinung war, es sei das beste Spiel, das er je gespielt hat, oder er habe gar das Gefühl, er wolle nie wieder etwas anderes spielen. (Falls es doch so jemanden gibt, dann bitte schreibt mir. Das würde mich interessieren.) Sogar jemand wie der YouTuber Gute-Laune-Tim, der Zeit seines Gamer-Lebens glühendster Nintendo-Fan war, legte plötzlich eine mehrwöchige Internetpause ein, weil er nichts anderes mehr als Dark Souls spielen wollte. Welches Spiel (abgesehen vielleicht von World of Warcraft und Diablo) hatte jemals eine solch tiefgreifende Wirkung auf seine Spieler?

Selbst Teil 2, unleugbar schwächer als sein Vorgänger, ist eine ganz eigene Klasse für sich.

Dass ich Dark Souls damals eine zweite Chance gegeben habe, war mehr oder weniger reiner Zufall. Doch beim zweiten Mal war ich besser vorbereitet: Ich habe durch Komplettlösungen und Wikis geblättert, mir Let's Plays und Guides auf YouTube angeschaut. Das mag auf Unverständnis stoßen und Kommentare der Gattung „Noob!" provozieren, ist im Falle von Dark Souls aber vollkommen legitim. Denn auch das gehört zu Dark Souls: Dark Souls ist kein Spiel, das man nur mit sich alleine spielen sollte. Dark Souls ist wie die Sierra- und Lucasfilm-Adventures der 80er, bevor es das Internet gab und als die Komplettlösungen in den Spielemagazinen erst Monate später abgedruckt waren. Als man sich täglich auf dem Schulhof traf, um die neuesten Fortschritte auszutauschen, und nachmittags gemeinsam spielte, um zu zweit vielleicht eher die zündende Idee zum Weiterkommen zu haben. Als man nicht alleine, sondern die ganze Schule gemeinsam Zak McKracken oder Space Quest löste.

Dark Souls löst man gemeinsam mit der ganzen Welt. Wer hätte gedacht, dass so etwas in Zeiten des Internets überhaupt noch möglich ist, wo man die Komplettlösungen und Guides schon zum Release überall einen Mausklick entfernt findet? Es ist praktisch gesehen unmöglich, Dark Souls all seine Geheimnisse im Alleingang zu entreißen. Nicht einmal die Geschichte wird man verstehen, wenn man sich nicht Puzzlestücke von anderen Spielern zusammenklaubt. Es ist unabdingbar, sich auszutauschen, mit Staunen neue Dinge zu erfahren, Verbindungen herzustellen, Lücken zu schließen und seine Erkenntnisse weiterzugeben. Das Story-Telling von Dark Souls funktioniert wie das Handwerk eines Archäologen. Dark Souls ist ein Spiel, das auch außerhalb des Spiels lebt und stattfindet.

Denn auch das gehört zu Dark Souls: Man will anderen von seinen Erlebnissen erzählen und von anderen hören, was sie erlebt haben. Mindestens so viel Zeit, wie ich Dark Souls gespielt habe, verbrachte ich auf YouTube, um mir anzuschauen, was andere Spieler erlebt haben, wie sie bestimmte Situationen meisterten oder daran gescheitert sind und welche Geheimnisse sie gefunden haben, die ich verpasst habe. Man spielt Dark Souls nicht durch und geht zum nächsten Spiel über. Man will andere an seinen unvergesslichen Erlebnissen teilhaben lassen, davon berichten, wie man Ornstein und Smough im letzten Moment ohne einen verbliebenen Estus-Flakon niederstreckte, das Gefühl teilen, als man mit dem Fahrstuhl von der Kirche der Untoten hinab zum Feuerbandschrein fuhr oder die halbe Spielwelt durchquerte auf der Suche nach einem Heilmittel gegen den Fröschefluch. Dark Souls ist kein Spiel, das man durchgespielt hat, es ist ein Erlebnis, von dem man Enkelkindern erzählt.

Keinen Monat mehr.

Noch ein wichtiger Tipp: Lass dich nicht frustrieren! Wenn du frustriert bist, machst du etwas falsch. Dark Souls ist nicht frustrierend. Es ist auch niemals unfair. Es wirkt nur bisweilen so, wenn du nicht bereit bist, dich anzupassen, deine Vorgehensweise infrage zu stellen, sie zu ändern. Ist es zu stark, bist du nicht zu schwach, sondern lediglich auf dem Holzweg. Suche niemals den Fehler beim Spiel, suche ihn immer nur bei dir selbst, sonst wirst du scheitern. Der häufigste Fehler, den Spieler zu Beginn machen, ist Dark Souls so zu spielen, wie sie es von anderen Spielen gewohnt sind, und nicht bereit sind, diese Muster zu durchbrechen.

Natürlich weiß das Spiel, dass genau das deine Schwäche ist. Es verführt dich dazu, Fehler zu machen. Es lockt dich in seine Falle, weiß genau, dass du gierig wirst, wenn du mal zwei, drei Treffer in Folge landen konntest, dass du nachlässig wirst, wenn die Gegner berechenbar scheinen. Es weiß, dass die Versuchung unendlich groß ist draufzuschlagen, den „Sack zuzumachen" statt auszuweichen, wenn nur noch dieser eine letzte Schlag zum Besiegen des Gegners fehlt. In diesem Sinne ist Dark Souls ein einziger großer Test deiner Persönlichkeit.

Du wirst lernen, dich für deine Ungeduld zu hassen. Du wirst mehrfach denselben Fehler hintereinander begehen und daran verzweifeln, weil du nicht begreifen kannst, wie du so dumm sein konntest, obwohl du es eigentlich besser weißt. Aber bitte beschimpfe nicht den Controller, die Kamera oder die Steuerung, die können nichts dafür, ehrlich. Und dann wirst du irgendwann verstehen, triumphieren, doch gleichsam diese Unsicherheit spüren aus der Gewissheit heraus, dass die nächste Prüfung gleich hinter der nächsten Ecke warten und wieder genauso und doch völlig anders ausfallen wird. Am Ende wirst du Dark Souls durchgespielt, es niedergerungen haben. Du kannst es besiegen, es irgendwann sogar beherrschen, doch es bleibt die Erkenntnis, dass dieses Spiel immer noch so viel größer ist als du. Denn dasjenige Gefühl, das am Ende jedes andere überstrahlen wird, lautet: Demut. Kann ein Spiel ein größeres Geschenk machen?

In diesem Sinne: Prepare to die! Bis auch du irgendwann sagen wirst: Praise the Sun!

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