Der Blick zurück: Syndicate

Hätte Agent Fünf einen eigenen Willen gehabt, wäre es für ihn vielleicht verwirrend gewesen, den Persuadertron zu nutzen, aber da er selbst kaum mehr als eine Marionette war, fiel es ihm nicht schwer, den Mob zu lenken. In den ersten Sekunden unter dem Einfluss dieser eigenwilligen Waffe vernahm er noch ein Echo der einzelnen Individuen, bevor sie in seinem Willen und damit dem Willen des Konzerns aufgingen.

Einen normalen Verstand hätte wahrscheinlich auch das Feedback der Sterbenden an die Grenzen gebracht, das in der letzten Sekunde ihrer Existenz als kurzfristige Sklaven wie eine Peitsche zurückschlug. Agent Fünf jedoch zeichnete dies, wie alles, was um ihn herum geschah, teilnahmslos auf und leitete den Datenstrom direkt an seinen Koordinator zurück.

Wie alle anderen Agenten war Fünf jedoch mehr als nur ein Automat. Er traf taktische Entscheidungen in Sekundenbruchteilen, war in der Lage, im Kampf zu improvisieren und so nutzte er, ohne eine Millisekunde auszusetzen, die kurze Ablenkung, die ihm seine mit dem Persuadertron versklavten Drohnen schafften. Der Mann, der in seinen letzten Sekunden an ein seltsames Pelzwesen dachte, hatte den gegnerischen Agenten zwar nicht einmal ankratzen können, aber dieser musste sich drehen, um auf die Bedrohung zu reagieren. Die schwere Sturmkanone in Fünfs Armen begann zu sirren, bevor der Strahl aus Stahl und Wolfram den Körper von Fünfs Widersacher praktisch pulverisierte. Er schaltete das energiefressende Persuadertron ab und rannte tiefer in feindliches Gebiet, seinem ihm selbst noch nicht genau bekanntem Ziel entgegen.

Der zuständige Konzernstratege im Luftschiff hoch über dem Geschehen und sicher außer Reichweite gönnte sich ein paar Sekunden, um zufrieden zu lächeln. Wenigstens lief dieser Einsatz an der Grenze des Megaplex von Colorado besser als das letzte Debakel in Neu Atlantis. Das hätte ihn fast gänzlich aus den Höhen der Kozerntürme auf den Asphalt der dreckigen Riesenstädte geworfen. Er schauderte bei dem Gedanken. Eine Ameise, vielleicht eines Tages selbst unter dem Einfluss eines Persuadertron endend... Er konzentrierte sich schnell wieder auf den Datenfluss des Agententeams.

Sechs flankierte erfolgreich die westliche Seite des Einsatzgebietes, Neun hatte ein kurzes, aber bedeutungsloses Intermezzo mit einer einsamen Polizeistreife und Fünf hatte den unerwarteten Zwischenfall mit dem feindlichen Agenten gut überstanden. Fünf zeigte überhaupt Potential. Der Stratege machte sich eine geistige Notiz, diesen Agenten häufiger anzufordern.

Die Daten aus dem Feedback des Persuadertron zeigten nichts, was man nicht erwarten würde. Fleißige Konzernbienen hatten selten interessante letzte Gedanken. Nur ein Eindruck wurde von der Analysesoftware markiert, irgendwer hatte als letztes an ein kleines Pelztier gedacht. Wie seltsam. Der Computer warf ein Bild aus. Niedlich, dachte der Stratege und schickte es in Richtung Marketing, bevor er sich wieder seinen Agenten und der Eroberung von Colorado zuwandte.

Zwei Jahre nach dem Machtwechsel in Colorado flimmerten die neuesten Produktinformationen über die zahllosen Bilderwände der grauen Stadt, die von ihren Einwohnern als Paradies wahrgenommen wurde. Einige würden bald ihren Kindern Stofftiere aus der "Wiesel"-Reihe schenken.

Zwei weitere Jahre später würde Wiesel wieder aus den Regalen verschwinden. Man stellte fest, dass die billig hergestellten Spielzeuge teilweise tödliche Allergiereaktionen auslösten. Niemand klagte. Dem CHIP, den sie über all die Jahre längs aus ihren Gedanken verbannt hatten, sei dank.

Ceterum censeo Novum Atlantinem esse delendam. Und dass die Zeit für ein neues Syndicate reif ist.