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HBOs The Last of Us Folge 3 ist mir ein bisschen zu gefühlsduselig. Ich weine natürlich trotzdem

Ich bin 44, was ist eure Entschuldigung?

Spoiler zu Episode 3 von HBOs The Last of Us.

Folge drei hatte im Netz lange Schatten vorausgeworfen. Im Vorfeld las ich mehrfach, dass Leute, die sie vorab gesehen hatten, sie für die beste Episode der ersten Staffel hielten. Und tja, so geht man dann halt mit einer bestimmten Erwartung ins Erlebnis. Was soll ich sagen? Sie ist exzellent gespielt, emotional mit vielen starken Momenten gesegnet, gibt der A-Handlung aber nur wenig Schwung auf den Weg. Deren weiterer Verlauf wird hier zwar erst ermöglicht, aber in erster Linie ist diese Folge dazu da, Bills Hintergrundgeschichte zu erhellen. Ein Charakter, von dem man im Spiel gerne mehr gesehen hätte.

Einmal mehr weichen Randdetails erheblich von der Vorlage ab, wenn Bills und Franks im Spiel lediglich implizierte Beziehung nicht nur von Anfang bis Ende gezeigt wird, sondern auch noch einen herb-süßen Abgang hat. Der schmeckte im Spiel nicht nur entschieden bitterer, er war auch ein wenig beiläufig und vergänglich angelegt. Insofern presst die Serie erneut mehr Gehalt aus dem Ursprungsmaterial und integriert es auch gut ins große Ganze, während vordergründig eine homosexuelle Liebesgeschichte am Ende der Welt erzählt wird. Das ist vor allem nach hinten heraus extrem rührend geschrieben und gespielt – Nick Offerman sollte man nicht unterschätzen –, ein paar Sachen haben für mich trotzdem nicht ganz funktioniert und stellenweise schien es mir ein wenig zu kalkuliert auf die Tränendrüse zu drücken.

Von Joel und Ellie sehen wir in dieser Folge wenig. Bella Ramsey spielt den

Zu Beginn mochte ich insbesondere wieder einmal den Rückblick auf die Zeit kurz nach dem Ausbruch und wie Bill diese erlebt. Das macht nicht nur die Figur lebendig, es verleiht der Welt von The Last of Us mal wieder reichlich Textur. Ich mochte auch die Zeitsprünge, bei denen man sah, wie sich Bill seinen Heimatort Stück um Stück zu eigen macht. Das Kennenlernen mit Frank und die entstehende Romanze kam mir dann aber etwas plötzlich vor und passte nicht so recht zu meiner Vorstellung eines Charakters, der zunächst als libertärer Prepper und Verschwörungstheoretiker gezeichnet wurde.

Mit der Ankunft von Frank plötzlich feingeistige Züge an Bill hervorzuheben, kann ich mir auf dem Papier eines Drehbuchs als coolen, subversiven Charakterzeichnungs-Twist vorstellen. Auf der Mattscheibe wirkte es für mich aber zu weit gestreckt, als wären es zwei verschiedene Bills. Survivalist und Sternekoch mit goldener Stimme und samtenen Pianofingern – bekomme ich im Kopf nicht zusammen. Das wiederum ließ das Kennenlernen für mich ein wenig aufgesetzt und unwahrscheinlich wirken. Denn fangen wir mal vorne an: Wie hoch ist überhaupt die Wahrscheinlichkeit, dass einem ein Mensch ausgerechnet in eine der wenigen nicht tödlichen Fallen rennt, dass der seltsame Preppertyp nach Jahren Isolation noch genügend Mitgefühl aufbringt, ihn nicht direkt über den Haufen zu schießen, ihn sogar in sein Haus einlädt, sich dann beide als homosexuell herausstellen – und der buchstäbliche “Fang” als Liebe seines Lebens? Ein Zufall, zu schön, um wahr zu sein.

Eine engere Beziehung als gedacht: Joel und Bill.

Wenn man das ausblendet, ist alles Weitere aber eigentlich sehr schön gemacht. Vor allem die Beiläufigkeit, mit der das Glück der beiden dann von einem Zeitsprung auf den nächsten durch Krankheit sinn- und herzlos zerrüttet wird, traf mich als besonders echt wirkendes Bisschen Drama. So, wie es das Leben, die Drecksau, nun mal schreibt. Die Entscheidung, ihr Leben zu beenden, und einen letzten schönen Tag miteinander zu verbringen, trieb auch mir Tränen in die Augen. Ich muss allerdings sagen, dass es schon mogeln ist, Max Richters “On the Nature of Daylight” darüberzulegen, weil dieser Song selbst einen leidenschaftlichen Clown in lukrativer Festanstellung und Vier-Tage-Woche in Gleitzeit noch in einen wimmernden Lappen verwandeln könnte. Seit mich dieses Lied im Kino bei Villeneuves Arrival inmitten einer Menge fremder Menschen komplett vernichtete, höre ich es ungern in anderen Filmen oder Serien, wo es dann auf mich ein bisschen so wirkt, als trauten die Verantwortlichen der Kraft ihrer Geschichte nicht und wollen mit diesem Song nachhelfen.

Diese Szenen hätten solch schwere Lizenzgeschütze eigentlich nicht nötig gehabt. Es ist natürlich trotzdem ein wunderschönes Stück, aber ich bin sicher, Gustavo Santaolalla hätte auch ein paar herzzerreißende Harmonien dazu in den Fingern gehabt, immerhin hat er den Score zu Brokeback Mountain auf dem Kerbholz. Egal, nachdem es etwas rumpelig losging, war ich mit diesem Handlungsstrang eigentlich gut zufrieden. Gestört hat mich am Ende eigentlich nur Bills Brief an Joel, der mir zu passgenau das lieferte, was der bärbeißige Schmuggler nach Tess’ Tod brauchte: Ein Auto und die verbale Motivation, sich um Ellie zu kümmern. Wie schon die Art, auf die Bill zu einem Partner fürs Leben kam, schien mir das alles, auch in Sachen Timing, ein wenig zu perfekt.

Am Ende ein schöneres Ende für die beiden als im Spiel, in dem die Bitterkeit obsiegte.

Sehr gut fand ich dann, dass man sich erneut nah am Buch der Vorlage hielt, als es darauf ankam: Als Joel mehr oder weniger Gehorsam einfordert, liefert Ellie den, aber mit einer guten Portion Trotz: Joel fordert, dass sie seine Anordnung wiederholen soll, das tut sie aber nicht wörtlich, sondern mit ihren eigenen Worten: "What you say goes". Ich habe diesen Austausch schon im Spiel abgöttisch geliebt, weil er auf smarte Weise zeigt, dass Ellie ein Freigeist ist. Dazu passt auch eine frühere Szene in dieser Folge, in der das Mädchen auf eigene Faust einen dunklen Keller erforscht und dabei einen eingeklemmten Infizierten entdeckt und sogar tötet, womöglich aus Wut über Rileys Tod? Ein guter Moment, der uns ein wenig tiefer in Ellie hineinblicken lässt.

Trotz meiner Probleme mit dieser Folge ist The Last of Us also nicht weniger effektives oder packendes Fernsehen. Nur wich die Illusion einer organischen Reise an den beiden oben erwähnten Stellen für mich allzu sauberer TV-Maßarbeit. Ansonsten jedoch eine schön dramatische Folge, nach der ich mich auch nicht über vermeintlich zu wenig Handlungsfortschritt beim Haupt-Plot beschweren möchte. In einer Show, in der es um die Verbindungen geht, die Menschen in der Apokalypse eingehen, sind kleine Stories wie diese hier allesamt integraler Teil der Geschichte.

In diesem artikel

The Last of Us Part I

PS5, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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