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Leben & Spielen südlich des 38. Breitengrads

Ein Blick auf Stadt und Spiel in Südkorea

Es ist kein Geheimnis, dass Süd-Ost-Asien ein heißes MMO-Pflaster ist und Südkorea bildet da keine Ausnahme. Neben besagten Blizzards läuft so ziemlich alles, was man mit einem Account spielen kann. Dafür ist der PC nun mal prädestiniert, was auch die große Zahl an PC-Händlern im Technik-Viertel erklärt. Diese PCs im Heimgebrauch sind aber ebenfalls nicht einmal so exzessiv genutzt, wie man dabei meinen sollte. Viele Südkoreaner gehen zum Spielen nämlich in ein PC Bang. Oder, wie man hier es nennt, "Internet-Café".

PC Bang

Ob Kaffee im PC Bang serviert wird, weiß ich nicht. Kann ich mir nicht vorstellen. Macht nichts, auf den großen Straßen Seouls kann man kaum einen Stein werfen, ohne einen Kaffee-Laden zu treffen. Cola gibt es aus dem Automaten und überhaupt beschränkt sich der Service auf das Nötigste. Dafür ist der Preis konkurrenzlos, je nach Lage und Qualität kostet die Stunde zwischen 1 und 2 Euro. Ein funktionierender PC, ein fast funktionierendes Keyboard - ich hatte, glaube ich, einfach nur Pech - und die Möglichkeit zu machen, was man will. In der eigenen kleinen Bürozelle aus Trennwändchen findet man sich mit kompletten Admin-Rechten am Windows wieder, und wenn das Spiel der Wahl nicht sowieso schon vorinstalliert ist, lädt man es halt runter und legt dann los.

Das ist kein Problem, denn das Motto der letzten Jahre ist ganz klar Free-2-Play und das intensiviert sich sogar noch. League of Legends ist einer der Kracher, Battlefield und Crossfire sind die Shooter der Stunde, aber auch diverse, hier komplett unbekannte, Baseball oder Golf-Titel erfreuen sich großer Beliebtheit. Titel, die in Europa komplett unter dem Radar verschwinden, haben hier riesige und vor allem auch zahlende Nutzerscharen, die ihre Accounts mit Pay-Items aufbessern, diesen Spielen Treue entgegenbringen und sie vor allem spielen können, wo immer sie wollen. Fast egal, wie klein das Städtchen in Südkorea wird, es kann nicht klein genug sein, als dass nicht doch ein PC-Bang zum Zocken einladen würde. Wer braucht da schon die Abhängigkeit eines eigenen PCs und eines eigenen ISP-Anbieters, wenn es so viel einfacher sein kann.

Was diese Bindung an die eigene Spielesammlung, den heiligen heimischen PC oder die Konsolen angeht, die hier in Deutschland in der Regel bei harten Gamern vorherrscht, scheinen die Südkoreaner diese physischen Bindungen zu einem guten Teil überwunden zu haben. Zumindest insoweit, dass sie nicht so abhängig davon sind, irgendwer wird schon noch bei all den PC-Händlern einkaufen.

Publisher & Entwickler

Super Boy 4 - Weder Nintendo noch SEGA waren begeistert

Diese PC-Begeisterung spiegelt sich ganz deutlich wieder, wenn man einen Blick auf die Liste der südkoreanischen Publisher und größeren Entwickler wirft. Konsolen? Weitestgehend Fehlanzeige. Solo-Spiele? Weitestgehend Fehlanzeige. Dazu ein ganzer Schwung an Namen, die man hier in Europa kaum bis noch nie bewusst wahrgenommen hat, von den Spielen dahinter ganz zu schweigen.

Beginnen wir mit einer historischen Kuriosität. Südkorea hatte keine echten Copyright-Gesetze für Programme vor 1987, was die Firma Zemina ziemlich schamlos nutze, um Super Boy 1 - 4 - Klone von Super Mario 1- 3 und World -, sowieso Ableger von Bubble Bobble, Xevious oder Puzznic, teilweise sogar mit neuen Leveln, für MSX und SEGAs Master System zu veröffentlichen. Als die Rechtslage sich dann klärte, verschwand Zemina auch wenig später.

Softmax, Phantagram und Blueside gehören zu den ganz wenigen südkoreanischen Entwicklern, die international relativ erfolgreiche Konsolenspiele oder überhaupt nennenswerte Konsolenspiele entwickelten. Softmax machte sich mit Magna Carta (2001 - 2009, PC, PS2, Xbox 360) einen Namen, während Phantagram und Blueside zusammen die Kingdom-under-Fire-Serie und Ninety-Nine-Nights entwickelten. Alles nicht die großen Kracher, aber man hat den Titel zumindest schon mal vernommen.

Lineage 2

Gala Lab Corp. kommt aus einer ganz anderen Ecke und hat auch ein ganz anderes Geschäftsmodell, aber von dem Portal gPotato der ehemalig reinen Web-Designer hat so mancher sicher schon mal was gehört oder stolperte über die Werbung. Die Portale bieten browserbasierte und auch clientbasierte Free-2-Play Spiele an, die je nach dem jeweiligen gPotato-Landesportal im gewissen Rahmen auf den Geschmack der Region zugeschnitten sind. Kein eigentlicher Entwickler also, aber mit 20 Millionen registrierten Spieler ist dieser eigenständige Zweig der in Tokio beheimateten Gala Inc. durchaus erfolgreich, auch wenn sie praktisch keine eigenen Spiele entwickeln.

Das wiederum tat in den frühen 2000ern Eolith, als sie nach SNKs Pleite King of Fighters 2001 und 2002. Die für Taito und andere Arcade-Anbieter tätigen Koreaner verdienen an diesen beiden Titeln bis heute noch ein wenig Geld, da ihre Figuren aus diesen Jahren immer noch Eolith und nicht Playmore gehören.

Crossfire

Kommen wir zu den MMO-Leuten. Webzen, gegründet in 2000 hatte mit Metin und Metin 2, Archlord und dem in Südostasien sehr erfolgreichen Soul of the Ultimate Nation seine Erfolge, aber Niederlagen gab es auch. Sowohl Endless Saga als auch Huxley, beides vielversprechende Titel, die auch für Heimkonsolen erscheinen sollten, verendeten irgendwo auf dem Weg zur Fertigstellung. Es scheint in Korea wirklich nicht leicht zu sein, etwas für die Heim-Stationen herauszubringen.

HanbitSoft dagegen hatte bei der Gründung 1999 ein Standbein, das in dieser Ecke der Welt kaum sicherer sein könnte. Sie übernahmen das Publishing für Starcraft und Diablo, praktisch für Jahre die Lizenz zum Gelddrucken. Dieses Geld horteten sie nicht nur, sondern publishten das erfolgreiche Mythos und belebten sogar das eigentlich schon tote Hellgate: London wieder, das sich als Hellgate: Resurrection in der ganzen Region großer Beliebtheit erfreut.

Die Förderpolitik Südkoreas in Bezug auf die heimische Wirtschaft wurde schon erwähnt und eine besondere Blume dessen war die Firma Game Park. Als Sieger eines Ausschreibungswettbewerbs begannen sie Ende der 90er mit der Entwicklung einer koreanischen Spielekonsole. In 2001 erschien das GP32 Handheld, der Rest ist eine konfuse Geschichte, aus fehlgeleiteten Entwicklungen, kruden Ports, geplatzten Verträgen und nie erschienen Nachfolgern. Mit einem in Korea - dem einzigen Auslieferungsland für lange Zeit - immerhin relativen Erfolg dauerte es immerhin bis 2007, bevor Game Park in die Pleite dümpelte. Südkorea, kein leichter Konsolen-Markt.

In Asien mangelt es nie an den kleinen WTF-Momenten.

Ganz anders sieht die Welt aber aus, wenn man sich dort als Publisher/Entwickler von PC-basierten MMOs behaupten kann. Hier gehören Nexon, Neowiz oder NCsoft zu den ganz Großen, die mit Spielen wie Maple Story, Vindictus, Elsword, Atlantica Online (entwickelt oder vertrieben von Nexon), Aion, Lineage, Blade & Soul oder Guild Wars (entwickelt oder vertrieben von NCsoft) ordentlich Geld umsetzen.

Als eine Art kleinen Abschluss dieses Rundumschlages gebe ich euch den Rat, Südkorea und Seoul bei der Urlaubsplanung als Option nicht zu vernachlässigen. Ein Tag in dieser Metropole und es ist klar, dass wir hier alle in Dörfern wohnen, egal ob die nun Berlin oder London heißen. Eine echte Stadt wie Seoul sieht halt anders aus. Es ist eine urbane Umgebung ganz anderer Dimensionen und sie zu erkunden macht einfach Spaß. Die Leute sind freundlich, Englisch ist praktisch die zweite Amtssprache, ihr könnt es als Süd-Ost-Asien für Einsteiger begreifen. Netter als Schanghai, weniger kompliziert als Tokio, aber nicht minder faszinierend.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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