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Obsidians eigenwilliges Pentiment ist mein Highlight dieser Messe

Aber sollte mich das wundern?

Vor allem hatte ich nicht erwartet, dass es auf so amüsante Art albern sein würde! Wenn Andreas Maler, seines Zeichens auch von Beruf her Maler im Oberbayern des 16. Jahrhunderts, dabei entdeckt wird, wie er sich hinter einer Ecke versteckt, um heimlich dem Steinhauer seiner Abtei zu folgen, dann geschieht keine großartige Animation, aber er reißt auf einmal die Augen auf. Und wenn er sich anschließend zu rechtfertigen versucht, dann hat man als Dialogoption unter anderem doch tatsächlich die Wahl, albern zu lachen oder eine faule Ausrede zu stammeln. Ach, und in zahlreichen Sprechblasen tauchen sogar Schreibfehler auf, die dann schnell weggewischt und ausgebessert werden. Das ist genau mein Humor!

Dabei hätte ich das Spiel anfangs beinahe abgetan – als eins von vielen Indie-Dingern, die sich lediglich mit ihrem seltsamen Zeichenstil abheben wollen. Dann sah ich allerdings schnell, dass kein geringeres Studio als Obsidian (The Outer Worlds, Pillars of Eternity, Fallout: New Vegas) dahintersteht, habe mir das Ganze etwas genauer angeschaut und festgestellt, dass Director Josh Sawyer (ebenjene Pillars of Eternity und Fallout: New Vegas) das Ganze verdammt ernst meint. Kein Wunder: Der Mann ist gelernter Historiker und wollte einfach mal weg von Fantasy und Science-Fiction.

Mit dem festlegen von Andreas' Vergangenheit legt man Grundwerte seines Charakters fest.

Also folgt die Grafik samt der spärlichen Animationen nicht nur konsequent dem Stil der Frühen Neuzeit, sie illustriert auch ein ausgewachsenes Rollenspiel, in dem Entscheidungen und Dialoge eine zentrale Rolle spielen. So wählt man schon beim Festlegen von Andreas‘ Charakterwerten, ob er Astronomie, Logik, Rhetorik oder etwas anderes gelernt hat, ob er sich in Recht, Theologie oder Medizin auskennt, wo er aufgewachsen und welcher Typ Mensch er ist, was sich selbstverständlich alles auf viele Dialogoptionen auswirkt.

Wichtig sind die deshalb, weil Andreas einen Mordfall aufklären will, nachdem sein Freund Piero mit einem blutigen Messer neben dem Opfer gefunden wurde. Deshalb folgt er verschiedenen Spuren, befragt Verdächtige, sammelt Indizien und muss irgendwann einen Schuldigen ausmachen – ob dieser dann wirklich für die Tat verantwortlich ist oder nicht, bleibt letztlich euch überlassen. Lasst euch nur gesagt sein, dass diese und andere Entscheidungen Konsequenzen für das folgende Abenteuer haben werden!

Ich spekuliere einfach mal, aber ob man den richtigen Mörder bestimmt, hängt sicherlich auch davon ab, ob man das überhaupt will...

Dabei ist im anfänglichen Kapitel natürlich nicht nur die endgültige Schuldzuweisung von Bedeutung, sondern schon vorher wird häufig notiert, dass sich ein Gesprächspartner eine gerade gewählte Dialogoption merken wird. Deshalb bin ich auch sehr dankbar dafür, dass man vor mancher Entscheidung Andreas' Gedanken lesen kann, um vorherige Ereignisse Revue passieren zu lassen, um eine besser durchdachte Entscheidung zu treffen.

Wie verzweigt die möglichen Ereignisse sind und ob das "heimliche" Verfolgen des Steinhauers ganz anders hätte verlaufen oder ich es gar hätte auslassen können, kann ich nach der kurzen Demo natürlich schlecht beurteilen. Vieles davon scheint durchaus vorgesehen, aber die Art und Weise, mit der man in den Unterhaltungen folgenschwere Akzente setzen kann, ist eben angenehm offen.

Einen solchen Akzent setzte ich übrigens auch in einem Minispiel, das hier nur losgelöst von der eigentlichen Demo vorhanden, aber dennoch ausgesprochen interessant war. Es handelt sich um eine Art Poker, wenn ich das richtig interpretiere (Kartenspiele sind nicht mein Spezialgebiet), in dem es eigentlich aber nicht nur ums Geldverdienen geht. Vielmehr unterhalten sich die vier Teilnehmer auch miteinander, woraus man wichtige Informationen zieht.

Eigenwillig, aber stilvoll: Das Artdesign ahmt frühneuzeitliche Holzschnitte und Schriftrollen des späten Mittelalters nach.

Auf jeden Fall fragt einer der Kartenspieler irgendwann nach einer Runde Bier und unterhält sich dabei mit der Bedienung, was mir suspekt vorkam. Um nicht beschummelt zu werden, bin ich aus der aktuellen Runde deshalb ausgestiegen – wenn auch nicht, ohne den anwesenden Entwickler daraufhin zu fragen, ob ich mich damit denn komplett auf dem Holzweg befand. Der erwiderte das mit einem sehr, sehr vielsagenden Grinsen und meinte, dass er dies weder bestätigen noch dementieren könne. Na, ich bin gespannt!

Es soll noch weitere solcher Minispiele geben und wie gesagt: Da es Sawyer und seinem Team hier tatsächlich zu gelingen scheint, ein interessantes und höchst amüsantes Detektivspiel um die Entscheidungen ihres Rollenspiels zu stricken, zähle ich diese nicht ganz akkurate Geschichtsstunde ab sofort zu den Spielen, auf deren Erscheinen ich mich gewaltig freue.

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