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Silent Hill: Homecoming

Stillstand

Goethe, das deutsche Dichterurgestein, bringt das größte Problem von Silent Hill 5: Homecoming gut auf den Punkt: „Wer nicht vorwärts geht, der kommt zurücke.“ Und Homecoming traut sich wirklich keinen Millimeter nach vorn.

Die Welt des Horrors hat sich weitergedreht, die Schocks der ersten Silent Hills sind abgeklungen und das Grauen um die eigentlich so idyllisch gelegene Kleinstadt wurde in Film, Buch und Comic gründlich institutionalisiert. Und Institutionen kann man zwar fürchten, aber nicht auf die Weise, die hier eigentlich gefordert wird. Die generelle Handlung dürfte inzwischen weitestgehend bekannt sein und niemand wird mehr zusammenzucken, sobald über den schrecklichen Ort mystisch fabuliert wird. Wir wissen inzwischen, dass der Horror auf Metallträgern baut und blutrot-rostige Wände mag. Dass irgendwo ein Pyramidenköpfiger Horror mit der Mutter aller Schlachtermesser herumschlurft und seltsame Kultisten in SM-Gasmaskenoutfits einer nicht gerade gutmütigen Gottheit in einer grausigen Kirche huldigen.

Den größten und eigentlich auch einzigen echten Schocker versetzte mir Homecoming, als ich es in tiefer Nacht spielte, durch eine eher mittelmäßig beklemmende Passage schlurfte und PLÖTZLICH in meinem Zimmer ein ungünstig gelagertes Buch herunterfiel und mit einem Krachen auf dem Boden landete. Mein Herz setzte eine Sekunde aus, während es den Rest der Spielzeit weitestgehend den Ruhepuls hielt. Silent Hill zog seine Faszination noch nie aus spannenden Kämpfen oder überhaupt spielerisch besonders knackigen Situationen, sondern immer aus dem Reiz des Unbekannten, des Grotesken und Fremdartigen, das Euch eine tiefe Reise in den Wahnsinn aufzwang und durch die Register des Grauens schickte.

Silent Hill: Homecoming – Intro-Trailer

Das funktioniert aber nur, solange Ziel und auch praktisch alle Wegpunkte dieser Reise nicht schon bekannt sind. Homecoming traut sich nichts. Es verharrt eingefroren in den bekannten Handlungsmustern und nur absolute Neulinge werden schauern. Besonders zum Ende hin werdet Ihr den Eindruck nicht los, dass den Entwicklern die Ideen ausgingen und sie jetzt der Einfachheit halber den Plot des Films noch mal nachspielen.

Zwar mit genug Variationen, sodass Euch diese Aussage nicht zu viel verrät. Aber doch so nah dran, dass Ihr dieses „Das kenne ich doch“ Gefühl nie ganz abschütteln könnt. Eine weitere Stärke der Serie, insbesondere des zu Recht hochgelobten zweiten Teils, bestand in den zerrissenen, Problem beladenen Hauptcharakteren, die gleichzeitig auf der Flucht und der Suche nach sich selbst waren. Alex Sheperd, der Hauptcharakter in Homecoming, fällt nicht ganz aus dem Muster, allerdings bleiben seine inneren Dämonen viel zu diffus, als dass Ihr wirklich Interesse für sie aufbringen könntet. Er sucht seinen kleinen Bruder, stolpert dabei mehr zufällig als aus einem tief verwurzelten, treibenden Verdacht heraus über Familiengeheimnisse und zeigt sich auch sonst sehr normal. Ein Attribut, das einfach nicht zum Horror der Serie passen will.

Der Rest der Bewohner des Startstädtchens Sheperds Glen zeigt sich ähnlich farblos. Wer diese unauffälligen Stereotype mit den Furcht einflößenden Figuren der ersten Spiele vergleicht, kommt zu dem Schluss, dass hier alle sehr behütet aufwuchsen. Früher hinterließ jede gesprochen Zeile die Ahnung einer dunklen Andeutung, ein kleines Enigma in sich, und ihr Gebaren war nie ganz aufschlüsselbar. Homecomings Figuren verhalten sich wie jeder normale Action-Horror-Film-Cast aus jedem x-beliebigen A-minus Filmchen Hollywoods. Nur sehr wenige spannende Figuren tauchen viel zu kurz auf und erleben auch zu schnell Ihr meist eher unangenehmes Ende, als dass sie in Euch diese gewissen missgestimmten Saiten der Seele hätten zum Klingen bringen können.

Alex Sheperd. Zu normal für Silent Hill?

Auch einige inhaltliche Unstimmigkeiten ergeben sich, selbst wenn man in Homecoming insgesamt doch auf Konsistenz mit dem nicht einfach zu handhabenden Silent Hill-Universum aus war. Sie zu verraten, hieße spoilern, aber seid Ihr mit der Reihe vertraut, werden Euch Kleinigkeiten auffallen. Die Handlung ist eine Enttäuschung, aber zum Glück auf recht hohem Niveau und nur nach Maßstäben der ersten Spiele.

Insgesamt erzählt Homecoming solide Kost, ohne Aufregung oder grobe Fehler, aber leider auch ohne Überraschungen. Es traut sich nicht, den gegebenen Guss zu verändern. Stehen zu bleiben reicht nicht. Hier hätte man mehr vom ersten HD-Silent Hill erwarten dürfen. Die Unzufriedenheit auf hohem Level zieht sich weiter zur HD-Optik. Man muss natürlich zugeben, dass der generelle, klaustrophobische, neblig-dunkle Charme der Serie nicht zu epochaler HiRes-Vollfarb-Bandbreite einlädt. Und dieser Charme wurde getroffen, das ist die gute Nachricht. Der Nebel in den beiden Städten setzt die richtige Stufe von Niedergeschlagenheit, während der fleischfarbene Stahl und Feuer-Horror der anderen Welt gekonnt eingefangen wurde. Nur auch hier wirkt es alles zu vertraut und lediglich einige wenige Momentaufnahmen sowie die recht seltenen Wechsel zwischen den Welten jagen einen Schauer über den Rücken.