Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Splinter Cell: Blacklist - Test

Drei Jahre nach Conviction liefert Ubisoft nun das Spiel, das den Sam-Fisher-Reboot perfekt macht.

Ich bin nicht sicher, ob ich es schon als Image-Problem bezeichnen würde, aber der Name Tom Clancy auf ... irgendwas spricht nicht unbedingt für die reflektierteste Militär- und Spionage-Fiktion der Unterhaltungslandschaft. Obwohl sich der einst überbordende Patriotismus dieser Titel und die Attitüde, die "Freiheit made in USA" um jeden Preis zu beschützen, mittlerweile clever zurückhalten, heißt das nicht, dass sie nicht mehr da wären. Splinter Cell: Blacklist überrascht da gewissermaßen bis gut drei Viertel in die Geschichte hinein insofern, als dass die Bedrohung durchaus halbwegs nachvollziehbar und nicht komplett in schwarz-weiße Bond-Bösewicht-Gefilde abdriftet.

Es geht um eine Terrorzelle, die die Nase voll hat von Amerikas Weltpolizei-Gehabe und mit gestaffelten Angriffen auf verschiedene Ziele fordert, dass alle Truppen von ihren Auslandseinsätzen abzuziehen sind. Das geht eine ganze Weile lang gut, die Jagd um den Globus ist spannend inszeniert, fließt gut in die Level-Gestaltung ein und man hat viel seltener als sonst das Gefühl, mit Namen, Konflikten und MacGuffins bombardiert zu werden, bis man nicht mehr weiß, was los ist. Ubisoft geht mit Blacklist ein gutes Tempo. Und wenn jemand wie ich, der das Spiel an einem Wochenende durchochsen musste, trotz zweier Mammut-Sessions von je sechs bis sieben Stunden nie das Gefühl hatte, es jetzt aber mal gut sein zu lassen und den Controller wegzulegen, dann haben sie etwas richtig gemacht.

Uncle Sam Wants You!

Dumm nur, dass euch das Spiel auf dem Höhepunkt der Geschichte seinen selbst erfundenen Fifth Freedom gleich zwei Mal aufbürdet: Ihr müsst das Gesetz brechen, um das Land zu schützen. Klar, Jack Bauer macht das täglich schon vor dem Lunch, um die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Aber hier sprechen wir von groben Menschenrechtsverletzungen, die wirklich eine fischige Botschaft senden. Vor allem von der Präsentation war ich ein bisschen schockiert: Ich hatte keine andere Wahl, als die X-Taste zu drücken und mir die "fünfte Freiheit" zu verschaffen. Es ist dabei jedoch nicht mal so, dass man wie bei dem Phosphorbombardement im unterschätzten Spec Ops: The Line klare Signale setzt, dass man hier eben gerade nicht das Richtige tut. Davon will Blacklist nichts wissen. Nein, ihr brecht das Gesetz zweifach und auf ziemlich derbe Weise im Namen der Freiheit und sollt euch auch noch gut dabei fühlen. Bedrohung abgewendet, Status quo kann beibehalten werden. Gott bewahre, dass irgendjemand aus diesem Debakel etwas lernt.

Dermaßen actionbetont geht es nur zur Sache, wenn ihr unbedingt wollt.

Insofern: Ja doch, es ist tatsächlich ein Image-Problem. So sehr es über drei Viertel dieses speziellen Spiels auch danach ausgesehen haben mag, erzählerisch kommen Clancy und ich nie mehr auf einen Nenner. Dann wiederum: Mir war schon vorher klar, dass die gewisse Distanz zu diesen Geschichten, die sich wegen solcher Schoten über die Jahre aufgebaut hat, so schnell nicht wegschmelzen würde. Diese Dinger habe ich nie wegen, sondern trotz des paranoiden Fahnengewedels gespielt. Gameplay und Inhalt passten einfach immer wie die Faust aufs Auge und so ist es auch hier. Und nachdem Conviction mit einigen Reibungsverlusten, aber dennoch durchaus mit Erfolg viele Mechanismen in die neue Generation holte, paddelt Blacklist auf dessen Rücken wieder eindeutig in Splinter-Cell-Gewässer zurück.

Einsätze, in denen Sam ohne sein charakteristisches grünes Dreiauge unterwegs ist, sind kurz und an drei Fingern abzuzählen, die meiste Zeit werden zivile oder militärische Anlagen infiltriert, ohne dass Ubisoft vor der aktuell brisant diskutierten Drohnen-Thematik, Guantanamo oder nicht dokumentierten Einsätzen innerhalb der Landesgrenzen der "Feinde" Amerikas halt machen würde. Unentdecktes Vorgehen steht felsenfest und ohne auch nur einmal zu wackeln im Vordergrund und das Spiel präsentiert sich hier in Hochform. Jeden eurer Schritte bewertet es auf einer von drei Skalen: Geist (lautloses, nicht tödliches Vorgehen), Panther (lautlos, aber tödlich) und einer Dritten, deren genaue Bezeichnung ich jetzt vergessen habe, weil Splinter Cell und Ballern für mich nicht zusammengehören. Jedenfalls wird jeder Einsatz - jeder Kill, Knockout oder jede ungestörte Wache - unter diesen drei Aspekten abgerechnet. Schafft ihr es, die Leiste einer Skala komplett zu füllen, erhaltet ihr für diesen Einsatz und die jeweilige Vorgehensweise ein Abzeichen in Gold.

Die Geister, die sie riefen.

Obwohl die allermeisten Spieler den Großteil ihrer Spielzeit damit verbringen werden, Geist zu vergolden und sich ab und an mit Panther zufrieden geben, ist es in jedem Fall die typische Stärke eines guten Stealth-Spiels, die hier zum Tragen kommt. Es hat einfach etwas Ur-befriedigendes und Motivierendes, ein potenzielles Schlachtfeld hinter sich zu lassen, ohne, dass es überhaupt zu einer Eskalation kommt. Blacklist glänzt hier mit Schauplätzen, die zwar vielleicht nicht unbedingt übermäßig einprägsam, exotisch oder gar spektakulär sind, dafür aber mit vielen Wegen, Klettermöglichkeiten und Schächten fast immer mehr als nur einen Weg bieten, eine Situation zu lösen. Hier die geisterhafteste Route zu finden, ist ein Spiel im Spiel, das den Reiz des ansonsten ein bisschen generischen Militär-Faibles von Blacklist gekonnt aushebelt.

"Die Einführung hüfthoher Deckung sorgt dafür, das Licht und Schatten keine so große Rolle mehr spielen."

Der Abgang von Michael Ironside ist ein Verlust. Der neue Sam klingt jünger und nicht annähernd so tough.

Die Einführung vieler hüfthoher Deckung samt Anschmiegen auf Knopfdruck sorgt dafür, dass das Spiel mit Licht und Schatten bei Weitem nicht mehr eine so tragende Rolle spielt wie noch damals. Zwar darf man weiter "manuell" per Kugel Lichtquellen ausknipsen, darauf verlassen, dass einen die Wache aus ein paar Metern Entfernung deshalb nicht sieht, sollte man sich aber nicht. In der Folge sucht man fast immer lieber sein Heil im toten Winkel hinter Kisten, Leitungsrohren oder Wandvorsprüngen. Das ändert auch die Art des Stealth ein wenig. Auch wenn Sam schon immer sehr eine große Technik-Freude an den Tag beziehungsweise die Nacht legte, reicht es hier in fast jeder Situation, in der richtigen Richtung um ein Hindernis herumzuschleichen oder an der richtigen Stelle ein ablenkendes Geräusch zu produzieren, um eine Patrouille gewissermaßen fernzusteuern.

Es ist ein einfaches und effektives System, auch wenn nach circa zehn Stunden Kampagne das Arsenal von ferngesteuerter Mini-Drohne bis hin zu Klebekameras von mir so gut wie unangetastet blieb. Man kann es wie Inspector Gadget spielen, muss aber nicht. Es bleibt euch überlassen, ob ihr das elegant findet oder ob ihr euch gewünscht hättet, dass das Spiel die überschüssigen Möglichkeiten auch einfordert. Ich kann Argumente für beide Seiten finden, muss aber zugeben, dass ich auf meiner Suche nach der kürzesten und leisesten Route nicht wirklich einen Gedanken daran verschwendete.

Heimlich, schnell und leise

Seit Conviction ist Sam ein wenig schneller zu Fuß und kann flinker und häufig reichhaltiger mit der Umgebung interagieren. Dieser Aspekt gibt sich in Blacklist mehr oder weniger unverändert. Zwar ist das so ikonische Manöver des Wand-Spagats leider schon länger nicht mehr mit von der Partie, ansonsten ist Sams neue Flinkheit aber ein Segen, gerade wenn man bedenkt, wie träge und überkompliziert sich die Reihe damals häufig anfühlte. Die Steuerung erlaubt es endlich, schnell auf veränderte Bedingungen zu reagieren oder im letzten Moment seiner Entdeckung zu entgehen, indem man sich beispielsweise selbst in Windeseile aus dem Fenster wirft, um an der Fassade ungesehen weiterzuklettern. Dadurch entwickelt sich einfach eine tolle Dynamik, wenn man etwa Feinde anlockt und sich dann aus dem Staub macht.

Noch immer ist nicht alles perfekt, so poppen manche Buttoneinblendungen etwa zu spät auf oder erscheinen zu früh, nur um einen Schritt näher am Interaktionsobjekt wieder kurz zu verschwinden. Die Doppelbelegung der A-Taste sorgt ebenfalls dafür, dass hier und da genau das passiert, was man eben nicht wollte. Und doch ist das nur höchst selten ein wirkliches Problem.

"Mark and Execute - eine clevere und spannende Suche nach der richtigen Position."

Optisch macht der Titel seine Sache gut. Beleuchtung und Performance überzeugen auch auf Konsole

Ebenfalls seit Conviction ein zweites Mal dabei ist das spektakuläre Feature 'Mark und Execute'. Ladet durch Stealth-Attacken die Leiste auf und markiert anschließend bis zu drei Ziele, um sie auf Knopfdruck auszuschalten. Das Zielen übernimmt Sam für euch. Was viele ursprünglich mal für einen Spaß killenden Autopiloten hielten, erweist sich in der Praxis als verdammt clevere und spannende Suche nach der richtigen Position. Denn zum einen muss sich das Ziel in Reichweite befinden - und damit recht nah bei euch - und zum anderen sollten natürlich keine Hindernisse dazwischen sein. Verkompliziert wird das Ganze noch durch gepanzerte Wachen, denen bei einem Kopfschuss lediglich der Helm wegfliegt. Für sie müsst ihr Mark and Execute aus nächster Nähe ausführen. Die Suche nach dem besten Ort hierfür, dem richtigen Zeitpunkt und der perfekten Reihenfolge ist extrem packend und lässt reichlich Raum zum Optimieren. Perfekt ist es leider immer noch nicht, denn man sieht einige Schüsse ungehindert durch feste Gegenstände fliegen, aber trotzdem ist diese Art der Problemlösung eines der Glanzstückchen in Fishers Repertoire.

Über den Wolken muss die amerikanische Freiheit wohl grenzenlos sein

Zwischen den Missionen berät sich Sam mit seinen Kollegen Grim, Briggs und Charlie auf der Paladin, einer fliegenden Festung, deren Equipment man mit dem verdienten Budget ausbauen kann, um etwa zu Felde auf dem Radar Nebenziele eingeblendet zu bekommen und dergleichen. Es steigert die eigenen Möglichkeiten ein bisschen, aber in der Praxis steckt man nicht allzu viel Leidenschaft in diese neue Heimatbasis. Man klickt sich so durch, nimmt, was man sich leisten kann und was milde praktisch aussieht und denkt schon zwei Missionen später nicht mehr wirklich daran. So ähnlich verhält es sich auch mit Sams Loadout, seinem Anzug und seinem Waffenköfferchen. Gerade die Schießeisen sind klar vertikal gestaffelt. Kann man es sich leisten, kauft man einfach das Nächste in der Liste und kann sich sicher sein, dass es etwas besser ist, als das, das man vorher hatte.

Wirklich überlegen, welcher Schießprügel für den folgenden Einsatz besser geeignet ist, wird man folglich nie. Der Anzug selbst kann lobenswerter Weise ebenfalls in verschiedenen Kategorien um Besseres ergänzt werden, da aber hauptsächlich die Stealth-Eigenschaften interessieren, lässt man von den besser gepanzerten Komponenten eher die Finger. Nach und nach tauscht ihr so einfach das, was ihr hattet, durch etwas Neues aus und verschwendet an das Vorgängermodell nie wieder einen Gedanken. Durchaus eine legitime Art der Progression. Man wird halt einfach immer ein bisschen besser. Aber es ist deutlich weniger differenziert, als es zunächst den Anschein hat, wenn man das erste Mal einen Blick auf das entsprechende Menü wirft. Anstatt eine strategische Entscheidung zu treffen, horcht ihr hier eher auf eure persönliche Eitelkeit.

"Und doch ist der Paladin als Zentrale ein voller Erfolg, denn er führt die Ermittlungen auf natürliche Art an einem Ort zusammen."

Als Söldner ist man aus der Egosicht unterwegs, was auch der Spielbalance hilft, denn die Spione sehen so deutlich mehr.

Und doch ist der Paladin als Zentrale ein voller Erfolg, denn er führt die Ermittlungen auf natürliche Art an einem Ort zusammen, ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und Hauptmenü zugleich. Dabei begeistert vor allem die nahtlose Integration des Kartenbildschirms, auf dem nacheinander nicht nur die Kampagnen-Missionen eingeblendet werden, sondern auch die Fourth-Echelon-Einsätze, die man alleine oder im Koop angehen kann. Selbst den Vier-Spieler-Modus Spione gegen Söldner darf man von hier aus ansteuern und alles ist in die Handlung integriert. Ich wäre wirklich begeistert, wenn mehr Games vor einem ähnlichen Hintergrund ihre verschiedenen Spielarten dermaßen clever miteinander verzahnten. Eine Ausrede gibt es fortan nicht mehr, denn hiermit liegt die perfekte Blaupause auf dem Tisch.

"Fisher war wegen seiner Geselligkeit bei Spionagekollegen sehr beliebt"

Die über ein Dutzend Koop-Missionen für zwei Spieler - Sam und Briggs - sind ebenso eingängig zu spielen wie die aus der Kampagne und zeigen teilweise sogar sehr schöne Szenarien. Man kann sie sogar alleine spielen und bewältigen, aber tatsächlich motiviert die Suche nach dem perfekten Weg im Tandem noch ein bisschen mehr als allein. Wundervoll auch, dass man den Modus alternativ zum Netz auch in einem Splitscreen (außer auf der Wii U) angehen darf, der technisch mehr als nur annehmbar ist. Die Performance und die gebotene Bildqualität überraschten mich regelrecht. Spione gegen Söldner konnte ich mangels internetfähiger Xbox nicht ausprobieren, allerdings war Kollege Frank im Frühjahr von der Spielvariante recht angetan. Und aus gutem Grund, etablierte Splinter Cell doch mit Spies vs. Mercs doch schon auf der Xbox den Gedanken asymmetrischer Mehrspieler-Partien.

Splinter Cell: Blacklist - Trailer

Dennoch vielleicht der Einwand: An zwei Gelegenheiten in der Kampagne spielt man aus der Ego-Sicht nach Art eines Shooters, der sich auch die Mercs aus dem launigen Gegeneinander bedienen. Und hier wurde schnell klar, dass das Spiel in dieser Kameraperspektive nicht optimal funktioniert. Es ist etwas träger und durch das Anhaken an Umgebungsobjekten nicht ganz so flüssig zu spielen, wie aus der Sicht über die Schulter. Ungeachtet dessen freue ich mich schon jetzt auf das gediegene Katz und Maus, das schon vor so vielen Jahren für unnachahmlich spannende Partien gut war.

Da wären wir also: Blacklist ist unterm Strich ein Spiel, das die Serie nicht unbedingt sonderlich weit vorwärts bringt oder gar neu erfindet. Aber das musste es auch gar nicht, das war Convictions Aufgabe. Nicht jeder wird das Kunststück von vor drei Jahren als gelungen bezeichnet haben und doch wurden hier wichtige Grundsteine gelegt, die Reihe modernen Spielgewohnheiten anzupassen. Blacklist schippert im nächsten Schritt Sam nun wieder in vertraute Gewässer zurück und das gelingt so gut, dass man glauben könnte, er wäre nie fort gewesen. Es ist ein gut aussehendes, routiniertes und fein austariertes Schleichspiel, das genau die Nische beackert, die es muss. Vielen alten Fans wird das gut gefallen.

Die Frage ist jetzt, wie es von hier aus weiter geht? Ist eine zweite - wenn man den gekippten ersten Entwurf von Conviction mitzählt, sogar dritte - Neuerfindung erforderlich oder reicht die pure Lust am Stealth, an Räuber und Gendarm und der Suche nach dem einen perfekten Weg, um nach dieser Machart noch in weiteren Spielen zu punkten? Ich vermag es nicht zu sagen. Mir würde es vermutlich schon reichen, wenn sich das Team für den nächsten Serieneintrag einmal mit seinem propagierten Militarismus auseinandersetzt und es nicht, wie hier, dabei belässt, den Diskurs nur anzudrohen. Ein frommer Wunsch, ich weiß!

8 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Splinter Cell: Blacklist

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

Verwandte Themen
Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
Kommentare