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Tchia im Test: Der neue Gratis-Titel auf PS Plus Extra und Premium hat mehr Herz als alles andere

Neukaledonien-Urlaub für Sammelfreunde.

Viele Möglichkeiten, viel Schönheit und noch mehr Herz treffen auf unrundes Questdesign und Sammel-Overkill. Dennoch jeden Blick wert, den ihr darauf werft.

Ich muss ehrlich zugeben: Bis Tchia meines Weges kam, hatte noch nie von Neukaledonien gehört. Oder besser: Der Name dieses Ortes kam mir mal unter, aber ich hätte nicht sagen können, wie es dort aussieht und in welche Richtung ich mit dem Finger über die Karte fahren muss, um ihn zu finden. Dank Tchia, einem neuen Indie-Titel, der sich diese Inselgruppe rechts von Australien und grob auf halbem Wege zwischen Neuseeland und Papua-Neuguinea zum Vorbild nimmt, weiß ich es. Und auch, wenn dieses Spiel längst nicht alles ist, was ich nach der Preview noch zu hoffen gewagt hatte: Dieses Wissen weckt ordentlich Fernweh.

Wie in Zelda könnt ihr auch in Tchia auch überall hochklettern, so weit die Ausdauer reicht. Die meiste Zeit werdet ihr aber versuchen, einen Vogel zu kontrollieren...

Das tut es sogar, ohne es allzu genau zu nehmen oder Neukaledonien auf seinen fiktiven Inseln allzu sehr zu idealisieren. Aber die Art, wie die Berge mal schön vor sich hinfließen, mal schroff aus dem Meer geschlagen zu sein scheinen, wie Laubbäume, Palmen und sich wie Korkenzieher in schwindelnde Höhen drehende Nadelbäume aufeinanderfolgen, das wirkt so seltsam und fremd, man sähe es gerne selbst einmal. Mit seinen eigenen Augen und nicht durch die einer Spielfigur. Hier das Gerippe eines ertrunkenen Waldes, dort ein Mangrovensumpf, dann eine himmlische Lagune voller Korallen in allen Farben, die man sich vorstellen kann. Und mittendrin, ihr als Tchia, die auf dem Hosenboden die Hänge hinunterrutscht, klettert, was die Finger halten oder in über 30 Tiere hineinschlüpft, um sie zu kontrollieren.

Kurz: Das fühlt sich nach Abenteuerurlaub an, wie man ihn als Kind mit blühender Fantasie, aber ohne zielstrebige Ambitionen, gerne jeden Sommer erlebt hätte. Mein schwerwiegend tierversessener und unter ewigem Fernweh leidender fünfjähriger Sohn hat mir hier unfassbar gerne zugeschaut und ich hab’ ihm Tchia gerne gezeigt. Bis die Geschichte um die Befreiung von Tchias Vater aus den Fängen des Herrschers der Insel, Meavora, ein paar extrem finstere Haken schlug. Die hatten zwar den Vorteil, dass man eine starke Motivation bekommt, den “Bösen” einen Strich durch die Rechnung zu machen, aber es kommt sicher nicht bei jedem Kind gut an.

... was ungleich komfortabler ist.

Das ist schon reichlich skrupellos, wie die Antagonisten auch vor Babys und kleinen Kindern nicht haltmachen, und sollte trotz des sonnigen Ersteindrucks vielleicht lieber erst von Kindern jenseits ihrer ersten sechs Lebensjahre erlebt werden. Es ist jetzt nicht wahnsinnig viel herausfordernder als ein Pixar-Film und natürlich ist am Ende vieles (aber längst nicht alles) wieder gut, aber ein paar gemeine Mord-und-Totschlag-Stellen kommen doch ziemlich überraschend. So viel nur als Warnung, wenn ihr vorhabt, Tchia mit Kindern zu spielen.

Eine weitere Überraschung liegt in den Möglichkeiten, die Entwickler Awaceb seiner Protagonistin mit auf den Weg gibt. Ich schwärmte ja schon Anfang des Jahres von den coolen Fortbewegungseinfällen, die Tchia so hatte. In Baumkronen zu klettern, vor und zurückzuschwingen und sich dann selbst durch die Luft zu schnippen, ist so wahnsinnig cool, dass ich es gerne in jedem Spiel sähe. Auch gleiten darf man, wenn man, von einer Klippe springend, seinen Schirm aufreißt. Sich in die glatte Haut eines Delfins zu zaubern, um unter Wasser elegant seine Kreise zu drehen, oder als Hirsch selbst steile Hänge hinaufzustürmen, die man als Tchia mit gefährlichem Tempo wieder herunter schlittert, das hat alles seinen Reiz. Das Problem ist nur, dass so gut wie alles hinfällig wird, nachdem man das erste Mal in eine kackende Taube hineingewünscht hat. Danach legt ihr jeden Weg nur noch fliegend zurück.

Einer der coolsten Gameplay-basierten Gags seit laaaaanger Zeit. Ich muss immer noch lachen, wenn ich daran zurückdenke.

Diese Sorte Designproblem zieht sich eigentlich auf fast kompletter Strecke durch Tchia. Es macht durchaus Spaß und wickelt einen mit seinem Charme und seinem großen Herzen effektvoll um den Finger. Doch wie es den Sandbox-Ansatz verfolgt, das untergräbt ein wenig das eigentliche Spiel. Um bei der Sandkastenmetapher zu bleiben: Es verbuddelt ein paar Süßigkeiten und kleines Spielzeug in der Kiste und stellt euch eine Menge Werkzeug hin, um das freizulegen. Aber warum zum Plastikeimer, Handschippchen und Gießkanne greifen, wenn Bagger und Radlader vollgetankt und mit steckendem Schlüssel direkt danebenstehen?

Fast jedes Problem lässt sich fliegend lösen, beinahe jede Quest damit, dass man sich in eine der reichlichen Laternen hineinversetzt und damit die bösen Stoffdämonen, deren Stoffhaufennester oder Meavora-Maschinen explodieren lässt. Einige Tiere haben wenig oder gar keinen Nutzen und die, die einen haben, dominieren das Spiel. Vögel machen das Rennen als Hirsch hinfällig, graben (Hund, Wildschwein) hat nur gelegentlich mal einen Sinn und wenn mal eine Schatztruhe zu gekettet ist, habe ich im Inventar immer einen Palmendieb-Krebs dabei, mit dessen Klaue ich sie knacken kann. Bei manchen Kreaturen war ich mir nicht sicher, was ich damit sollte. Nicht falsch verstehen: Es ist nett, dass ein Spiel auch mal Sachen nur für den Spaß an der Freud einwirft, aber bisweilen fühlt sich das ein wenig leer an. Auf dem Hauptweg der Kampagne spielt man deshalb vermehrt an vielen Systemen, Mechanismen und Fähigkeiten vorbei. Schlicht, weil es ein paar gibt, die viel mächtiger sind als alle anderen.

Schleichen spart man sich irgendwann. Man rennt einfach, bis man was Brennbares findet.

Dass die feindlichen Stoffwesen so gut wie keine Bedrohung darstellen und der erst unterhaltsame, dann aber sehr gleichförmige Kampf in Gestalt unterschiedlicher feuriger Projektile viel zu einfach ist und sich bald nach Fleißarbeit anfühlt, passt da exakt ins Bild. Ebenso wie die Tatsache, dass am Schluss der Einsatz der Steinschleuder verlangt wird, die ich an dem Punkt schon beinahe vergessen hatte, oder dass weder Tiere noch Touristen wirklich auf Tchias oft nicht ganz ungefährliche Kunststücke und Zaubereien reagieren. Das ist schade, vor allem in einer Sandbox, in der man sogar viele der Felsen und Steine manipulieren darf.

Außerdem sollte ich nicht unter den Tisch fallen lassen, dass das Spiel enorm sammel- und herausforderungsfreudig ist und diverse Dinge auf der Karte verteilt, die mit dem Rest des Abenteuers nichts oder nur wenig zu tun haben. Einige sehr gut versteckt, andere extrem offensichtlich und nur wenige, wie die Ausdauerfrüchte oder die Schatzkisten, die neue Kleidung für Tchia enthalten, wirklich lohnend. Trotzdem machen Dinge wie die Sprungbretter oder die Renn-Herausforderungen Spaß, wenngleich ich sie nie als zwingend motivierend empfand. Wer gerne sammelt und Häkchen an Checklisten macht, was angesichts der relaxten Atmosphäre Tchias in diesem Spiel angenehmer ist als in vielen vergleichbaren Spielen, kommt hier auf seine Kosten.

Charme gewinnt.

Nett sind auch die diversen Musik-Minispiele. Die Ukelele etwa kann man sogar tatsächlich ganz ordentlich “frei” spielen. Aber bei den Rhythmus-Spiel-Ausflügen Tchias fehlt es einfach an Herausforderung, weshalb ich das Spiel hier häufig in den automatischen Modus versetzte, um die Untertitel der schönen Songtexte lesen zu können.


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Ein paar Bugs und Abstürze bereiteten mir unterdessen während meines Tests Schwierigkeiten. Vor allem konnte ich mich nach der Übernahme eines Tieres manchmal nicht bewegen und beim Wechsel zwischen zwei Monitoren wurde mehrfach ein falsches Seitenverhältnis dargestellt, bis ich das Spiel neu startete. Und – das fällt jetzt nicht unter “Bugs” – wann immer das Spiel Städte oder Industrieanlagen darstellen will, fällt jede Schönheit von ihm ab. Das sieht manchmal wirklich aus wie aus Duplo zusammengesteckt.

Tchia Test – Fazit:

Obwohl Tchia also spielerisch bisweilen unrund wirkt, komme ich nicht umhin, mich gerne an meine Zeit damit zu erinnern. Es lebt von seinen schönen Landschaften und den niedlich designten und ausdrucksstarken Charakteren. Meavora ist in Aussehen und Verhalten ein herrlich fieser Bösewicht, während man Tchia und ihr Umfeld einfach mögen muss. Ich würde sogar so weit gehen, dass es vermutlich das Spiel mit dem größten Herzen ist, das ich seit Langem gespielt habe, ohne dass es kitschig, überzuckert oder tränendrüsig daherkäme. Und obwohl die Kampagne ziemlich plötzlich vorüber ist, war ich am Ende (nach dem man noch einige Aufgaben vor der Brust hat), tatsächlich sehr gerührt.

Also ja, letztlich bleibt ein Spiel, das trotz aller beachtlichen Möglichkeiten der sympathischen Hauptfigur insgesamt zu oft gleich verläuft. Das bedeutet aber nicht, dass ich keinen Spaß hiermit gehabt hätte. Das Szenario ist unverbraucht und die Breite von Tchias Fähigkeiten interessant und groß genug, um so tief ins Spiel vorzudringen, dass man es auch zu Ende bringen will. Tchia im Stich zu lassen, das bringen wirklich nur Unmenschen übers Herz.

Tchia – Wertung: 7/10

Tchia Pro und Contra

Pro:

  • Tchias Kräfte und Fortbewegung machen eine Menge Spaß
  • Schöne Anlehnung an ein weit entferntes Fleckchen Erde
  • Geschichte wird erstaunlich finster und später sehr rührend.
  • Hübsche Art Direction und schöne Landschaften…

Contra:

  • ... aber arg blockig, wenn man die Natur verlässt
  • Fliegen und verbrennen lassen andere Mechniken in den Hintergrund treten
  • Sehr sammellastig und Questdesign etwas einfallslos
  • Wenig echte Interaktionen mit anderen Figuren und Tieren
  • Feinde kaum bedrohlich

Entwickler: Awaceb – Publisher: Awaceb/Kepler Interactive – Plattformen: PC (Epic Store), PlayStation 4, PlayStation 5 – Release: 21. März 2023 – Genre: Action-Adventure, Open-World – Preis (UVP): 29,99 Euro, in PS Plus Extra und Premium enthalten

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