Aus gegebenem Anlass: Warum habt ihr noch nicht Valiant Hearts gespielt?
Eines der bewegendsten Spiele über Krieg und seine Opfer.
Ich weiß. Es ist immer ein bisschen verpönt, wenn Abodienste der Marke Games with Gold bei den monatlichen Spielen mal nicht in die Vollpreiskiste greifen. Wenn aber wie diesen Monat ein Kaliber wie Valiant Hearts dabei ist, merke ich jedes Mal, wie wenig sinnhaft die Unterscheidung in Triple-A und Indie heutzutage doch oft ist. Vor allem bei einem Spiel wie diesem, das ein Triple-A-Hersteller unter Indie-Bedingungen produzierte. Valiant Hearts vereint das beste beider Welten: der gewinnende Stil und die technische Ausgereiftheit einer bei gewaltiger Mannschaftsstärke errichteten Megaproduktion, verknüpft mit alles andere als zielgruppengesteuertem Inhalt und viel, viel Herz.
Im Herzen ein Adventure, nein, ein Animationsfilm zum Mitspielen eher, kommt Valiant Hearts ohne große Action-Einlagen aus, die über Rhythmusspielchen oder simple Renneinlagen hinausgingen, nie zückt ihr eine Waffe, um ein Problem mit dem Betätigen eines Abzugs zu lösen. Die Herausforderung übersteigt niemals einfachste Beobachtungsaufgaben und doch ist schlicht bewundernswert, wie Ubisoft durch die Augen unschuldiger Cartoon-Figuren tief ins Herz der Finsternis hineinblickt. Der Ton, er steht mit seinem Sinn für Humor oft im Zwist mit den schlimmen Themen, die das Spiel anschneidet. Aber es ist ein durchweg gewollter, meist sehr treffsicher lancierter Bruch zwischen bestürzender Historie und turbulenter Tragikomödie.
Egal, ob es um auseinandergerissene Familien geht oder die grausigen Anfänge der chemischen Kriegsführung, die Darstellung ist nicht realitätsgetreu, der Geist der gezeigten Konflikte wird jedoch auf eine gut verdauliche Essenz heruntergekocht, die nicht übermannt, aber auf fast zärtlichem Wege eine dramatische Dringlichkeit entwickelt. Es ist kein Spiel, dem der Sinn danach steht, euch viel unverdünntes Wissen über diesen Konflikt mit auf den Weg zu geben, auch wenn die freischaltbaren Infoschnipsel das hier und da doch vollbringen. Valiant Hearts will euer Interesse für die Natur des Krieges wecken, über das Gefühl zum Kern des Schreckens vordringen. Das gelingt ihm wie wenige andere Spiele, nicht, dass sich schon viele so daran versucht hätten.
Es ist wohl das einzige Kriegsspiel, das Eltern mit aufgeweckten Kindern erleben können - zusammen wohlgemerkt, denn es kann stellenweise sehr traurig werden -, weil es den Konflikt zu keinem Zeitpunkt für Machtfantasien instrumentalisiert. Hier findet eine buchstäbliche Entwaffnung des Kriegsspieles statt, mit der die Verantwortlichen die Selbsttäuschung entlarven, der viele der kritischeren Titel vor diesem Hintergrund aufgesessen sind. Denn am Ende geht es dort meistens immer noch um Heldentaten, die man mit Blick über Kimme und Korn vollbringt.
Es wird sicher nicht jedermanns Lieblingsspiel werden. Dazu sind die Mechanismen, die ihm zugrunde liegen, zu seicht, und einige dürften sich an der Karikierung gewisser und zudem etwas bequem gewählter Figurentypen stören. Zudem kommen nicht alle Handlungsstränge zu einem gleichermaßen prägnanten Ende wie... der eine ganz am Schluss, den ihr noch die nächsten paar Jahre bis ins Mark gerührt mit euch rumschleppen werdet. Trotzdem ist dieses besonnene Abenteuer eines der Ausnahmespiele des letzten Jahres und deshalb Pflichtprogramm, wenn ihr es bisher ausgelassen habt. Triple-A hin oder her, sind Games with Gold und Konsorten nicht geradezu prädestiniert für Titel, die man sich nicht kaufte, weil man sich ihrer nicht sicher war?
Aber nicht nur runterladen, sondern bitte auch spielen.