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Battlefield 3 - Das Lamentum eines Solo-Spielers

Warum wollte er noch mal die Welt brennen sehen?

VORSICHT! Dieser Text enthält SPOILER zur Solo-Kampagne von Battlefield 3. Wer so etwas nicht lesen möchte, geht jetzt besser wieder eine Seite zurück.

Oder zu dem spoilerfreien Test der Singleplayer-Kampagne von Battlefield 3 beziehungsweise dem Test des Multiplayer-Parts von Battlefield 3.

Hinweis: Wenn ihr Hilfe zum Spiel braucht, werdet ihr in der Battlefield 3 Komplettlösung mit Tipps und Taktiken fündig.

Nach sechs Stunden weiß ich sehr genau, warum man Battlefield 3 nur kaufen sollte, wenn man ganz klar vor hat, sich mit den Multiplayer-Modi zu beschäftigen. Diese sind klasse, großartig und alles, was Kristian sagt. Bin ich aber nicht so der Typ für. Ich spiele Multiplayer gelegentlich ein oder zwei Stündchen, aber das auch eher selten. Für mich steht immer noch die Kampagne an erster Stelle und wenn Battlefield 3 da ein Blick in die Zukunft ist, sehe ich schwarz.

Es ist nicht einmal die Kürze. Oder zumindest nicht nur. Das erste Modern Warfare hatte eine für seine Zeit brillante Kampagne und die dauerte auch nicht viel länger. Aber sie bot alles, was Battlefield 3 nicht aufbringen kann. Oder zumindest etwas mehr von den Zutaten, die hier komplett fehlen. Nachdem ich innerhalb eines nicht zu viel längeren Abends in Battlefield 3s Solo-Modus den ersten und auch den letzten Schuss feuerte, drängte sich mir eine Frage auf: Was zur Hölle wollte der Oberböse eigentlich? Wer war dieser Typ, mit dem ich mich um eine Mini-Atombombe auf dem Times Square prügelte? Warum war er in gleichem Maße sauer auf die USA und Russen? War er eigentlich auf die Russen sauer? Oder war er doch von den Islamisten manipuliert worden, bei denen er so lange Unterschlupf fand? Das wenigstens wurde in einem Halbsatz erwähnt. Aber sonst? Nichts davon, aber auch rein überhaupt gar nichts, wird beantwortet. Ratlos und unzufrieden sitzt man vor den runterlaufenden Credits und fragt sich als erstes, was die Story-Leute als Leistung auf ihren Rechnungen vermerkten.

Die Zwischensequenzen in einem Verhör zwischen dem Hauptprotagonisten und zwei klischeeüberfrachteten CIA-Deppen dient nur einer kurzen Verknüpfung, die so lose ist, dass alles, was nicht zwischen Start- und Endpunkt einer Kugel liegt, komplett auseinanderfällt. Ein Punkt, den viele Spiele dieser Art komplett vergessen - und Filmen geht es da in den letzten 15 Jahren nur selten anders -, ist, eine Motivation für die Charaktere aufzubauen. Ein paar kurze Brocken einer Standard-Terroristen-Vita reichen nicht, um zu erklären, warum jemand der Meinung ist, zwei Großstädte mit Atombomben einäschern zu müssen. Die Twists funktionieren nicht, wenn man diesen Punkt außen vor lässt, weil dann jede Wendung beliebig wirkt. Es lässt den Spieler komplett kalt, dass der Böse plötzlich angeblich etwas ganz anderes ist, als man denken sollte. Ich wusste vorher nichts über ihn, es hat sich nichts geändert. Man dachte nie vorher an ihn, man denkt nie wieder später an ihn. Das Spiel trägt dafür gründlich Sorge.

Und die Helden. Genau das Gleiche. Für beide, sowohl für den Haupthelden wie auch seinen russischen Freund, hätte es eine Art modernes Apocalypse Now werden können. Battlefield 3 hat die Technik und mit seiner nahöstlichen Großstadt, die mitten im Gefecht von einem Erdbeben in ein surreales Wasteland verwandelt wird, ein perfektes Szenario. Ein Trip durch die Hölle, in dem sich die klaren Befehlsstrukturen in einen Morast der eigenen Loyalitäten und Moral verwandelt, der die getroffenen Entscheidungen in den Momenten für den Helden ebenso glasklar wie für Außenstehende unnachvollziehbar erscheinen lassen. Battlefield 3 versucht genau das und scheitert daran auf ganzer Linie. Die Brocken ausgewürgter, schlampiger Erzähltechnik, die einem hier vor die Füße geworfen werden, machen nur dann Sinn, wenn man sich streckt und im Geiste eine eigene Geschichte dazu spinnt. Nur um dabei festzustellen, dass man sich weit Besseres zusammenreimt, als hier jemals auch nur scheinbar angedacht wurde.

Selbst die denkbare Intention, dass das alles aus der Perspektive einzelner Soldaten, die nicht das Gesamtbild kennen, erzählt wird - Momentaufnahmen aus der Hitze des Gefechts -, macht keinen Sinn. Es hätte bis zum letzten Drittel funktioniert, danach bricht auch dieser Gedanke zugunsten der Kampagne zusammen. Dass das eher hätte was werden können, zeigt der Abschnitt um den Panzer-Fahrer Miller. Angefangen von dem durch das Thunder-Run-Video berühmten Plastiksaurier bis zu seinem Tod ist seine Geschichte eine kleine, gelungene Randepisode, die erschreckenderweise viel mehr Persönlichkeit vermittelt als alles, was den Hauptfiguren vergönnt wird.

Battlefield 3 - Thunder Run Tank-Gameplay-Demo

Ich weiß, ich kenne das Argument: Es ist ein Shooter, Story ist zweitrangig. Aber warum dann überhaupt die Mühe? EA ließ verlautbaren, dass die Geschichte dazu dient, um die Fans ins Spiel zu bringen und sie für den Multiplayer-Modus reifen zu lassen. Dann jedoch verfehlt die Kampagne aber auch dieses Ziel spektakulär. Die extrem geskripteten Sequenzen, in denen man keine fünf Meter nach rechts oder links darf, ohne verwarnt zu werden, haben nichts mit den freien, riesigen Maps der Multiplayer-Schlachten gemein und es bringt einem auch nichts über die dort nötigen Taktiken bei.

Wenn dieses Argument nicht zählt und die Story lediglich zur dürftigen Anbiederung an die CoD-Crowd verkommt, dann muss man am Ende eben doch zur Erkenntnis kommen, dass eine Geschichte in einem Kampagnen-Modus auch bei einem Shooter wichtig ist. Sie ist das, was diesen Modus von den Mehrspieler-Schlachten absetzt. Das perfekte Waffenfeeling und die großartige Grafik kann man dann auch dort ungehindert genießen. Insbesondere dann, wenn der Solo-Modus sich nicht einmal die Zeit nimmt, seine größeren Story-Momente auch zu inszenieren. Die Atombombe in Modern Warfare ließ uns alle mit offenen Mündern auf der Couch zurück. Ein Moment, den es so im Multiplayer nicht geben kann. Die Atombombe von Battlefield 3 wurde nicht nur dreist abgekupfert platziert, sondern hatte auch in der Präsentation und Inszenierung im Vergleich zum Pyronale des weit älteren Konkurrenten den Knalleffekt eines Mini-Böllers. Wenn man schon das Gleiche macht, dann sollte es wenigstens besser aussehen, aber selbst hier scheitert die Kampagne von Battlefield.

Ich hätte mit all dem nicht einmal ein so großes Problem, wenn mich jede einzelne Schlacht mitreißen würde, wenn jeder Firefight zu einem Kampf auf Leben und Tod gegen einen zahlenmäßig überlegenen, intelligenten Feind ablaufen würde. Aber wie schon erwähnt, gibt es keine großen Areale für taktische Überlegungen, sondern nur Orte, an die einen das Spiel setzt, um ein bisschen Tontaubenschießen zu veranstalten. Leicht ist es keineswegs immer, da die KI gut zielen und man selbst schnell ungeduldig werden kann. Aber sonst bekommt der Feind nicht viel auf die Reihe. Die größten Schlachten lassen 30 bis 40 Teilnehmer auftauchen, was nicht sonderlich beeindruckend wirkt, wenn man es auf ein größeres Feld verteilt. Und diese Teilnehmer laufen gerne mal wie die Lemminge vor, gezieltes Flankieren und Deckungsfeuer sind ihnen Fremdwörter. Nichts davon reproduziert das pure Adrenalin einer guten oder selbst einer mittelmäßigen Mehrspieler-Runde in Battlefield 3.

Spielt man seine Shooter also wie ich für den Solo-Modus, dann kommt man nicht umhin, von einer großen Enttäuschung zu sprechen. Was nützen das beste Waffenhandling und die schönsten Lichteffekte und Texturen, wenn man nichts daraus macht? Die Grafik fällt nach einer Stunde nicht mehr groß auf, man hat sich dran gewöhnt. Danach schaue ich zwangsläufig auf die Geschichte und da ist nichts, was auch nur die wenigen Stunden eurer Zeit rechtfertigt. Battlefield 3 ist eben das Beste unter der Sonne, wenn ihr es mit anderen zusammen oder auch gegeneinander spielt. Aber verbringt eure Zeit damit nicht allein.

In diesem artikel

Battlefield 3

PS3, Xbox 360, PC, Nintendo 3DS

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Über den Autor
Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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