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Erste Flugstunden mit Secrets of Raetikon

MacGyver-Vogel trifft auf persistente Alpha-Alpen im Scherenschnitt-Look.

Der Falke hat meinen Vogel bös' erwischt. Doch das gewagte Manöver hat sich ausgezahlt: Nach einem kurzen Luftscharmützel gelang es mir, den Raubvogel an den Schwanzfedern zu packen. Nun zerre ich das wild flatternde Federvieh mit beherzten Flügelschlägen über eine Bergkuppe zu jener Höhle, vor deren Eingang ein Rabe grimmig Wache hält. Jeden Eindringling, der die Höhle betreten will, packt das schwarze Biest und schleudert es in ein Büschel Dornen, wie ich schmerzhaft lernen musste. Keine Chance, sich unbemerkt vorbeizuschleichen. Doch nun habe ich unfreiwillige Verstärkung im Schlepptau. Kurz vor der Höhle lasse ich den Falken los - der attackiert prompt den Raben. Ich nutze das Getümmel und lenke meinen gefiederten Schützling in die Höhle. Geschafft!

Drinnen angekommen wartet ein Steinpuzzle. Ich muss eine Rabenskulptur aus Bruchstücken zusammensetzen. Die Aufgabe wird mir nicht auf dem Silbertablett per Questtext serviert - aber das geschulte Adventure-Auge erkennt das Puzzle nach wenigen Sekunden. Jedes Einzelteil klaube ich mühevoll vom Boden der Höhle auf, trage es flatternd zu seinem Bestimmungsort und verfluche im Stillen die Physik-Engine, die man nur allzu deutlich spürt: Ein winziger Vogel, der einen riesigen Stein anheben will? Dafür muss ich den Knopf zum Flügelschlagen im richtigen Rhythmus hämmern, dass der Daumen pocht. Doch das Kunststück gelingt. Nach ein paar Versuchen steht die Figur intakt vor mir und eine geheimnisvolle Apparatur setzt die gigantische Rabenstatue im Hintergrund in Bewegung. Was wohl als Nächstes passiert?

Ein Puzzle auf den zweiten Blick: Ihr müsst aus den Trümmern links die Figur auf der rechten Seite nachbauen. Nicht einfach für den kleinen Vogel.

Der Held von Secrets of Raetikon ist eigentlich ein kleiner 'Vogel-Mensch', wie Indie-Entwickler Broken Rules auf der offiziellen Seite schreibt. Für mich schaut es wie ein Piepmatz mit zu großen Füßen aus. Wie auch immer: Die Steuerung per Gamepad geht gut von der Hand, per Maus und Tastatur lenkt sich das Vogelwesen eher mühsam. Trotzdem vergehen von den ersten ahnungslosen Flügelschlägen bis zur komplexen Flugakrobatik nur wenige Minuten, bevor man neugierig die riesige Alpenwelt erkundet und ihre komplex verschachtelten Rätsel löst, ohne den Hauch einer Ahnung zu haben, was man da eigentlich in Gang setzt. Erst im Laufe des Spielfortschritts wird der Schleier vom großen Geheimnis gezogen, das dieser Welt innewohnt. Bis dahin folgt ein scheinbar unüberwindbares Hindernis auf das nächste - der Titel ist stellenweise knüppelschwer. Zudem liegen die Rücksetzpunkte weit auseinander. Ein wenig Frusttolleranz muss man also mitbringen, wenn man hier bestehen will.

Kleiner Piepmatz, große Welt

Euer Schützling besitzt weder scharfe Krallen noch einen kräftigen Schnabel. Ihr könnt Gegenstände packen und mit viel Mühe bewegen, teilweise auch in die Lüfte heben. Mehr aber auch nicht. Letzten Endes bleibt euch nur euer Grips, um voranzukommen. Da legt ihr ein gefundenes Ei in ein leeres Nest, um einen Spatz auszubrüten, den ihr dann wiederum einem Raubvogel als Ablenkung vorwerft. Oder ihr löst durch gezieltes Entfernen von Steinen eine Felslawine aus, die einen Baumstamm aus dem Weg räumt. Mit dem richtigen Zieh-Rhythmus wird der Felsen an einer Kette zur Abrissbirne, die eine Wand einreißt. Schalter, Räder, Hebel - sie alle lassen sich irgendwie bewegen, auch wenn euer Piepmatz hinterher subjektiv aus dem letzten Loch pfeift (und euer Gamepad-Daumen gleich mit).

Euer Schützling besitzt weder scharfe Krallen noch einen kräftigen Schnabel. Letzten Endes bleibt euch nur euer Grips, um voranzukommen.

Geschickt taucht unser Piepmatz im Sturzflug einem Felsbrocken hinterher, der im nächsten Moment einen Baumstamm zertrümmert und den Weg freiräumt.

Unterwegs findet ihr leuchtende Dreiecke, die ihr in mysteriöse Maschinen einspeist, um noch geheimnisvollere Edelsteine zu erzeugen. Diese werden in einer gigantischen Statue in der Mitte der Spielwelt platziert - man fühlt sich unweigerlich an Metroid erinnert, wenn man die Bildschirme vorwärts und rückwärts abklappert, um neue Wege zu erschließen. Die Welt ist persistent und erstaunlich interaktiv. Überall gibt es Dinge zu packen, Pflanzen aus dem Boden zu zerren oder oder Neues zu entdecken. Zum Beispiel Schrifttafeln, die sich nur lesen lassen, wenn ihr die passenden Runen einsammelt und dadurch Schritt für Schritt deren Alphabet entschlüsselt. Das dürfte passionierte Entdecker lange Zeit auf Trab halten. Rätselfreunde sowieso.

Stilistisch setzen die Macher auf eine bunte Scherenschnitt-Vektor-Optik, um ihre zweidimensionale Alpenwelt wie ein riesiges Tangram-Puzzle in Szene zu setzen. Der Look erinnert ein bisschen an das jüngst erschienene Guacamelee! Untermalt wird das Ganze von sphärischen bis fröhlich-flotten Musikstücken und reichlich Windgeräuschen - euer ständiger Begleiter während des Abenteuers. Diese Windströmungen können euren Flug beschleunigen und euch helfen, Feinde abzuschütteln. Manchmal wehen euch die Böen aber auch in Dornen oder machen das Fortkommen zur zähen Plackerei. Wie ein richtiger Vogel müsst ihr also lernen, den Wind zu eurem Vorteil zu nutzen.

Ein Bonbon für kreative Köpfe ist der jederzeit zuschaltbare Level-Editor, mit dem sich später völlig neue Gebiete entwerfen lassen sollen. Eure Werke können dann per Steam Workshop hochgeladen und mit anderen geteilt werden.

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Secrets of Raetikon begeistert mich schon in seinem jetzigen Alpha-Status, was nicht zuletzt an den knackigen Rätseln liegt, für die man die Denknudel und seine Hand-Auge-Koordination ordentlich anstrengen muss. Wer einmal ein Puzzlestück über mehrere Bildschirme, Hindernisse, Windböen und an Dutzenden Feinden vorbei zu seinem Bestimmungsort gewuchtet hat, fühlt sich hinterher stolz wie Oskar. Die Interaktion mit der Spielwelt und ihrer durchdachten Physik ist gelungen - besonders gefallen hat mir, dass mein Vogel trotz seiner scheinbaren Unterlegenheit alles andere als wehrlos ist. Es gibt kein Hindernis, das nicht mit ein paar MacGyver-Kapriolen aus dem Weg zu räumen wäre. Nicht zuletzt sagen mir die frische, ungewöhnliche Optik und die Aussicht auf reichlich Abenteuer aus der Workshop-Community zu. Ein paar Bugs und Macken gibt es zwar noch auszumerzen, doch ich bin optimistisch, dass die Macher das bis zum Release in diesem Frühjahr hinbekommen. Bis zum 14. Januar gibt es den Titel bei Steam als Early-Access-Spiel für 6,74 Euro, danach werden 8,99 Euro fällig.

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