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HBOs The Last of Us: Folge 6 geht heimlich ein großes Risiko ein – und schlägt eine Brücke in die Zukunft

Kurskorrektur zum großen Finale?

Spoiler zu Folge 6 von HBOs The Last of Us und zu der Geschichte der Spiele. Solltet ihr die noch nicht kennen, lest ihr besser nur vorsichtig weiter, wenn überhaupt.

Ok, zwei Drittel sind rum, Zeit für eine Bestandsaufnahme. Wie gut ist HBOs The Last of Us wirklich? Nun, es ist vermutlich die beste Videospielverfilmung – auch wenn das wenig vergleichbare Werewolves Within ihm einen guten Fight liefert. Es ist definitiv eine gute Serie und ich freue mich, dass mehr Leute diese Geschichte und Figuren kennenlernen. Aber haben wir hier kollektiv wirklich das Gefühl, dass wir hier das übliche HBO-Niveau bekommen? Da habe ich so meine Zweifel.

Woran es liegt, da bin ich nicht mal sicher, denn das Casting sitzt im Hinblick auf das Talent auf den Punkt. Die Show ist nicht schlecht erzählt, nimmt sich erfrischende Freiheiten vom Ausgangsmaterial, die Chemie der Figuren stimmt und die Serie setzt immer wieder kleine Glanzlichter. Aber im Großen und Ganzen wirkt alles doch zu zahm, weder brutal noch gruselig genug und visuell arg gewöhnlich. Noch dazu fand ich es bisher an einigen Stellen gehetzt und durch Abzug des spielerischen Anteils in seiner Ereignisdichte gleichzeitig ein wenig dünn – alles zu unverbindlich irgendwie. Aber gut gemacht ist es allemal, weil das Gerüst dieser Geschichte, die Figuren und ihre Beziehungen solide genug sind.

Der immer verlässliche Graham Greene hat eine der coolsten Sequenzen der Serie bisher. Und dafür muss er noch nicht einmal aus seinem Stuhl aufstehen. (Bildquelle: HBO)

Ich muss sagen, Folge sechs machte mir nach dem arg Einschub-haften Kansas-City-Subplot wieder deutlich mehr Spaß. Das liegt insbesondere daran, dass Joel mit nur noch drei Folgen vor der Brust mit offenen Karten spielt, was emotional mittlerweile für ihn auf dem Spiel steht. Pedro Pascals Joel kehrt nach seiner Wiedervereinigung mit seinem Bruder Tommy (Gabriel Luna) in einer der stärksten Szenen der Serie bisher geradezu herzzerreißend sein Innerstes nach außen, ihn plagen Angstzustände, aus Sorge, er könnte Ellie wie schon Sarah verlieren. Schlimmer noch, verantwortlich für ihren Tod werden. Das lässt insofern tief blicken, als dass er die Schuld für den Verlust von Sarah in erster Linie bei sich sieht.

Ich fand das wahnsinnig glaubwürdig. Das ist so ein Elternding, dass man es als seine primäre Aufgabe sieht, seine Kinder gar nicht erst in eine gefährliche Situation geraten zu lassen – egal, wie sehr das in der Praxis umsetzbar ist oder nicht. Ein noch viel cleverer Zug war, dass wir erfahren, welcher Schatten seit der Zeit kurz nach dem Ausbruch über der gemeinsamen Vergangenheit des Geschwisterpaares hängt (“We murdered people, Joel”). Das zeichnet im Zusammenspiel mit der vordergründig “weicheren” Schale dieses Joel im Kontrast zum Spiel ein anderes, aber spannendes Bild von ihm. Dass Spiel-Joel entschieden drecksackiger und verrohter rüberkam, war bisher einer der zentralen Kritikpunkte an seinem Serien-Gegenstück. Mittlerweile glaube ich aber, dass diese Änderung kein Zufall oder Publikumsanbiederung war, sondern insgeheim Methode hatte und eine große Stärke der Serie werden könnte.

Schöner Spannungsmoment, als Joel und Ellie von Jackson-Bewohnern aufgegriffen werden und wir nicht wissen, ob der Seuchenhund anschlagen wird. (Bildquelle: HBO)

Je länger ich darüber nachdenke, umso weniger überraschend kam am Schluss des Spiels Joels Rettungstat. Er war bereits eine verlorene Seele, wofür er ja später noch die vermutlich verdiente Quittung bekommt. Es war von ihm nicht anders zu erwarten. Wenn der Serien-Joel, den wir gerade am reuigen, altersmilden Ende seiner traurigen Existenz erleben – als Mann der sich eigentlich bessern möchte – am Ende der ersten Staffel in den School-Shooter-Modus geht, könnte das umso erbarmungsloser und bitterer wirken. Wenn das so passiert, ziehe ich meinen Hut vor dem Risiko, das die Autoren dadurch eingingen, dass sich der Joel der Serie ein wenig mehr Gewissen und Menschlichkeit bewahrt hat. Ich sehe dieser Folge jedenfalls schon mit einem Kneifen in der Magengegend entgegen.

Ansonsten überraschte die Zusammenkunft mit Tommy dadurch, dass wir nicht das Jackson aus dem ersten Teil bekommen, sondern bereits die voll funktionstüchtige, friedliebende Kommune, die wir aus The Last of Us Part 2 kennen. Einschließlich einer ersten Vorstellung der Person, die wohl die Serien-Dina in Staffel zwei werden wird (und das Pferd Shimmer nicht zu vergessen). Jackson ist sehr originalgetreu nachempfunden, sogar die Kneipe “The Tipsy Bison” trägt den gleichen Namen wie im Spiel. Möglich, dass die Serie nicht vorhat, von der ersten zur zweiten Staffel denselben vierjährigen Zeitsprung hinzulegen, und wir das Städtchen deshalb jetzt schon in dieser Form zu sehen bekommen.

Jackson in der Serie ist gespenstisch nah an dem Städchen aus dem zweiten Teil. (Bildquelle: HBO)

Sehr schön war auch die Eröffnung mit dem alten Ehepaar. Graham Greene kann man nicht oft genug sehen und die Gelassenheit, mit der er und seine Frau (Elaine Miles) ihrem möglichen Ende entgegensehen, war wahnsinnig erheiternd. Eine meiner Lieblingsszenen dieser Serie bis jetzt, vor allem, als Ellies Trotzreaktion, man werde sich keine Angst machen lassen, von der alten Indigenen mit einem trockenen “bei ihm hat’s geklappt” in Joels Richtung gekontert wurde. Ein guter Spannungsmoment war auch die erste Konfrontation mit den Jackson-Leuten. Ich war fest überzeugt, der Hund würde bei Ellie anschlagen und habe selten so lange den Atem angehalten wie hier.

Auch einer der wichtigsten Dialoge des Spiels, nachdem Joel Ellie Tommy überantworten möchte, ist mal wieder eins zu eins und damit exzellent auf die Serie übersetzt worden. Pascal und Ramsey sind einfach ein tolles Gespann und als sie dann doch zusammen Richtung Colorado aufbrechen, hat man das Gefühl, auch die Figuren sind endlich eine komplette Einheit. Der unweigerliche Clash mit den Banditen, bei dem Joel seine kritische Verletzung erhält, überraschte dadurch, dass sich die Macher der Serie zum wiederholten Male nicht dazu verführen ließen, Gameplay-Szenen zu replizieren. Die Flucht vor der Bedrohung war so schnörkellos und auf pure Selbsterhaltung bedacht, wie es bei echten Menschen der Fall wäre. Ein Third-Person Stealth-Action-Spiel sucht den Kampf natürlich bereitwilliger. Mir hat das gut gefallen, wie schnell das alles ging.

Der kurze Ausblick darauf, was sein könnte, wenn man sich nur niederließe, wird Joel nachhaltig prägen. (Bildquelle: HBO)

Und jetzt also das Left-Behind-Kapitel nächste Woche, oder? Ellies Origin-Geschichte gewissermaßen. Ich bin gespannt, ob sich das über die komplette Folge erstreckt, oder ob Ellies Begegnung mit David parallel dazu stattfindet. Und danach können wir uns auch schon auf das große Finale gefasst machen, denn nach neun Folgen ist erst mal Schluss. Wie doch die Zeit vergeht…

In diesem artikel

The Last of Us

PS3

The Last of Us Part I

PS5, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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