Spider-Man: Far From Home - Filmkritik: Ein bisschen Erdung
Wie geht's nach dem Endspiel weiter? Mit Herz und Leichtigkeit.
Regie: John Watts
Buch: Chris McKenna, Eric Sommers
Darsteller: Tom Holland, Jake Gyllenhaal, Zendaya, Samuel L. Jackson, Jacob Batalon
Vorweg - ENDGAME SPOILER folgen! Wer die nicht sehen will, liest bis zur Linie die Spoiler-freie Kurzfassung: Guter, flinker Film, sympathische Figuren, meist schön leichtherzige Aufarbeitung und Weiterführung des letzten Avengers, auch wenn der Haupt-Handlungsstrang leicht nach typischem Marvel-Solo-Streifen müffelt, steckt die eigentliche, bessere Geschichte in den Figuren. Und falls euch das wichtig ist, die Einordnung zwischen die anderen Soli: Besser als Captain Marvel, Homecoming und Doctor Strange, schwächer als alle Caps, der dritte Thor und der erste Iron-Man Und jetzt ab! Endgame schauen!
Kein ganz einfacher Film, sollte man meinen - dieser Nachfolger zu Marvels buchstäblichem, aber alles andere als endgültigem Endspiel. Für die Leute, die ihn gemacht haben, meine ich. Die Welt des MCU befindet sich in einem wackligen Zustand, nachdem der letzte Streifen ein paar der Grundpfeiler einriss und wie sich herausstellt, ist die Art, wie Far From Home damit umgeht und das Säckchen der letzten beiden Filme weiterträgt, durchgehend bewundernswert. Mehr noch.
Klar, es gibt im Guten wie im Schlechten die typischen Elemente und Story-Beats eines klassischen Marvel-Solo-Films. Und die Natur der Bedrohung, die diverse Stationen Europas parallel zu einer Klassenfahrt Peter Parkers und seiner Freunde heimsucht, denkt den klassischen Superhelden-Bösewichten nicht neu. Aber es stimmt auch, dass nichts von dem, was hier passiert, ohne Endgame möglich gewesen wäre. Und so erweist sich einmal mehr der oft so unhandlich, übertrieben und unheimlich durchkommerzialisierte wirkende Klops, den man MCU nennt, als die größte Stärke eines seiner Filme.
Mittlerweile hat es Marvel einfach raus, Kapital daraus zu schlagen, dass sich alle seine Figuren in derselben Welt bewegen. Fast meint man, ein erneuter Aussetzer wie der zweite Thor oder das hintere Drittel der Iron-Man-Trilogie - die immer noch gut unterhalten, so lange man sie schaut -, ist zukünftig ausgeschlossen, so gut ist diese riesige Seifenoper mittlerweile darin, sich selbst einzuschäumen. Sowohl Held als auch ... sagen wir mal "die Bedrohung" ziehen ihre Motivation aus den Taten einer zentralen Figur, die im letzten Film verabschiedet wurde, arbeiten auf die eine oder andere Weise die Geschehnisse auf - und der Ausgang von Endgame arrangiert für den Kollisionskurs, den sie dabei fahren, das Spielfeld optimal.
Peter Parkers Auseinandersetzung mit Tony Starks Tod und sein Leben im Spannungsfeld zwischen neuer Verantwortung und der Lust auf Normalität ist das Herz dieses Films, den John Watts in seinen besten Momenten doch glatt als romantische Teenager-Komödie mit einer sehr sympathischen Rasselbande an Klassenkameraden inszeniert. Der Film geht unfassbar schnell vorüber, schlägt bisweilen erstaunlich leichtherzige Töne an, die gut zu einem Spider-Man-Film passen (selbst in Bezug auf den "Snap" und was er mit dem Universum machte) und ist erfreulich charaktergetrieben. Das ist allerdings auch gut so, denn der eigentliche Superhelden-Kram hier ist, wie angerissen, zwar gut gemacht, aber eben auch nicht neu. An ein, zwei Stellen wird zudem ein wenig die Glaubwürdigkeit strapaziert, was vor allem in einer Szene in der Mitte des Films in einer Szene in einem Bus arg klamaukig und gezwungen wirkt.
Schwamm drüber, man ist so gern mit diesen Figuren unterwegs, weil sie ihre eigenen, wichtigeren Geschichten durchmachen. Jake Gyllenhaal macht seine Sache wie erwartet ausgezeichnet, allerdings widerstrebt es mir, aus Spoiler-Gründen, eingehender darüber zu sprechen. Wer die Comics kennt, weiß, worauf das hier hinausläuft und einige haben so ihre Probleme mit dieser Art von Figur in diesem Universum und welchen Weg sie für gewöhnlich - und so auch hier - nehmen. Aber sowohl Buch als auch Darsteller machen das Beste daraus. Gyllenhaals Mysterio hinterlässt in den letzten Momenten dieses Films (zwei Post-Credit Szenen, übrigens!) bleibende Spuren auf diesem Universum, auch wenn das sein eigentlicher Handlungsbogen nicht vermochte.
Am Ende ist Far From Home der Film, den Hollands Peter Parker nach all dem intergalaktischen Pathos der letzten Filme brauchte, um wieder ein wenig Boden unter den Füßen zu bekommen. Klar braucht es dazu auch gut gemachtes Spektakel - das hier übrigens deutlich besser, weil nachvollziehbarer und spannender choreografiert ist als in Homecoming. Aber die menschelnde Seite Parkers war schon immer seine Stärkere und Far From Home hält in einem klugen Zug das Spotlight drauf.
Allein, ich bin nicht sicher ob der Film seine zentrale Frage, "wer wird der nächste Iron-Man", wirklich befriedigend beantwortet und ob er sie überhaupt an die richtige Figur richtet. Aber hey, es wäre keine Seifenoper, wenn man nicht bei der nächsten Folge erneut einschalten wollte, um das herauszufinden. Alles richtig gemacht, eigentlich.