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Watch Dogs Legion angespielt: GTAs Schatten entkommt man nur mit einem Schritt zur Seite!

Und mit einem Sprung über den Teich.

Bevor es ans Eingemachte geht, ein paar Takte zum "Event", auf dem ich Watch Dogs Legion anspielen konnte: Es handelte sich um eine "Remote Session", was bedeutete, dass das Event komplett digital stattfand. Anstatt aber eine Vorschauversion auf meinem Testrechner im Büro aufzuspielen, streamte Ubisoft das Spiel drei Stunden lang über das Internet in meine Richtung und teilte mir einen einen Entwickler von Ubisoft Bukarest zu, der mir per Voice Chat beistand, wo ich Hilfe brauchte.

Das bedeutet natürlich, dass mein Erlebnis stellenweise durch Lags und deutliche Artefaktbildung im Video-Stream gestört wurde. Autofahren ging in verkehrsüblichen Geschwindigkeiten kaum und obwohl Stealth und Schießereien allgemein nur wenig Verzögerung spüren ließen, gab es Situationen, in denen ich wegen kurzer Krisseleinlagen des Bildes wichtige Dinge übersah oder wegen der Eingabelatenz mal links, mal rechts an einem Feind vorbeischoss. Optimal war das nicht. Spaß hatte ich trotzdem. Warum, das lest ihr jetzt.


Verschiedene Charaktere haben Zugang zu unterschiedlichen bewachten Bereichen, ohne Verdacht zu erregen. Das kann entweder für Abwechslung sorgen oder als 'Auf jeden Topf passt ein Deckel'-Ansatz zum großen Gleichmacher der Missionen werden. Wir werden sehen.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich Watch Dogs nach dem mauen ersten Teil als Reihe für mich doch noch so mausert. Watch Dogs 2 (klickt für den Test) war ein richtig gutes Spiel. Tatsächlich gefiel mir das Sequel ausgenommen gut, obwohl die Anwesenheit diverser tödlicher Waffen nicht so recht zum ansonsten sonnig-rebellischen Ton passen wollte. Die Message war schließlich: "Ey, fuck the System, Alter", nicht "Sie müssen alle sterben!"

Gut, dass es problemlos möglich war, das Spiel auch ohne den Einsatz von Schusswaffen zu bewältigen. Wenn man wollte, musste hier niemand wirklich sterben. Es blieb bei Blackouts und blauen Flecken und das Spiel war ein besseres, wenn man die entsprechende Disziplin dafür aufbrachte. Watch Dogs Legion "korrigiert" die fehlende Gewaltberechtigung des zweiten Teils nun gewissermaßen, indem es ein deutlich düstereres Szenario anlegt als zuletzt: Ein aufgrund terroristischer Akte unter den "Schutz" einer schwerbewaffneten Privatpolizei und totale Überwachung gestelltes London. Angeblicher Verantwortlicher für die auslösenden Gräueltaten: Ausgerechnet DedSec, die Organisation, die den Anschlag unter Einsatz von Leib und Leben zu verhindern suchte.

Auch wenn es hier martialisch aussieht. Die Gegner suchen bislang nicht hartnäckig genug nach dem Spieler, als dass man sich genötigt sähe, zum Äußersten zu gehen.

Wie sagt man so schön im Englischen, wenn es ruppig wird: Die Handschuhe sind also aus, hier kämpft nicht nur eine Bewegung ums Überleben, sondern auch um die Freiheit ihrer Mitbürger. Die von den letzten Spielen aufgebaute Drohkulisse vom Verlust fundamentaler Rechte ist in Legion längst gelebte Realität und die Zeit, das Rad zurückzudrehen, läuft DedSec allmählich davon. Wer da die Waffen sprechen lassen möchte, hat demnach nachvollziehbaren Grund dazu. Umso schöner, dass dieses Spiel es trotzdem lieber sieht, wenn ihr nicht reihenweise Gegner killt. Jede eurer Figuren verfügt standardmäßig auch über betäubende Schusswaffen, die das Problem einer lästig im Weg herumstehenden Wache für eine Weile beseitigt, ohne dass man sich länger fragen müsste, wie Mrs. S. Guard und Junior S. Guard die Nachricht vom Ableben des liebenden Vaters und Ehemannes aufnehmen und ob die Lebensversicherung reicht, um die erdrückende Hypothek auf das Haus und die Medikamente für den chronisch kranken Sohnemann gleichzeitig zu finanzieren.

Für die jeweilige Spielsituation macht das natürlich nur wenig Unterschied, ob das Pump-Action Gewehr nun Elektrizität verschießt oder Schrot, aber die Möglichkeit, den Grad der gewirkten Gewalt selbst skalieren zu dürfen, halte ich für eine lohnende Form des Spielerausdrucks: Nervt euch ein bestimmter Gegner besonders oder geht von jemandem eine besonders schwere Gefahr aus, dürfte ein scharfes, tödliches Kaliber zur verlockenden Angelegenheit werden. Im Umkehrschluss kommt es auch zu Szenarien, in denen Leute, die ihr eigentlich nur kurz betäuben wolltet, am Ende doch dran glauben müssen (ferngesteuerte PKW sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit!). Kurzum: Finde ich toll und könnte den Taten des Spielers in einer Welt voller benannter und mit Charaktereigenschaften versehener NPCs potenziell mehr Gewicht verleihen.

Die Demo setzte uns nach einem recht spannenden Intro-Level mit vier Teammitgliedern am Londoner Themseufer ab und tatsächlich es erschlägt erstmal ein wenig, was man hier alles tun und lassen kann. Autos wollen einmal mehr ferngesteuert, Straßensperren und Ampeln kontrolliert und Kameras und Drohnen übernommen werden. Die Karte ist voller möglicher Rekruten für DedSec und im Pausemenü sind bereits zwei der vier Fraktionen, mit denen es DedSec in London zu tun bekommt, mit eigenen Missionen vermerkt: Die Verbrecherfamilie der Kellys und die Privatpolizei Albion, jeweils mit angemessen hassenswertem Anführer.

Wie so oft versteht es Ubisoft, die zentrale Zielsetzung seines Spiels in eine menschliche Form zu packen und der übergeordneten Bedrohung so ein Gesicht zu verleihen. Das ist vor allem in großen Open-World-Spielen als Orientierungshilfe sehr klug. Denn selbst, wenn ihr mal nicht mehr ganz parat habt, was gerade DedSecs Ziel ist und in welcher Lage ihr euch befindet, die Gesichter dieser vier Obermotze werdet ihr mehr oder weniger immer vor Augen haben und zumindest lose wissen, was zu tun ist. Klar ist, hier hat man alle Hände voll zu tun - und zwar nicht nur im Rahmen der Geschichte.

Drohnenexperten verlassen sich noch mehr auf elektronische Helferlein als DedSec es ohnehin schon tut.

Zentrale Neuerung von Legion ist natürlich das "Play as anyone"-Feature, das es euch erlaubt, jeden NPC, den ihr seht, für DedSec zu rekrutieren, mit eigenen Fähigkeiten, eigener Stimme und eigener Hintergrundgeschichte. Natürlich dürften sich irgendwann die Grenzen dieses Systems auftun, und selbstverständlich gibt es auch hier typisierte Charaktere, die sich gewissermaßen in Klassen einteilen lassen. Aber es sind offenbar recht viele Klassen und die Charaktere bringen immer noch entschieden mehr Individualität mit als man es von der Bevölkerung anderer offenen Welten gewohnt ist. Zudem würde es mich bei aller sicher angewandten prozeduralen Generierung schwer wundern, wenn nicht auch einige besonders coole handgemachte Figuren darunter sind, die zu finden, ein richtig cooler Moment wird. Und natürlich gibt es aufseiten von DedSec auch ein paar Charaktere aus der DedSec-Führungsriege, die kennenzulernen, ich mich durchaus freue.

Schon während meiner Session erklärte ich es tatsächlich zu einer Art Sport, die interessantesten Figuren, die mir über den Weg liefen, auf die Merkliste für DeadSec-Rekruten zu setzen. Ich sehe mich jetzt schon auf eine Pokémon-artige Sammeltour durch das virtuelle London gehen, so viel Spaß machte es, herauszufinden, was man für die jeweiligen NPCs tun musste, um sie zu spielbaren Charakteren zu machen. Mehr dazu, wie Ubisoft dieser Trick gelingt, lest ihr im Kommentar Watch Dogs Legions bestes Feature ist auch nur ein Trick - aber das ist ok.

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Einen Charakter, eine Auftragskillerin namens Farida Salehi, wollte ich mir während meiner Sitzung besonders dringend unter den Nagel reißen. Wie das lief, seht ihr im Video oben. In einigen Fällen - so auch in diesem - müsst ihr dazu eine Mission erfüllen. Hier lief ein Einsatz meiner unwissentlichen Rekrutin gründlich schief, weshalb ich sie nun aus einem Lager der Kellys befreien musste. Ich näherte mich Hacker-stilecht, indem ich eine Lastendrohne übernahm und auf der stehend über den Luftweg die verschiedenen Anlagen anflog. Sehr cool, auch wenn es gern noch weiter nach oben hätte gehen dürfen. Nach gefühlt 100 Metern Senkrechtflug war Schluss.

Der Rest war extrem intuitiv, was sowohl für als auch gegen das Spiel an sich spricht. Ich markierte Patrouillen durch Anvisieren, spähte durch die Überwachungskameras nach Safes, ctOS-Computern mit Infos, Schlüsselkarten, Türöffnern und Schaltern für Überwachungsanlagen und schlich dann mithilfe der Infos zum markierten Zielpunkt vor. Man kennt das vom Vorgänger - und ich musste auch dem schon attestieren, dass sich das irgendwann ein wenig wiederholte und die Drohnentaktik sich so gut wie immer als Optimalweg erwies. Dennoch: Die Systeme haben bestens funktioniert, die Steuerung war trotz des Streams noch gut und flüssig genug, dass das hier Spaß machte.

Der Sportwagen des Spions verschießt Lenkraketen. Was sonst.

Vor allem die unterschiedlichen Spielfiguren dürften einen drastischen Unterschied machen und eingefahrene Abläufe immer wieder aufweichen, auch wenn sie alle grundsätzlich viele Fähigkeiten gemeinsam haben. Infiltriert man eine Baustelle, wird man als helmtragender Bauarbeiter nicht als verdächtig eingestuft. Hacker und Drohnenexperten sind wirksamer in höher durchtechnisierten Anlagen und so weiter und so fort. Hoffen wir, das Feature bringt die Abwechslung, die die Missionen gut gebrauchen können. Sonst bleibt es bei einer immerhin noch netten Spielerei. Explizit schade fand ich unterdessen, dass Permadeath nicht mehr der Normalzustand in Watch Dogs Legion sein soll, wie der erste Trailer von der E3 2019 noch versprach. Stattdessen sind überwältigte Figuren einfach eine Echtweltstunde lang nicht verfügbar. Einige wenige Figuren tragen allerdings die Eigenschaft "lebensmüde" und sterben deshalb endgültige Tode. Ich fand diese Lösung ehrlich gesagt weniger spannend, als es hätte sein können. Andere werden das deutlich positiver sehen. Nicht unwahrscheinlich, dass Ubisoft zumindest eine Option integriert, um das Feature wieder zuzuschalten.

Und dann wäre da die Stadt an sich: London sieht fabelhaft aus. Dennoch hat Ubisoft, bei aller Liebe für die wohl zweitbesten Open-World-Bastler der Branche, weder die Autoren noch das irrsinnige Auge fürs Detail, das Rockstars Output zu Milliardenverdienern macht. Man sieht die Menschen auf der Straße ineinander laufen, seltsame Wege nehmen, vergessen, was sie gerade taten. Alarme und Verfolgungsjagden werden gestartet und selbst bei schlimmen Vergehen allzu schnell wieder schulterzuckend abgestellt - solche Dinge eben. Aber - und das muss man auch sagen - Ubisoft legt dem Spieler in der Regel die interessanteren Gameplay-Aufhänger und Spielerwerkzeuge auf den Tisch als die GTA-Macher. Das gilt auch für Watch Dogs Legion, das mit all seinen Eingreifmöglichkeiten einmal mehr ein deutlich interaktiverer Schauplatz ist, als es Los Santos je war. Ubisoft macht sich mit Absicht mit den Pionieren des Genres schwer vergleichbar und das ist gut so.

Sabine Brandt ist eine der AnführerInnen von DedSec. Ihr Face Capture ist auf exzellentem Niveau, und auch deutlich höher als das der spielbaren Figuren.

Zudem will ich diese Arbeit auch gestalterisch nicht kleinreden. Die britische Hauptstadt sieht sowohl technisch als auch in ihrer Ausstaffierung mit Wahrzeichen und wiedererkennbaren Ecken und Straßenzügen mehr als nur ansehnlich aus. Das liegt sicher nicht zuletzt daran, dass wir ansonsten eher auf dem Quadratpapier entworfene amerikanische Metropolen unsicher machen, anstatt einen so organisch verwinkelt-verwachsenen Euro-Moloch wie nun mal London und die Gestalter des Studios übersetzen den Charakter der Swinging City mit Talent und gutem Auge ins Spiel. Das hier könnte Ubisofts bisher beste Arbeit werden.

Angesichts des Probierformats samt Lag und unscharfer Bildübertragung will ich über die Grafik an sich und die Handhabung nicht weiter ins Detail gehen. Nur so viel: Das hier hätte spielerisch eine Katastrophe sein können, die war es aber nur, wenn ich auf der Straße mal richtig ins Gaspedal treten wollte, denn dann kam meine Leitung einfach nicht mit. Ansonsten bin ich nach der langen, unbestimmten Verschiebung des Spiels wieder frohen Mutes. Was auch immer der Grund war, warum Watch Dogs Legion im Zuge der Kritik an Ghost Recon Breakpoint verschoben wurde, das Spiel ist definitiv wieder auf Kurs und offenbar eine würdige Fortsetzung des zweiten Teils, noch dazu mit einer interessant abgewandelten Formel. Sehr nett!

Es mag erst das dritte Spiel in der Reihe sein, aber Aiden Pearce wirkt schon jetzt wie ein Relikt aus grauer Vorzeit.

Mehr über andere neue Ubisoft-Spiele wie Far Cry 6, Assassin's Creed: Valhalla und anderen erfahrt ihr hier: Ubisoft Forward 2020 - Alle neuen Spiele in der Übersicht


Entwickler/Publisher: Ubisoft Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, PS5, Xbox Series X - Geplante Veröffentlichung: 2020 - Angespielt auf Plattform: PC, im Stream

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