Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Divinity Original Sin: Enhanced Edition - Test (PS4, Xbox One)

Und all das von der Couch aus...

Eurogamer.de - Herausragend Badge
Der Sprung auf die Konsolen nimmt Original Sin nichts von seiner Komplexität und wertet es mit Couch-Koop fantastisch auf.

Für Larian muss diese Umsetzung in doppelter Hinsicht ein Prüfstein gewesen sein. Ein sich im Kleinklein überlaufender Inventar-Rucksäcke verlierendes Umfangsmonster wie Divinity: Original Sin auf Konsole - noch dazu mit vollwertigem Splitscreen-Modus? Wir bewegen uns hier fernab von Diablo, das seine Interaktionen mit der Welt im Kistenzerdeppern erschöpft und Spieler nur in der Spannweite des aktuellen Bildausschnitts von der Leine lässt. Divinitys Koop-Modus war schon auf dem PC (siehe Divinity-Original-Sin-Test fürs Inhaltliche) mehr eine natürliche Erweiterung, bedingt durch das Geschwisterpaar, das die Geschichte als tragenden Pfeiler vorsieht und das getrennt voneinander die verschiedensten Dinge tun kann.

Stein-Schere-Papier, als Problemlösung natürlich wieder dabei, wenn man sich in den Dialogen nicht einig ist. Am Splitscreen entfaltet das eine ganz eigene Dynamik.

Erlebt man das auf der Konsole am geteilten Bildschirm, entsteht fast der Eindruck, es seien zwei separat ablaufende Kampagnen. Jeder Spieler darf mit seiner Figur tun, worauf er Lust hat, ohne Rücksichtnahme auf den anderen. Während er auf dem Marktplatz einem Fischdieb ins Gewissen redet, kann sie am Strand den Bruder eines heulenden Orks ausbuddeln. Den damit vom Zaun gebrochenen Kampf erkennt er über den geteilten Bildschirm und kann ihn als "Ihr Problem, hihi" abwinken. Er könnte genauso gut sofort dorthin eilen und Unterstützung leisten. Oder aus sicherer Entfernung mitansehen, wie seine Schwester leblos ins knöchelhohe Wasser fällt, und sie dann mit einer Wiederbelebungsrolle zurückholen. Der Ork wird ihn keines Blickes würdigen, wenn er vorher nicht am Kampf beteiligt war.

Niemand steht in Abhängigkeit zum anderen oder derzeitigen Geschehen, wofür mir besonders vor dem Hintergrund eines komplex ausstaffierten RPGs nur ein Wort einfällt: fantastisch! Euch fallen als Erstes vielleicht Hinterhalte ein, prima einzufädeln, wenn euer Mitspieler aus einer gegensätzlichen Richtung ins Gerangel eingreift. Aber das war ja auch vor einem Jahr am PC so. Die spannende Frage wie bei Wasteland 2 letzte Woche lautet eigentlich: auf Konsole, yay oder nay?

Auch in den Rundenkämpfen sollte man mit der Umgebung arbeiten, Feinde etwa in Fallen locken, Fässer sprengen, Pfützen unter Strom setzen, wenn jemand drinsteht, und einiges mehr.

Genau wie Inxile hat auch Larian alles Mögliche getan, um ein text- und menülastiges Spiel dem Pad-Layout vor die Füße zu legen. Kreismenüs sind wunderbar tauglich zum Unterbringen vieler Punkte auf engstem Raum, und sie machen auch hier einen mehr als ordentlichen Job. Die Schriftgröße ist modernen TV-Diagonalen angemessen, ebenso wie die Inventar-Icons bei der Durchreise zu Rüstungen, Tränken und Handwerksmaterialien. Natürlich ist auch bei Original Sin der Mauszeiger in Verbindung mit Schnelltasten für bestimmte Aktionen überlegen, was nun mal nicht zu ändern ist. Aber man kann nicht behaupten, dass es die per Dreieck/Y aufrufbare und zur Seite hin erweiterbare Schnellleiste für Zauber, Angriffe und Items - auf dem Keyboard die Tasten 1 bis 9 - unnötig schwer machte. Zumal die aufklappenden Hilfetexte immer die richtige Position finden.

Original Sins Entwicklung verlief auch in Gedenken an die Interaktivität eines Ultima 7, erkennbar daran, dass man vieles anfassen, kombinieren oder verschieben kann, Letzteres je nach Stärkewert. Das klingt ohne Mauspräzision nach furchtbar kompliziertem Gefuddel. Ist es nicht. Ein Wahrnehmungs-Check mit Suchkreis - seine Gründlichkeit abhängig vom entsprechenden Attribut - erfasst auf Tastendruck alle Behälter und interaktiven Objekte in einer Leiste. So kann man bequem einen nach dem anderen öffnen und durchsuchen, mithilfe des Kontextmenüs auch draufknüppeln, danach greifen, verschieben und so weiter.

Für jedes in der Welt stehende Objekt gibt es ein Kontextmenü zum Nehmen, Öffnen, Angreifen, Bewegen oder wofür auch immer es vorgesehen ist.

Larian hat sämtliche im Schoß der Tastatur geborenen Funktionen auf das Gamepad umgemünzt, alle Tasten belegt, ohne euch fingerverknotende Akrobatik abzuverlangen. Sehr nett ist, dass der geteilte Bildschirm verschmilzt, sobald sich beide Spielfiguren weit genug annähern - wobei dann ähnlich wie in Diablo 3 keine Kameradrehungen mehr möglich sind. Gleichwohl kann man die Teilung jederzeit erzwingen, schätzt man die Übersicht in einer rundum einsehbaren Spielwelt.

Unter der Oberfläche ist sie kitschig und in ihrer Prämisse etwas zu klischeehaft geraten - obwohl einiges für die Enhanced-Edition umgeschrieben wurde -, aber das ist Larian-Humor, also nehmt ihn als diesen. In der Schrulligkeit liegt eine unbekümmerte Frische, die trotz allem passt und im Kontrast steht zum krückenlos gestalteten Quest-Design. Auch wenn die typische Wald-und-Wiesen-Fantasy aus jeder Pore strömt, kann man sich schon in den ersten Aufgaben Hals über Kopf verrennen. Ohne die Automatismen heutiger RPGs muss man genauer hinhören, im Zweifel den Schreibblock bereit legen, und es darf losgehen mit einem über weite Strecken erzählerisch höchstens soliden, aber herrlich spaßigen, knallig-bunten und fordernden Rollenspiel.

Auf einem 42er-TV mit zwei bis drei Metern Abstand sind die Icons noch gut erkenn- und die Schrift lesbar.

Immerhin sind die Albernheiten in den Dialogen keine bloßen Texte mehr und alle NPCs vertont, sogar kleine Hafenarbeiter. Lediglich in englischer Sprache, aber man beschwert sich ja nicht, zumal die deutsche, nahezu fehlerlose Übersetzung den Sprung in die Welt der Orks, bekutteten Kultisten und Untotenkönige so angenehm wie möglich macht.

Sobald euch diese im Griff hat, habt ihr schon verloren. Sehr viele Lebensstunden, in denen ihr Schlachtfelder mit Regenzaubern löscht, Holzkisten vor versteckten Hebeln wegbuckelt und Ölfässer mit in den Kampf schleppt. Original Sin stellt die Spielwelt als interaktives Element mit in die erste Reihe, statt sie als stille Kulissenabfolge zu schonen. Damit gelingt den Larian Studios auch auf den Konsolen und trotz Enhanced-Edition ein oft nur solide geschriebenes, aber spielerisch prächtiges und übermütiges Rollenspiel ohne Krücken. Wer das Ende allen Lebens ohne Quest-Marker bis unter die Decke verhindern und wunderbar taktische Rundenkämpfe erleben möchte, bräuchte schon viele unschlagbare Alternativen, um bei so einer Gelegenheit nicht schwach zu werden. Und da es die gerade nicht gibt...

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel
Verwandte Themen
Über den Autor
Sebastian Thor Avatar

Sebastian Thor

Freier Redakteur - Eurogamer.de

Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.

Kommentare