Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Endlich Wolfenstein wie alle anderen erleben - ihr wisst, was jetzt passieren muss, oder?

Gebt uns den Rest!

Die Zeichen dafür, dass sich bei Wolfenstein hinsichtlich der Verfremdung zeitgeschichtlicher Bezüge etwas tun würde, verdichteten sich nicht erst auf der E3, aber hier war es doch recht explizit - auch wenn es einem leicht entgehen konnte: Auf Bethesdas E3-Showcase wurde auch für Deutschland ein Trailer zu Wolfenstein Youngblood gezeigt, in dem zwar noch die bekannten "Regime-Symbole" der hiesigen Version zu sehen waren, eine von B.J.s Töchtern sprach aber von "Nazis", anstatt von "Deutschen" oder dem "Regime".

Manche überhörten das, andere dachten sich nichts dabei - immerhin waren das für uns schon immer "Nazis", das würden wohl selbst die Verantwortlichen bei Bethesda nicht anders sehen. Aber wer aufgepasst hatte, sah kommen, dass wir künftig auch die internationalen, ungeschnittenen Versionen bekommen würden.

In der geschnittenen Version von Wolfenstein 2 weiß man genau, wer gemeint ist. Die Verfremdung von Wort und Bild geht aber nicht spurlos an der Wirkung des Titels vorbei.

Seit letztem Jahr darf die Sozialadäquanzklausel, nach der die Darstellung von verfassungsfeindlichen und damit verbotenen Symbolen gestattet ist, sofern sie, O-Ton USK, "der Kunst oder der Wissenschaft, der Darstellung von Vorgängen des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient", auch auf Videospiele angewandt werden. Und es muss uns nicht wundern, dass besonders Bethesda als Wolfenstein-Publisher nun Konsequenzen zieht, auch wenn es nicht ganz so einfach ist, wie man denken könnte. Denn eine deutsche Version muss parallel immer noch von Hand entschärft und veröffentlicht werden.

Warum? Nun, jedes neue Spiel muss immer noch darauf geprüft werden, ob es "sozialadäquat" ist. Im Falle eines "Nein" der zuständigen Behörde ohne Version für den größten europäischen Markt dazustehen, würde sicherlich teurer sein als die Lokalisation. Dennoch: Schön, dass man für die Zukunft einen gangbaren Weg gefunden hat, das hier war längst überfällig. Die zukünftigen erwachsenen Spiele, die sich auf erfrischende Weise - und nicht nur mit der Waffe in der Hand - mit dem Thema auseinandersetzen, wären uns damit über kurz oder lang gewiss (Through the Darkest of Times ist nur eines davon). Aber was ist mit der Vergangenheit?.

Through the Darkest of Times beleuchtet das Leben im Widerstand.

Wie wahrscheinlich ist es, auch die Spiele zu sehen, die bisher zensiert, damit verfälscht und Teilen ihrer widerständlerischen Kraft beraubt wurden? Für die letzten paar Wolfenstein-Spiele sehe ich noch die besten Chancen, dass Bethesda The New Order und The New Colossus ungeschnitten erneut zur Prüfung vorlegt. Denn so gut die deutschen Versionen im Rahmen der Möglichkeiten auch gemacht waren, ein wenig verharmlost wirkten das Regime und seine Taten dann doch, wenn man das Original danebenhält. Klar, das hier ist eine überzeichnete Pulp-Version der Nazis.

Trotzdem stellte Machine Games die widerwärtigen Ansichten der Bewegung bis runter auf ihre abstoßende Rassenkunde so schonungslos dar, dass einem das Lachen über die toll geschriebenen Dialoge und den oft beachtlichen visuellen Witz an genau den richtigen Stellen im Halse stecken blieb.

Einige der einschlägigen Szenen von The New Colossus im Original zu sehen, schockiert auf eine Weise bis ins Innere, die Bände darüber spricht, wie sehr uns Spiele diesbezüglich bisher in Watte packten, weil die Rechtslage nichts anderes zuließ, nicht dass viele der anderen Werke in dieser Richtung derart gut geschrieben gewesen wären wie Machine Games' Output. Aber ich wünschte mir angesichts der verlorenen Wirkkraft schon, auch andere Publisher schauten sich noch einmal ihre von der Regelung betroffenen Werke an, allen voran der ehemalige Wolfenstein-Rechteinhaber Activision. Das 2009er Raven-Spiel böte sich ebenfalls für einen Re-Release an, dann in der Ursprungsfassung und nicht in der kastrierten USK18-Version.

Der Bundesfighter-2-Gauland in vielsagendem Beinkleid - und bei einem Move, der Folgen für Computerspieler haben sollte.

So oder so: Es ist gut, dass die Zeit, in der sich Videospiele als einziges unter den Kulturbegriff fallendes Medium nicht ernsthaft oder in der vollen Authentizität mit diesem dunklen Kapitel Deutscher Geschichte auseinandersetzen konnten, endlich vorüber ist.

Mein Dank gilt daher noch mal den Entwicklern des Browserspiels Bundesfighter 2 Turbo, an dessen Beispiel der Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler die Gesetzeslage mit einer Klage testete (der Sprungkick des in Bundesfighter 2 Turbo persiflierten Alexander Gauland verdient die Haltungsnote 1 mit Hakenkreuz!). Das zuständige Gericht entschied, das Spiel falle unter die Kunstfreiheit, was den Stein erst ins Rollen brachte.

Manchmal nehmen die größten Umbrüche an den unwahrscheinlichsten Orten ihren Anfang.

Read this next